Hans Karl Schaller: Wir haben im Metaller-Kollektivvertrag die Wettbewerbssicherungsklausel abgeschlossen (keine Kündigungen, dafür Reduktion der Löhne um 1,5 Prozent, Deckelung 340 €, Anm. d. Red.). Bei zwei Betrieben in der Obersteiermark passiert gar nichts, die Löhne und Gehälter werden voll bezahlt. Vier Betriebe haben die Klausel gezogen.
Ich persönlich würde bei den neuen Kollektivvertragsverhandlungen generell so eine Klausel wieder einbauen. Was nicht geht, ist, dass die Unternehmen alle Mitarbeiter beim AMS zur Kündigung anmelden und sie ihnen mit der Kündigung drohen, wenn sie nicht auf die gesamte Lohnerhöhung verzichten. Gegen derartige Erpressungen verwahre ich mich. Ich bin ein gelernter Sozialpartner, man muss den Kompromiss finden.
Bei den Verhandlungen in der Zweiten Republik war die sogenannte Benya-Formel der Maßstab. Sprich Erhöhung um die Inflationsrate plus Produktivitätszuwachs. Ist sie noch aktuell, muss man sie ändern?
Man soll sie im Hinterkopf haben, aber man muss sie ändern. Es haben sich die Verhältnisse geändert. Die Kolleginnen und Kollegen in der voestalpine verdienen nicht schlecht. Trotzdem haben viele zu kämpfen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Die Teuerung macht den Kolleginnen und Kollegen zu schaffen. Die Mieterhöhungen sind ein Riesenthema. Der Wegfall des Strompreisdeckels ist ein großes Problem.
Verbund-Chef Michael Strugl spricht von einer Erhöhung von 450 Euro pro durchschnittlichem Haushalt über das Jahr gerechnet.
Das ist zum Beispiel für eine Pensionistin viel Geld. Auf der anderen Seite heißt es, Österreich sei nicht mehr wettbewerbsfähig, weil die Personalkosten so hoch sind. Die Menschen brauchen aber ein verlässliches Einkommen, damit sie ihr Leben bestreiten und eventuell Kredite zurückzahlen können. Es taucht ein Ringelspiel an Grausamkeiten auf. Es gibt zum Beispiel keine Überstunden mehr. Das Schlimmste ist, wenn man Mitarbeiter abbauen muss, weil das Produkt am Markt keine Chance hat, wenn es zum Beispiel die Chinesen zu den halben Kosten herstellen.
Die voestalpine erwirtschaftet die Hälfte ihres Umsatzes im Automotiv-Bereich. Die europäische Autoindustrie ist in der Krise. Wie wirkt sich das auf das Unternehmen aus?
Wir sind betroffen, aber es geht jetzt wieder leicht aufwärts. Wir werden das Geschäftsjahr wieder positiv abschließen. Ich bin froh, dass wir die Entscheidung getroffen haben, dass wir nicht nur Stahlerzeuger sind, das wäre schlimm.
Die Veredelung war die richtige Entscheidung?
Die Donawitzer Kollegen stellen tolle Schienen, Weichen und Flugzeugteile her. Die Abteilung Grobbleche legt derzeit goldene Eier. Grobbleche sind platinierte Bleche, die zum Beispiel bei Ölfeldrohren oder Windradsockeln zum Einsatz kommen. Vor zehn Jahren haben wir mit dem jetzigen Generaldirektor Herbert Eibensteiner entschieden, nur Produkte herzustellen, wo wir weltweit unter den Top Drei sind. Deshalb auch der Slogan „one step ahead“. Das vermittle ich auch unseren Lehrlingen. Wir geben derzeit 245 Millionen Euro nur für Forschung und Entwicklung aus. Wir forschen nur dort, wo wir später Geld verdienen können.
Die voestalpine in der Championsleague?
Ja, da spielen wir. Das Schwierige ist, dass wir da immer oben bleiben. Ich versuche, das hineinzubekommen, in die Produktion, in die Forschung, aber auch in die Betriebsratsarbeit. Das ist ein Stück mehr, als vielleicht verlangt wird. Das war heute auch so Thema in der Sozialdemokratie (lacht). Ich bin einer, der zu Leistung steht. Wenn wir das Sozialsystem und den Wohlstand aufrechterhalten wollen, geht das nur durch Leistung. Ich weiß nicht, warum das bei uns (Sozialdemokratie, Anm. d. Red.) so schwer ist, da heißt es immer, noch weniger und noch weiter runter. Das ist ganz, ganz schwierig.
Das Schlagwort der Zukunft heißt „greentech steel“. Wann ist es so weit?
Wir stellen um, wir sind gut unterwegs. Das bedeutet, dass wir von der Energie stark abhängig sind. Hier geht es nicht nur um den Preis, sondern um die ausreichende Versorgung.
