Wirtschaftskammerpräsidentin Hummer: „Strompreis muss um mindestens 25 Prozent sinken“

Doris Hummer, Wirtschaftskammerpräsidentin seit 2017
Doris Hummer ist seit 2017 Präsidentin der Wirtschaftskammer Österreich und Obfrau des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Die 51-Jährige war von 2009 bis 2015 Landesrätin für Bildung, Forschung, Frauen und Jugend. Sie führt das Unternehmen Domico, das Dach-, Wand- und Fassadensysteme herstellt.
KURIER: Wie geht es Ihrer Firma Domico?
Doris Hummer: Gut, aber es ist mühsam nach drei Jahren Rezession. Wir sind im investiven Gewerbe- und Industriebau tätig.
Die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück?
Genau, vor allem in Deutschland.
Verspüren Sie schon einen Aufschwung?
Nein. In meinem Geschäft hat man pro Jahr ein paar richtig schöne, große Projekte. Diese fehlen. Die Grundprojekte laufen nach wie vor gut, aber die großen Projekte in Deutschland gibt es noch nicht. Es wird noch abgewartet.
Das Neujahr hat für die Wirtschaft und ihre Vertreter durchwachsen begonnen. Sie haben beim Neujahrsempfang nach dem ersten Scheitern der Koalitionsgespräche mit der SPÖ stolz verkündet, dass es keine Bankenabgabe geben wird. Die Wirtschaft wollte eine Koalition mit der FPÖ, die Verhandlungen sind ebenfalls gescheitert. Nun ist die Bankenabgabe doch gekommen.
Es ist für die Wirtschaft seit drei Jahren schwierig. In den Regierungsverhandlungen gab es ein Auf und Ab. Mit der Dreierkoalition sind wir in der richtigen Richtung unterwegs, weil Planungssicherheit gegeben ist. Wir sind mit den Wirtschaftsvertretern in dieser Regierung gut aufgestellt.
Sie haben mehrfach die Senkung der Lohnnebenkosten gefordert, die aber nicht kommen wird.
Sie ist im Regierungsprogramm enthalten. Abhängig von den Budgetgegebenheiten. Wir werden hier draufbleiben. Wir sind auch auf dem Thema der Flexibilisierung der Arbeitszeiten draufgeblieben. Wir sind dafür gescholten worden, vor der Wirtschaftskammer wurde dagegen demonstriert. Sie ist gekommen. Manche Dinge dauern etwas länger. Die Lohnnebenkosten müssen runter, weil wir hier nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Bei der Wirtschaftskammerwahl musste Ihr Wirtschaftsbund einen zehnprozentigen Verlust hinnehmen. Was sind die Ursachen?
Wir haben in einer Phase gewählt, in der es den Betrieben nicht gut ging. Es sind von der Politik in Wien drei Mal verschiedene Botschaften gekommen. Wir hatten alles andere als Rückenwind. Unsere Wählerschaft war gespalten. 50 Prozent haben gesagt, der Weg mit SPÖ und Neos ist der richtige, die andere Hälfte bevorzugte die FPÖ. Das Ganze hat sich in einer Wahlzurückhaltung niedergeschlagen. Wir haben in der Wahlbeteiligung verloren und damit auch in den Stimmprozenten. Ein Minus gefällt einem nie, aber eine absolute Mehrheit mit 60 Prozent muss einen in Zeiten wie diesen zufriedenstellen.
Sie haben in der Rede zu Ihrer Wiederwahl bemerkenswerte Feststellunggen gemacht. Sie sagten, heute würden die Arbeitnehmer um sechs Wochen weniger arbeiten als vor 30 Jahren, bei gleichbleibender Feiertagsregelung. Warum ist das so?
Das ist nicht nur im historischen Vergleich so, sondern auch im Vergleich zu unsren Nachbarländern. Die Schweizer arbeiten zwischen 80 und 100 Stunden mehr im Jahr.
Sie haben eine 42-Stunden-Woche.
Sie haben eine höhere Stundenwoche und weniger Feiertage. Allein beim Faktor Arbeitszeit sind wir schon weniger konkurrenzfähig. Dazu kommen die hohen Löhne, die Kosten für die Bürokratien und die hohen Energiepreise.
Sind Sie für eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 bzw. 42 Stunden, wie das der niederösterreichische Industriepräsident Karl Ochsner schon einmal verlangt hat?
Nein, das ist eine unrealistische Forderung. Aber die Diskussion um die Verkürzung der Arbeitszeit auf 36 bzw. 32 Stunden ist weg. Bei uns wird Teilzeit vom System her steuerlich bevorzugt.
Wie wollen Sie das ändern? Teilzeit höher besteuern?
Das Steuersystem soll nicht das Weniger-Arbeiten belohnen, sondern die Vollzeit und Arbeiten in der Pension. Es gibt hier bereits Vorschläge wie den Vollzeit-Steuerabsetzbetrag. Oder dass Überstunden steuerfrei gestellt werden. Oder das Arbeiten in der Pension mit einer 25-prozentigen Glattal.
Weniger Steuern bedeuten weniger Einnahmen für den Staat, was in Zeiten leerer Kassen schwierig ist.
