Aus für letzten Schrankenwärter: „Die Technik hat uns überholt“

14 Jahre lang hat Stefan Melmer in Imsterberg die Schranken von Hand bedient
In Tirol hat der letzte Schrankenwärter auf einer ÖBB-Hauptstrecke in Österreich ausgedient. Auf Nebenstrecken gibt es noch vereinzelte.

Das mechanische Ring-Ring des antik anmutenden Telefonapparats klingt in Zeiten der Smartphones wie ein Hall aus längst vergangenen Tagen. Vom anderen Ende der Leitung wird Stefan Melmer in seinem kleinen Büro am Bahnhof Imsterberg ein heranbrausender Zug angekündigt.

Für den 49-Jährigen ist es das Signal, um vor die Türe auf den Bahnsteig zu treten. Er legt den Schalter eines kleinen Motors in einem Metallkasten um. Über Seilzüge werden so drei Schranken weiter unterhalb an der Bahnstrecke geschlossen. Die Metallbalken direkt neben dem Bahnhof lässt Melmer mit einer Handkurbel runter.

Aus für letzten Schrankenwärter: „Die Technik hat uns überholt“

Die manuelle Anlage ist so alt wie das Häuschen selbst, das 1900 errichtet wurde. Also noch zu Zeiten der Monarchie. Seit Freitag hat die handgesteuerte Technik ausgedient. „Jetzt geht plötzlich alles digital“, sagt Melmer mit hörbarer Wehmut.

Auslaufmodell

Vierzehn Jahre lang war der Tiroler hier als Schrankenwärter im Einsatz. Mit vier Kollegen abwechselnd hat er in 12-Stunden-Schichten die Schranken auf der Bahnkreuzung bei jedem ein- oder vorbeifahrendem Zug geschlossen und wieder geöffnet.

Aus für letzten Schrankenwärter: „Die Technik hat uns überholt“

„Die Technik hat uns überholt“, sagt Melmer bei seinem letzten Einsatz am vergangenen Mittwoch. Als Schrankenwärter hat er ausgedient, er wird nun von den ÖBB umgeschult und auf einen neuen Posten versetzt. Auch seine Kollegen bleiben weiter im Unternehmen.

Die Schrankenwärter von Imsterberg waren die letzten auf der ÖBB-Westbahn zwischen Wien und Bregenz. Und die letzten auf einer Hauptstrecke im Land. Nur auf Nebenstrecken gibt es noch rund 40 Bahnübergänge, bei denen Schranken von Hand bedient werden.

Aus für letzten Schrankenwärter: „Die Technik hat uns überholt“

„Ich habe die Arbeit gerne gemacht und bin jeden Tag mit einer Gaudi hergekommen“, sagt Melmer. Die Verantwortung war freilich keine kleine. „Du musstest zwölf Stunden konzentriert sein und durftest dir keinen Fehler leisten“, erzählt er. Mit 80 bis 100 km/h donnern durchfahrende Züge an der Haltestelle vorbei und über die mit Schranken gesicherte Kreuzung mit der Straße.

Automatik übernimmt

Drei bis vier Minuten mussten Autofahrer hier bislang warten, bis sich die alten Schranken wieder öffneten. In den vergangenen zwei Jahren wurden neue montiert und 30.000 Meter Kabel für die automatische Steuerung installiert. Wenn der Zug nun einen gewissen Punkt passiert, schließen die rot-weiß-roten Balken automatisch.

Und sie bleiben deutlich kürzer zu, als bisher. „Die enormen Wartezeiten sind endlich Geschichte“, freut sich der Imsterberger Bürgermeister Alois Thurner. Die Straßen seines Dorfs an einem Hang des Inntals führen an vier Stellen über die Bahntrasse.

Über 100 Züge pro Tag

Für Autofahrer war die Wahrscheinlichkeit durchaus groß, vor einem geschlossenen Schranken zu stehen. Tagsüber fahren hier etwa 70 und in der Nacht 60 Züge durch. Brenzlige Situationen hat Melmer an seinem Bahnübergang nie erlebt, genervte Autofahrer hingegen schon.

„Die haben manchmal nicht verstanden, dass der Schranken so lange zu war, wenn der Zug zum Beispiel Verspätung hatte. Aber Sicherheit geht vor“, erzählt der Tiroler lachend.

Weniger Personal

Dass die letzten Schrankenwärter nun ihren Dienst beendet haben, ist auch für Wolfgang Bachler von der ÖBB-Infrastrukturabteilung „mit ein bisschen Wehmut versehen“. Aber die Automatisierung sei eine Frage der Wirtschaftlichkeit: „Wir brauchen hier keine Personal mehr stellen.“

Und zudem könnten nun die Schließzeiten optimiert werden. „Jetzt übernimmt die Technik“, sagt Bachler. Nach fast 120 Jahren hat es sich ausgekurbelt.

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