Unfall-Primar: Mehr Skiunfälle, schwerere Verletzungen

Harald Stöcher, Primar für Unfallchirurgie
Besseres Material, härtere Pisten und höhere Geschwindigkeiten führen bei den Skifahrern zu mehr und schwereren Verletzungen, diagnostiziert Harald Stöcher, Primar für Unfallchirurgie am Klinikum Pyhrn-Eisenwurzen.

Harald Stöcher ist seit zwei Jahren Primar für Unfallchirurgie am Pyhrn-Eisenwurzen-Klinikum, zu dem die Spitäler Steyr und Kirchdorf gehören. Der gebürtige Linzer hat in Graz Medizin studiert und den Turnus in Kirchdorf absolviert, bei dem er seine Frau kennengelernt hat. Seitdem wohnt der 53-Jährige in Micheldorf. Vor seiner Bestellung zum Primar hat er 23 Jahre im Linzer AKH gearbeitet.

KURIER: Die Unfälle haben in der aktuellen Skisaison um rund ein Drittel zugenommen. Von 311 Patientinnen und Patienten im vergangenen Jahr auf über 400 an Ihrem Klinikum. Was sind die Ursachen?

Harald Stöcher: Ich kann noch nicht sagen, ob das ein saisonaler Höhepunkt oder der Beginn einer steigenden Kurve ist. Das Material macht die Skifahrer schneller, es lässt höhere Geschwindigkeiten zu. Die Pisten sind tendenziell härter.

Heuer ist wenig Schnee, die Skifahrer sagen, die Pisten sind eisig.

Wenn wenig Schnee ist, müssen die Pisten gut präpariert werden, sie sind dann hart und sie halten länger. Wenn außerhalb der Pisten kein Schnee ist und man fällt da hinaus, fällt man hart. Harte Pisten haben die Tendenz zur Verletzung, selbst wenn man einfach nur stürzt.

Welche Arten von Unfällen bzw. Verletzungen sind die häufigsten?

Knochenbrüche der Extremitäten.

Ober- oder Unterschenkel?

Unterschenkel zum Beispiel. Unterarm, die Hand, typische Abfangverletzungen vom Sturz, dann Schuhrandverletzungen. Das sind die Klassiker. Weiters die Hüftverletzungen, bei denen die Skifahrer seitlich hinfallen. Die Körperstammverletzungen rühren meist davon her, wenn man wo aufprallt. Zu Verletzungen der Wirbelsäule und der Brust kommt es, wenn es gegen einen Baum oder einen anderen Skifahrer geht. Verletzungen der inneren Organe gab es früher weniger.

Von woher rühren diese Verletzungen?

Wenn man mit jemandem zusammenprallt oder wenn man wo dagegen fährt. Eine Milz reißt man sich nicht bei einem kleinen Unfall. Dafür braucht es einen Schlag gegen den Bauch.

Nehmen bestimmte Arten von Verletzungen besonders zu?

Früher gab es eher Verletzungen der Bänder. Zum Beispiel des Kreuz- oder des Seitenbandes. Heute haben wir komplexere Knochenbrüche im Gelenksbereich. Das deutet auf eine höhere Energie bei der Verletzung hin. Sei es durch einen höheren Schwung, ein stärkeres Drehmoment, oder durch einen Anprall.

Werden die Pisten auch schneller?

Das kann ich nicht sagen, ich bin kein Skifahrer. Es ist das Material. Eine harte Piste verbunden mit einem guten Material macht einen schnell. Profis sagen, auf Eis kann man nur fahren, wenn man schnell ist, sonst entwickelt sich die Fliehkraft nicht, damit die Skikante beißt.

Die Schwere der Verletzungen nimmt zu?

Ja, das kann man sagen. Das ist tendenziell so. Das war bereits im vergangenen Jahr der Fall, das hält auch heuer wieder an. Meine Kolleginnen und Kollegen bestätigen das.

Was können die Skisportler tun, um die teils schweren Verletzungen zu vermeiden?

Es geht um das Anpassen an die Verhältnisse. An die inneren und an die äußeren. Zu den inneren gehören, wie ist meine Kondition, wie gut bin ich drauf? Zu den äußeren die Beschaffung der Pisten und wie viele Skifahrer sind unterwegs? Es empfiehlt sich auch, langsamer zu fahren, wenn man zu Mittag ein Bier trinkt.

Es gibt viele, die zu Mittag kein Bier trinken und am Nachmittag trotzdem müde sind.

Es kommt auf die Kondition an. Man sollte auf die innere Stimme hören. Wenn man müde ist, sollte man langsamer fahren oder aufhören. Wenn man läuft und nicht mehr kann, hört man mit dem Laufen auch auf. Das gilt auch für das Skifahren, auch wenn es noch so schön ist. Die Unfälle passieren sehr oft am Nachmittag.

Auf Alkohol sollte sowieso verzichtet werden?

Sowieso, bei den Geschwindigkeiten, die da erzielt werden. Selbst ein Hobbysportler kommt rasch auf 50 km/h. Und 50 km/h sind für einen Sturz viel zu schnell. Das wird unterschätzt.

Wie bereitet man sich auf das Skifahren vor? Kondition aufbauen?

Ja, sich konditionell vorbereiten. Weiters braucht es eine Schutzausrüstung.

Was heißt das?

Da sind wir schon mindestens beim Skihelm und beim Rückenprotektor. Mit einem Protektor erspart man sich viel Unbill. Bei einem kleinen Sturz fehlt einem mit einem Protektor gar nichts, ohne Protektor kann das einen blauen Fleck oder eine Prellung zur Folge haben. Es gibt Westen und Ellbogenschützer. Sie helfen bei den Bagatellunfällen. Im unteren Geschwindigkeitsbereich bis 20, 30 km/h helfen sie extrem viel.

Für die Knie gibt es keinen Schutz?

Die Drehbewegung und die Stauchung, zum Beispiel der Wirbelsäule, sind fast nicht schützbar. Es gibt noch Möglichkeiten, die Außenseiten der Oberschenkel und die Hüften mit Schaumgummieinlagen zu schützen.

Welche Möglichkeiten des Selbstschutzes gibt es noch?

Langsam fahren ist vernünftig. Es geht darum die einwirkenden Kräfte bei Unfällen so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet Reduktion der Geschwindigkeit. Wenn zu viele Skifahrer zu schnell fahren, kommt es zu Zusammenstößen. Bei langsamer Geschwindigkeit wird vielleicht ein Band gerissen. Bei hoher Geschwindigkeit bedeutet das eine schwerste Kopfverletzung, wenn einer einen Helm trägt und der andere nicht. Je besser die Vorbereitung und die Ausrüstung ist, umso geringer sind die Risiken.

Fahren Sie selbst noch Ski?

Nein, nicht mehr. Vor 30 Jahren musste ich mich länger beim Skilift anstellen, als ich dann tatsächlich Ski gefahren bin, da habe ich es mir abgewöhnt.

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