Es braucht Wasserstoff.
Das ist richtig. Bei dieser Zukunftstechnologie rede ich nicht von vor 2045.
Was ist in der Zwischenzeit? Das sind 20 Jahre.
Die voestalpine kauft derzeit rund sechs Prozent ihres Stromes zu. Alles andere erzeugen wir mit unserem eigenen Kraftwerk selbst.
Ein Kohlekraftwerk.
Ja. Es wird betrieben mit den Abgasen der Hoch öfen und der Kokerei. Wenn wir einen Hochofen stilllegen, fallen seine Abgase weg. Ich muss hier Hubert Zajicek, den Vorstandsdirektor für die Steeldivision, lobend erwähnen, der gesagt hat, wir gehen das mit einer Hybridlösung an. Nicht gleich zwei oder drei Elektroöfen, sondern nur einen. Und nebenbei fahren wir unsere normalen Hochöfen, die wir sowieso benötigen, weil wir in einem Elektroofen nicht die Qualität bekommen, die die Kunden verlangen. Ab 2035 soll es einen zweiten Elektroofen geben.
In der Obersteiermark gibt es bereits Probleme wegen fehlender Fachkräfte. 65 Wenn die Mitarbeiter nicht die Qualifikationen haben, nützen uns die besten Anlagen nichts. Hier habe ich Sorge. Wir haben heuer 172 Lehrlinge gesucht. Zur Aufnahmsprüfung wurden 1.468 eingeladen. Nur 162 haben die Aufnahmsprüfung geschafft. Was soll ich da noch sagen?
Wir werden uns Mitarbeiter aus anderen Ländern holen müssen. Sie müssen Deutsch lernen. Ein Kranfahrer muss sich beispielsweise mit seinen Kollegen verständigen können. Es hilft uns, dass wir eine Betriebsvereinbarung haben, dass Leiharbeiter nach einer bestimmten Zeit übernommen werden müssen.
Die EU-Kommission überlegt eine Abschwächung des Verbrennerverbots ab 2035. Das ist doch gut für das Autozulieferunternehmen voestalpine?
Die EU-Kommission ist eine Katastrophe. Das ist ein Wahnsinn. Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Die Regeln werden ständig geändert. Man hat gesagt, alles wird auf Elektromobilität umgestellt, die Industrie hat mitgezogen. Auch der Kunde wird völlig verunsichert. Welches Auto soll er kaufen?
Jetzt werden die Vorteile wie zum Beispiel die Kaufprämien aufgehoben. So kann man mit den Kunden nicht umgehen. Das schadet der Industrie und en Kunden. Die fehlende Planbarkeit verhindert Investitionen und ist mitschuld an der wirtschaftlichen Krise.
Die sozialdemokratischen Gewerkschafter sind ganz stark in den Betrieben und in der Arbeiterkammer, bei den Wahlen zum Nationalrat wählen die Arbeiter aber die Freiheitlichen. Warum?
Im Betrieb bin ich vor Ort. Hier habe ich den Stallgeruch, die Bodenständigkeit. Das ist für mich wichtig. Ich bin jeden Tag zwischen 5.30 und 6 Uhr früh im Büro. Die wichtigste Zeit ist die bis 7 Uhr. Da marschieren die Hackler und die Betriebsräte zu mir ins Büro und erzählen, was los ist und welche Sorgen sie haben. Ich nehme das ernst, ich bemühe mich, ich gebe umgehend Antwort, auch wenn ich manchmal nichts machen kann.
Das ist Ihre persönliche Stärke. Aber warum ist heute die FPÖ die Arbeiterpartei? Früher haben sie Kreisky gewählt.
Diese Persönlichkeit haben wir nicht mehr. Ich wähle immer SPÖ, keine Frage, aber nicht Babler als Galionsfigur und Vorsitzenden. Nie im Leben. Man kann einzelne Themen aufgreifen, aber sie gehören diskutiert. Wenn ich etwas verändern will, dann setze ich auf die drei V. Die Menschen müssen das zuerst einmal verstehen. Wenn sie es verstanden haben, muss ich Maßnahmen einleiten, damit dem Ganzen vertraut wird. Erst dann kann ich es verändern. Was tun wir als SPÖ? Wir beginnen mit der Veränderung, die Leute verstehen es nicht und vertrauen uns nicht. Wer soll das verstehen, wenn ich einfach mit der Forderung nach der 32-Stunden-Woche hinausgehe? Wenn ich aber sage, die Digitalisierung und Robotik verändern so vieles und in zehn Jahren kann das ein Anspruchsprojekt sein, verstehen die Menschen das. Verstehen, vertrauen, verändern.
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