Wenn es uns gelingt, die Menschen zu mehr Stunden zu motivieren, kann das ein Nullsummenspiel sein. Ein Pensionist, der heute nicht arbeitet und in Zukunft schon, bringt dem Staat Geld.
Sie kritisierten in Ihrer Rede auch, dass Österreich europaweit die höchsten Energiekosten hat. Wie wollen Sie da runterkommen?
Erste Weichen werden mit den beiden Energie-Gesetzen gestellt. Wir brauchen unbedingt einen vernünftigen Gewerbe- und Industrietarif, denn wir sind hier nicht wettbewerbsfähig. Es gibt nun das Commitment der Unterstützung von zwei Mal 150 Millionen Euro. Angesichts der Budgetsituation ist aktuell nicht mehr drinnen. Wir müssen im europaweiten Vergleich wettbewerbsfähig werden.
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die E-Control haben festgestellt, dass es viel zu wenig Wettbewerb zwischen den Energieanbietern gibt. Wie soll das geändert werden?
Diese Feststellung stimmt. Es braucht beim Endkonsumenten Transparenz in der Rechnung, um zu wissen, was man bezahlt. Deshalb gibt es auch keinen Vergleich. Es müssen Preissenkungen weitergegebenen werden, wenn diese nach unten gehen. Es braucht generell mehr Kontrolle. Die E-Control soll mehr Möglichkeiten für Eingriffe bekommen. Es muss uns gelingen, dass die E-Wirtschaft in eine tatsächliche Wettbewerbssituation kommt, damit am Ende des Tages der günstigste Preis gegen ist.
Um wie viel Prozent müsste der Strompreis sinken?
Unser Unternehmen hat vor der Energiekrise den Strom um fünf Cent pro Kilowattstunde eingekauft. An der Börse liegt er derzeit zwei 15 und 20 Cent. Es muss ein klares Ziel des Staates sein, dass der Strompreis um mindestens 25 Prozent sinkt. Es ist hier nicht nur Österreich in der Verantwortung, sondern auch die Europäische Union mit ihrem Merit-Order-Prinzip (das teuerste Kraftwerk bestimmt den Preis für alle anderen Kraftwerke, Anm. d. Red.). Es braucht ein neues Prinzip.
Die vergangene Regierung hat ein enormes Budgetdefizit hinterlassen. Ist das nicht ein Desaster für eine Partei wie die ÖVP, die immer behauptet, Wirtschaften und mit Geld umgehen zu können? Die Kassen sind leer und es gibt kein Wachstum.
Es ist von ÖVP und Grünen auf Bundesebene eine falsche Politik gemacht worden. Ich bin hier einer der schärfsten Kritikerinnen. Man hat geglaubt, mit großzügigen Förderungen die Probleme der Energiekrise in den Griff zu bekommen. Siehe Klimabonus. Das hat uns in eine Inflationsspirale gebracht, die auf der anderen Seite die Arbeitskosten hat explodieren lassen und das Wirtschaftswachstum massiv gehemmt hat.
Diese Spirale hätte man durchbrechen können, wenn man gesagt hätte, wir lassen die Energiepreise nicht explodieren, sondern wir greifen ein. Es war immer meine Forderung, in den Markt einzugreifen. Wir als Wirtschaftskammer OÖ haben ein eigenes Modell entwickelt, das auf den Herstellungskosten plus einem Gewinnaufschlag für die Investitionen beruht. Mit diesem Preis wären wir heute in anderen Höhen.
Zur Windenergie. Die Abstimmungen in Grünbach und Schenkenfelden sind negativ ausgegangen.
Ich finde es schade. Alles, was an Windkraft möglich ist, sollte umgesetzt werden, aber Volksentscheide sind zu akzeptieren. Es ist wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten.
Die FPÖ steht bei der Windkraft auf der Bremse, sie setzt das in der Koalition mit der ÖVP auch durch. Ist Ihnen die Landesregierung zu defensiv?
Das ist kein Parteithema, die Einstellung zur Windkraft geht quer durch die Parteien. Ich kann nur für die wirtschaftliche Vernunft plädieren. Wir sollten alles tun, um so energieautark wie nur möglich zu werden. In Wohlstandsgesellschaften wie der unserigen hat sich die Mentalität not in my backyard (nicht in meinem Hinterhof) breitgemacht. Man sagt zwar Ja zu den Projekten, betont aber gleichzeitig, nur nicht bei mir. Dieses Denken macht es sehr schwer, volkswirtschaftlich wichtige Projekte umzusetzen.
Entwickelt sich die Digital-Universität zufriedenstellend?
Es ist beeindruckend, wie viele Bewerbungen für die Professoren-Stellen eingegangen sind. Wir haben mit dem Projekt den Nagel auf den Kopf getroffen. Jetzt ist es Zeit, dass sie sichtbar wird. Es ist ganz wichtig, dass die baulichen Schritte gesetzt werden. Neben den bekannten und guten Playern wie den Fachhochschulen und der Kepleruniversität mit KI-Professor Hochreiter wird die IT:U für die Wirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten. Wir müssen die Menschen in den Betrieben in die neue Welt mitnehmen.
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