Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen: "Schuld ist immer der Täter!"

Stay Away!
40 Betretungsverbote täglich, 14.683 insgesamt im Vorjahr: Dringend nötiger Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen entsteht.

"Ich habe mich nicht gewehrt, ich bin selber schuld." Das sagt eine zierliche Frau, die nach einer Vergewaltigung durch einen 1,92 Meter großen, sportlichen Mann in einem Frauenhaus Zuflucht gesucht hat.

Und eine Anwältin, die ebenso dort gelandet ist, rätselt: "Das passiert doch nur schwachen Frauen." 

"Nein", sagt Elisabeth Cinatl, Vorsitzende des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser. Und sie weiß genau, wovon sie spricht, wen sie neben Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) zur dringend nötigen Erstellung eines Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen ihren Beitrag leistet.

2024 listete der Verein 41 Fälle von Mord oder schwerer Körperverletzung durch (Ex-)Partner, Familienangehörige oder Personen mit Naheverhältnis aus - 37 davon wurden von Männern begangen, vier von Frauen. 

Sieben Frauenmorde 2025

Im heurigen Jahre wurden bislang sieben Frauenmorde aufgelistet, dazu kommen 16 Mordversuche oder Fälle schwerer Gewalt an Frauen. Meist eben (Ex-)Partner, oder zumindest jemand aus dem nahen Umfeld.

"Ich habe um mein Leben gefürchtet, wenn er getobt hat, aber er hat nie etwas getan." Das erzählt eine Frau, die eine dann doch erfolgte Attacke ihres Partners überlebt hat und wie eine von 3.500 Frauen (und Kinder) in einem der Frauenhäuser untergekommen ist. 

Frauenhilfe

Bei der Frauenhilfe läuten, kann Leben retten.

Der Fall in Maria Alm (Salzburg) - ein Mann hat seine Ex-Freundin regelrecht hingerichtet - kommt zur Sprache. "Ja, wir prüfen alle Rahmenbedingungen auch rasche Waffenverbote", bestätigt Holzleitner. Am Dienstag haben Expertinnen und Experten in acht Themenfeldern Vorgaben und Notwendigkeiten erarbeitet. 

Acht Themenfelder 

Dabei geht es um Gewaltfreiheit im Schulbereich, am Arbeitsplatz, im öffentlichen und privaten Raum und natürlich auch um Gewalt in sozialen Medien und digitalen Räumen. Weitere Bereiche sind Prävention, Früherkennung im Gesundheitswesen und körperliche Selbstbestimmung, aber auch Gewalt im Ehrenamt, auf besonders vulnerablen Gruppen wird ein besonders Augenmerk geschenkt, die Themen werden von Fachleuten und Expertinnen aus diesen Bereichen aufbereitet.

Beginn eines Prozesses

Den Nationalen Aktionsplan sieht Holzleitner als "feministischen Schulterschluss aller Ressorts", schließlich arbeiten das Frauen-, Wirtschafts-, Justiz-, Gesundheits-, Sport- und Innenministerium daran mit. Und der Aktionsplan, der bis Herbst dieses Jahres stehen soll, ist keine einmalige Sache, sondern "der Beginn eines langfristigen Prozesses". 

Denn Gewalt gegen Frauen ist vielfältig und kommt - immer noch - überall vor. "Der Ex-Freund, der Vater, der in der Schule noch allen freundlich die Türe aufhält, der Chef, der anzügliche Kommentare macht, der Mann, der Frauen auf der Straße nachpfeift", betont Holzleitner: "Diese Gewalt müssen wir sichtbar machen, der nationale Aktionsplan ist ein Versprechen, dass keine Frau allein zurückgelassen wird."

Eine weggeschickte Frau

Wie etwa bei jenem Fall in Oberösterreich, wo sich eine obdachlose Frau nach einer Vergewaltigung an ein Spital in Linz gewendet hat und dort mit der Begründung, diese Spital sei gerade kein "Aufnahmespital", weggeschickt wurde. 

Danach wollte die Frau keine weitere Behandlung, geschweige denn eine Spurensicherung, in Anspruch nehmen. Jetzt bekommt auch dieses Spital eine Gewaltambulanz.

PK BUNDESMINISTERIUM FÜR FRAUEN, WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG (BMFWF) "NATIONALEN AKTIONSPLAN GEGEN GEWALT AN FRAUEN": CINATL / HOLZLEITNER / SORGO

Elisabeth Cinatl, Eva-Maria Holzleitner, Marina Sorgo

Durchbrechen des Systems

"Jede Frau, die Hilfe holt ist eine starke Frau", sagt Cinatl dazu, "denn sie durchbricht das System der Gewalt." Wobei das Durchbrechen dieser Gewaltsystem auch eine gesellschaftliche Frage ist, wie Cinatl unmissverständlich anfügt: "Schauen Sie hin, fragen Sie nach, wenn Sie glauben, dass es jemandem nicht gut geht." 

Denn oft sei es gerade dieser Impuls, der einen Ausbruch aus einer Gewaltbeziehung anstoßen kann. "Gewaltschutz geht uns alle an", appelliert Cinatl, die auch klarstellt: "Die Schuld liegt immer beim Täter, nicht bei den Frauen."

33 Gewaltschutzzentren

An der Entwicklung des Aktionsplan arbeiten auch die Gewaltschutzzentren mit. Auch Marina Sorgo, Bundesvorsitzende der Gewaltschutzzentren Österreichs, weiß, wovon sie spricht. Jede dritte Frau ist von Gewalt betroffen, alleine im Vorjahr waren 25.000 gewaltbetroffene Menschen in einem der 33 Zentren, 84 Prozent davon sind weiblich. 

"Gewaltschutz ist ein Querschnitt", sagt Sorgo, die die Kooperation so vieler Institutionen zur Entwicklung des Aktionsplans für besonders sinnvoll hält. "Gerade die Koordination zwischen Polizei, Justiz, Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitseinrichtungen ist im Schutz vor Gewalt an Frauen so wichtig", berichtet Sorgo aus ihrer Erfahrung. 

So hätten sich die Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen als sinnvoll erwiesen, auch die Arbeit mit Tätern - weggewiesene Personen müssen zu einer mindestens sechsstündigen Gewaltpräventionsberatung - zeige Wirkung. 

Sorgo: "Die Arbeit der Beratungsstellen trägt Früchte, wir können Gefährder abholen und in manchen Fällen eine Eskalation verhindern." Nicht in allen, wie die Statistiken zeigen. Umso nötiger sei der Nationale Aktionsplan.

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