13-Jähriger besuchte nie die Schule

13-Jähriger besuchte nie die Schule
Eltern befürworten alternative Lernmethoden, OGH sah Gefährdung des Kindeswohls.

„Lernen und Bildung kann immer und überall stattfinden und ist an keinen Ort und keine Institutionen gebunden. Der junge Mensch entscheidet selbst, welchen Interessen er wann nachgeht“: Diese Grundsätze vertreten die sogenannten Freilerner. Sie orientieren sich nicht an pädagogischen Regeln, sondern sehen das Lernen als „höchstpersönliches und natürliches Bedürfnis“.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) sieht das anders. Im Fall eines 13-jährigen Wieners, der noch nie eine Schule besucht hat, wurde den Eltern nun teilweise die Obsorge entzogen.

Ab der Schulpflicht wurde der Bub zum häuslichen Unterricht angemeldet. In den ersten beiden Jahren legte er erfolgreich die geforderte Externistenprüfungen ab, dann allerdings nicht mehr. Der Stadtschulrat untersagte daraufhin den weiteren Unterricht daheim.

Bub sagte Nein

Doch der Bub ging nicht in die Schule. Man habe mit ihm gesprochen, erklärte die Mutter. Der Sohn habe ein eindeutiges „Nein“ ausgesprochen. Auch Geldstrafen (einmal 160 Euro, später 280 Euro) änderten nichts daran. Der Stadtschulrat beantragte deshalb, den Eltern wegen des zu befürchtenden Bildungsverlustes des Kindes die Obsorge zu entziehen.

Der Bub hat seine Stärken, das stellte der OGH fest. Er kann sich gut ausdrücken, ist kreativ, kann Programmieren und Fotografieren und baute unter anderem sogar einen Roboter.

Der Bub hat seine Schwächen. Er schreibt überdurchschnittlich langsam in Druckbuchstaben. Englische Wörter beherrscht er nur vereinzelt, in Mathematik besteht ein Nachholbedarf von vier Jahren Stoff.

Einen klassischen Schulabschluss wird er nicht schaffen. Der Weg zu einer höheren Bildung bleibt ihm damit verwehrt. Es „bestehe am Arbeitsmarkt wohl nur eine Vermittelbarkeit für Hilfstätigkeiten“, vermerkte das Gericht.

Doch den 13-Jährigen jetzt plötzlich in eine „normale“ Schulklasse setzen? Daran hegt sogar der OGH Zweifel. „Da würden sich große Probleme auftun. Der Besuch einer Regelschule mit klassischem Unterricht würde ihn überfordern.“

Das Jugendamt – es hat nun die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung in schulischen Angelegenheiten – soll in Absprache mit den Schulbehörden ein Konzept erarbeiten, um die Defizite zu beseitigen. Sollten die Eltern nicht kooperieren, könnte die Obsorge gänzlich entzogen werden.

Im Schuljahr 2017/18 waren 2320 Kinder zum häuslichen Unterricht angemeldet – 442 davon allein in Wien. „Das ist ein verfassungsrechtliches Grundrecht“, sagt Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer. „Das Problem ist: Wir dürfen keinen Lehrplan vorgeben.“

Zumindest eines müssen die Eltern vorab mittlerweile unterschreiben: Dass sie Grundwerte und Demokratie hochhalten. Und: der Heimunterricht kann jetzt auch während des Jahres überprüft werden.

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