Wie gefährdet wandernde Tierarten sind - und wie sie geschützt werden können
Wollen sich Großtrappen-Hähne in Szene setzen, drehen sie ihr braungraues Flügelgefieder nach außen und stolzieren als weißer Federball über den angestammten Balzplatz. So können die paarungsbereiten Hennen die prächtigen Riesen nicht übersehen und haben – stets in der Überzahl – freie Wahl.
4.000 Kilometer östlich des alljährlichen Schauspiels auf der Parndorfer Platte fanden die Otididae nun auch in Samarkand Beachtung. Am Rande der 14. UN-Konferenz zur „Konvention zum Schutz wandernder Tierarten“ (CMS), die am 17. Februar zu Ende ging, rangen Delegierte um jedes Wort, um Rettungspläne für die seltenen Vögel festzuschreiben.
Schirm-Art
„Der Bestand an Trappen umfasst derzeit 31.000 bis 36.000 Individuen weltweit, das ist um ein Drittel weniger als vor 16 Jahren“, sagt Vogelschützer Rainer Raab, der aus dem Burgenland nach Usbekistan gereist war. Der Biologe setzt sich seit zwanzig Jahren für die Population im Dreiländer-Eck Österreich, Ungarn, Slowakei ein. Mit Erfolg. Wurden bei der einwöchigen Zählung 2004 auf burgenländischer Seite nur noch um die 120 Exemplare gesichtet, waren es heuer 590.
In den Jahren dazwischen schufen Landwirte durch gezielte Aussaat und seltene Mahd auf Tausenden Hektar optimale Lebensbedingungen für die Brachflächenbewohner. Zudem wurden 150 km Stromleitungen unter die Erde verlegt; die gleiche Länge mit weißen und schwarzen Kugeln bestückt, um Kollisionen vorzubeugen. „Windräder sind kein Problem. Die schwersten flugfähigen Vögel fliegen zumeist nicht so hoch“, sagt Raab, der nicht zuletzt Jäger in die Schutzmaßnahmen einbezog. Der finanzielle Aufwand für die majestätische Schirm-Art machte sich auch für Grauammer, Sumpfohreule und Zauneidechse bezahlt.
Vom Aussterben bedroht
Positive Entwicklungen wie bei den heimischen Großtrappen sind selten. Ein in Samarkand präsentierter UN-Bericht hält fest, dass die Bestände von 44 Prozent der wandernden Spezies abnehmen, 22 Prozent der 1.189 erfassten Arten sind gar vom Aussterben bedroht. Besonders schlecht steht es um die Fische, darunter Haie und Rochen. 97 Prozent der gelisteten Wanderer unter Wasser sind existenziell gefährdet.
„Angesichts der prekären Situation vieler dieser Tiere müssen wir Empfehlungen sofort und gemeinsam umsetzen,“ forderte Inger Andersen vom UN-Umweltprogramm. Denn die Ökosysteme des Planeten hingen von den Ziehern zu Land, unter Wasser und in der Luft ab. Sie bestäuben Pflanzen, transportieren wichtige Nährstoffe, bekämpfen Schädlinge und tragen zur Speicherung von Kohlenstoff bei. Der Mensch ist auf die Biodiversität angewiesen; es liegt an ihm, die Übernutzung und Verschmutzung der Natur, die Zerstörung von Lebensraum und Wanderrouten sowie den Klimawandel einzubremsen.
Gefiederte Raritäten
Für die Hindutrappe freilich könnte es schon zu spät sein. „Sie zählt zu den am meisten gefährdeten Vogelarten“, sagt Raab. Allen voran wollten daher die indischen Kollegen in Samarkand vom österreichischen Vorbild lernen. Gerade in jener Grenzregion zu Pakistan, in der die gefiederten Raritäten noch vorkommen, bedrohen neuerdings Leitungen für Strom aus erneuerbarer Energie die verbliebenen 200 Individuen.
Um die Überlebenschancen der Verwandten weltweit zu erhöhen, feilt Raab an einem Schutzprojekt von Marokko über Europa bis Asien. Für die heimischen erbittet er Abstand und Hunde nicht frei laufen zu lassen. „Denn“, so richtet der Experte aus Usbekistan aus, „Großtrappen sind sehr störungsempfindlich“.
Ob Zugvogel, Meeressäuger oder Antilope: „Straßen, Bauwerke oder der Schiffsverkehr versperren den Tieren zunehmend ihre lebensnotwendigen Wanderrouten, sie kommen also nicht mehr an ihre Fortpflanzungs- und Futterplätze“, warnt Meeres-Expertin Simone Niedermüller, die für den WWF Österreich bei der UN-Konferenz CMS in Samarkand vor Ort war. Als Vertreterin einer Nichtregierungsorganisation forderte sie die Ausweitung und Verbindung wichtiger Schutzgebiete, damit tierische Wanderer auf sicheren Korridoren unterwegs sein können.
133 Staaten verhandelten in der Vorwoche in Usbekistan über die Zukunft von 1.189 Spezies, die von den CMS-Vertragspartnern international als schutzwürdig anerkannt sind. Dazu zählen neben der Großtrappe – siehe Anhang 1 der CMS-Liste – heimische Arten wie Kaiseradler, Seeadler und Sakerfalke. In Anhang 2 sind die Große Hufeisennase (Fledermaus), die gefiederte Rohrweihe und der schuppige Sterlet genannt. „Unter der Auswahl ,Österreich‘ stehen insgesamt 270 Arten auf der CMS-Liste“, heißt es beim WWF.
Der Seeadler, der auf der nördlichen Halbkugel einst weit verbreitet war, wurde durch intensive Bejagung im 19. und 20. Jahrhundert beinahe ausgerottet. In Österreich gelang dem Greifvogel das Comeback. Durch umfassende Schutzmaßnahmen gibt es hierzulande nun wieder 40 bis 45 Brutpaare. Störe dagegen kämpfen immer noch ums Überleben. Die kleinste Spezies, der Sterlet, kam in der Donau zuletzt nur mehr zwischen zwei oberösterreichischen Stau-Stufen vor. Wanderhindernisse, Überfischung und Verschmutzung der Gewässer reduzierten die Bestände. Forschende der Universität für Bodenkultur in Wien konnten zwischen 2016 und 2021 238.000 Jungfische nachzüchten und aussetzen. Durch das mit EU-Geldern geförderte Projekt schwimmt die Art wieder in mehreren Abschnitten der Donau.
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