Beim Lurgbauer: Wo die Rinder Hof halten

Beim Lurgbauer: Wo die Rinder Hof halten
Wie eine Jausenstation im Mariazellerland zur kulinarischen Pilgerstätte wurde und Max Leodolter, einst Lehrling von Heinz Reitbauer am Pogusch, das Erbe hochhält.

Von Achim Schneyder

Es ist schon ziemlich lange her, dass man in der Lurg, wie das weitgehend unberührte und nahe dem Wallfahrtsort Mariazell gelegene Seitental des Erlauftales genannt wird, noch vier bewirtschaftete Höfe zählte: den Vorder- und den Hinterlurger, den Ober- und den Unterlurger. 

Geblieben ist einer, und der heißt jetzt einfach nur Lurgbauer. Adresse Lurg 1, 8630 St. Sebastian. Und dieser Lurgbauer ist nicht allein ob der Hausnummer eine – nur über eine Schotterstraße erreichbare – erste Adresse. Kulinarisch, aber nicht nur. Natur pur, wohin der Blick auch schweift, unendliche Ruhe, wohin das Ohr auch lauscht, nur dann und wann ein Muh. Dazu sechs Gästezimmer, höchst wohnlich. Kurzum: eine Wohlfühloase auf 868 Metern Seehöhe irgendwo im Nirgendwo. Oder, anders verortet: der fast schon in Niederösterreich und somit am weitesten nördlich gelegene Hof der Steiermark.

„Der Opa war in den 1950ern der erste, der Tiere gehalten hat“, erzählt Max Leodolter, Hausherr in dritter Generation, der einst bei Heinz Reitbauer im Steirereck am Pogusch in die Lehre ging. „Und die Oma hat zu Mittag ein bescheidenes, aber ehrliches Essen für die Sommerfrischler aus Wien gekocht, die sich alle Jahre wieder in einem der damals drei Zimmer einquartiert und auf dem Hof mitgelebt haben, als würden sie dazugehören. Stammgäste eben.“

Beim Lurgbauer: Wo die Rinder Hof halten

Ob geschmort, gebacken, gebraten oder – wie hier – gekocht: Das Rind bestimmt die Lurgbauer-Speisekarte.

Man sieht tiefschwarz

Heute kocht Max. Und vornehmlich kocht er Rind. „Der Plan meiner Eltern war, die zahlreichen Pilger anzulocken, die auf der berühmten Via Sacra marschiert sind, die ausgehend von Brunn am Gebirge nach Mariazell führt. Was sie nicht bedacht haben: Wer nach vier, fünf Tagen auf Wanderschaft nur noch rund fünf Kilometer vom Ziel entfernt ist, macht keinen Umweg mehr über eine Jausenstation, sondern will direkt zur angepeilten Kirche.“ 

Aber irgendwann begann sich dann doch herumzusprechen, dass beim Lurgbauer feinstes Rindfleisch serviert wird – damals eine Kreuzung aus französischem Limousin und heimischem Fleckvieh –, die Jausenstation wuchs sich unter seinem Vater also mehr und mehr zu einem Wirtshaus aus und immer mehr Gäste aus dem näheren Umfeld pilgerten mit ihren Autos zur Familie Leodolter.

Parallel zu Max’ Lehre am Pogusch holte Papa Andreas 1997 den ersten Aberdeen-Angus-Ochsen auf den Hof, und heute sind es ausschließlich die halbwilden, tiefschwarzen und hornlosen Tiere, die nichts anderes als Gras und Heu fressen und freundlich zu den Gästen sind, wenngleich der 1.000-Kilo-Bulle durchaus Respekt einflößt. 

„Auf meiner Speisekarte wirst du auch nie Schwein, Lamm oder Huhn finden“, sagt Max. „Höchstens Wild, wenn Wildzeit ist. Aber die Ochsen und die Weidekälber sind die Hauptdarsteller, gar keine Frage. Und den Begriff ,Nose To Tail‘ gab’s noch gar nicht, da haben wir das aus Gründen der Wertschätzung schon wie selbstverständlich praktiziert. Wenn du schon Leben nimmst, darfst du nix wegschmeißen. Das wäre absolut respektlos. Ich sage immer: Ohne Kuh kein Lurgbauer, ohne Lurgbauer keine Kuh. Ihr Mist wird zu Dünger, der dazu beiträgt, dass sie auch im nächsten Jahr genug Wiese zu fressen hat. Es ist ein Kreislauf, der uns umschließt – ein Gleichgewicht von Natur, Tier und Mensch.“ 

Und dann serviert er eine gekochte Irx’n, das ist der Altwiener Ausdruck für Achsel oder Achselhöhle, es handelt sich also um das Fleisch, das zwischen Schulter und Brust zu finden ist. Und das ist ein Gedicht.

Wo?

Lurg 1, 8630 St. Sebastian,

Tel.: 03882/3718, lurgbauer .at

Wann?

bis 27. 4.: Fr . und Sa. 12 bis 15 und

18 bis 23 Uhr. So. 12 bis 16 Uhr

ab 30. 4.: Mi. bis Sa. 12 bis 15 und

18 bis 23 Uhr, So. 12 bis 16 Uhr

Was und wie viel?

Zu Mittag Vorspeisen von Suppentopf (8,90) über Bruckfleisch (15,20) bis Carpaccio (16,70), Hauptgerichte vom Rind gekocht, geschmort (z. B. Rouladen) oder gebacken (z. B. Cordon) von 27,80 bis 32,90 Euro. Abends Menü-Auswahl von 74 bis 110 Euro. Super Desserts

Warum?

Weil hier Rindfleischküche geboten wird, wie man sie nur selten findet. Schon gar nicht in derartig schöner Umgebung. Und auch die (wenigen) fleischlosen Gerichte überzeugen. Top Weinauswahl

Der exotische Käselieferant

Nimmt man beim Lurgbauer die Speisekarte zur Hand, stößt man gleich zu Beginn auf eine lange Produzenten- und Lieferantenliste, bei der vor allem eines auffällt: Nahezu alle Partner sind in der unmittelbaren Umgebung beheimatet. „Das war und ist die Philosophie unserer Familie. Und wenn bei uns – bildlich gesprochen – Salz und Pfeffer wachsen würden, bräuchten wir überhaupt nix aus dem Supermarkt“, verweist Max auf eine Linie, die er seit Jahren stringent verfolgt. Da mutet selbst der Käselieferant aus Wien fast schon exotisch an …

2011 hat Max, Jahrgang 1981, den Betrieb zur Gänze übernommen, 2017 hat er umgebaut und erweitert. Dort, wo früher der Gastgarten war, steht jetzt ein Glaskubus, in dem sich das Restaurant befindet und der sich an zwei Seiten zur Gänze öffnen lässt, damit im Sommer Restaurant und Terrasse quasi verschmelzen. 

Unbeschreiblich ist von hier aus der Blick auf die über zehn Hektar große Weide und die schwarzen Rinder, die 365 Tage im Jahr zwischen Weide und Stall hin und her spazieren, wie sie wollen und denen man regelrecht ansieht, wie glücklich sie beim Grasen sind. Und: Man schmeckt’s.

Am nächsten Sonntag lesen Sie: Kamolz im „Friedensrichter“

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