Absage von GTI-Treffen: 60 Prozent weniger Buchungen am Wörthersee
Angereist sei das „Schatzale“, wie es Birgit Gabriel nennt, auf einem speziellen Anhänger. Damit ihm auf der Fahrt aus Deutschland nach Kärnten nichts passiert. Steinschlag oder sonstiges Ungemach, was einem teuren Tuner-Auto die Reise an den Wörthersee vermiesen könnte. Denn südlich der Alpen ist die Laune nach Absage des GTI-Treffens unter Touristikerin ohnehin nicht gut.
Besagter Anhänger steht nun verweist auf dem Parkplatz vor dem Hotel Gabriel in Keutschach. „Das Schatzale ist mit seinen Besitzern auf Ausflug. In einem Automuseum“, erklärt Gabriel, Chefin des gleichnamigen Hotels, während sie vom Fenster der Eingangshalle auf den fast leeren Parkplatz blickt. Vergangenes Jahr um diese Zeit hatte man 50 Gäste. Nun sind es acht.
Gäste sind im Hotel Gabriel, wie wohl in fast jedem Betrieb der Region um diese Jahreszeit ein Synonym für GTI-Fans.
Stein-GTI als Denkmal
Reifnitz, nur wenige Autominuten vom leeren Parkplatz des Hotels entfernt war die Tuner-Hochburg der PS-Anhänger. Sogar ein eigener GTI-Stein thront dort als Denkmal. Bis der Ort im Februar völlig überraschend nach über 40 Jahren das Aus des offiziellen GTI-Treffens, das traditionell jährlich um das Christi-Himmelfahrt-Wochenende stattfand, verkündete.
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Nicht mehr zeitgemäß sei „Gib Gummi“ in Zeiten von Klimaschutz. Dass die Wertschöpfung für die Region, immerhin 20 Millionen Euro, wegfallen könnte, glaubte der Bürgermeister von Reifnitz, Markus Perdacher, im Februar noch nicht so richtig. „Die Gäste kommen ja trotzdem im Mai“, sagte er im KURIER-Interview.
GTI-Aus nach über 40 Jahren
Drei Monate später, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. „Wir haben an diesem Wochenende und wohl auch am verlängerten Christi-Himmelfahrts-Wochenende, ein Minus von 60 Prozent bei den Buchungen im Vergleich zum Vorjahr“, sagt Bernhard Pichler-Koban, Geschäftsführer von Velden-Tourismus.
Die gut drei Wochen im Mai, die die Autoliebhaber am Wörther- und Faakersee verbracht hätten, wären wie ein „warmer Regen im Mai“ gewesen, sagt Pichler-Koban. „Das waren Randzeiten auf Hochsaisonniveau.“
Verluste am Pyramidenkogel
Nun regnet es nur. Kalt. Auch am GTI-Sehnsuchtsort Pyramidenkogel, der angeblich zehn Prozent des Vorjahres-Umsatzes machen soll. Selbst die Bremsspuren der GTI-Fahrer scheinen bei Regenwetter zu verblassen.
Birgit Gabriel ist eine der wenigen, die zu dem kalten Schauer offiziell etwas sagt. „Das waren ja nicht nur Gäste für uns. Wir hatten Gruppen, die sind über 14 Jahre lang jedes Jahr zu uns gekommen. Die haben bei uns am Parkplatz gegrillt, die haben wir besucht“, sagt die selbstbewusste Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann Mario das Hotel in dritter Generation führt.
Die Lage des Betriebs, zwischen Reifnitz, GTI-Sehnsuchtsort Pyramidenkogel und einer Kult-Tankstelle, ist für GTIler in etwa das, was in Wien einer Bleibe zwischen Stephansdom und Schwarzem Kameel entsprechen würde.
Lärm in der Nacht
Fehlzündungen und Lärm des nächtens wären dort wie da nicht willkommen. Was Gabriel versteht. „Natürlich gab es einzelne schwarze Schafe und die Aktionen in der Nacht braucht niemand, aber der Großteil der Tuner war nett. Wir hatten nicht einmal eine Beschädigung im Hotel“, sagt die 41-Jährige und bittet, wie zum Beweis, weg vom Fenster, hin zum Computerschirm.
Geboten wird ein Video, das Gäste des Hotels gemacht haben. Zu sehen: Schöne Autos, gute Stimmung, jede Menge Menschen. „Da haben sie vor unserem Hotel gegrillt. Verstehen Sie, wenn das GTI-Treffen war, dann hat für mich die Sommer-Saison begonnen. Das war ein Gefühl. Dieses Gefühl fehlt mir.“
Über Gefühle, oder viel mehr Einschätzungen, spricht man bei der Landespolizeidirektion in Klagenfurt weniger. Wie viele GTI-Fans am verlängerten Wochenende trotz Absage ihren Weg nach Kärnten finden werden? Das sei wohl stark vom Wetter abhängig. „Wir haben verstärkte Streifentätigkeiten, beobachten die Buchungslage und die sozialen Medien“, sagt Polizeisprecherin Waltraud Dullnigg.
Rund um den Stein-GTI in Reifnitz hängen die ersten Hinweisschilder auf Videoüberwachung und dienen Absperrgitter als Warnung.
Auf die Polizei sind die Gabriels nicht gut zu sprechen. „Die haben die Fahrer ja regelrecht gejagt, anstatt sich um die wirklichen Krawallmacher zu kümmern. Wir hatten einen, dem wurde direkt beim Wegfahren vom Parkplatz die Nummerntafel abgenommen. Er musste sein Auto dann eine Woche bei uns stehen lassen und mit einem Anhänger heimbringen“, erinnert sich die Chefin.
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Heuer, so hört man, dürfte die Szene nach Bozen ausweichen. Die Hoffnung lebt aber, dass im nächsten Jahr das Ziel wieder der Wörthersee sein könnte. „Wir brauchen einen Mittelweg, eine Lösung. Das sind Gäste, die der Region etwas bringen, ohne, dass diese etwas dafür tun muss“, erklärt Gabriel.
Weniger Investitionen
Wie sie und ihr Mann den Verlust kompensieren? „Wir investieren fürs erste nichts. Aber wenn wir nichts investieren, verdienen auch die Handwerker nichts. Kein GTI, das ist wie ein Dominoeffekt.“ Von der Wirtschaftskammer wurde Hilfe angekündigt.
Drei GTIs wird man an diesem Tag noch sehen. In grellem grün, mit offener Motorhaube. Bei einer Polizeikontrolle.
Wie diese für die „Schatzalen“ ausgegangen ist, bleibt offen.
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