Grüne: „Sind statt fünf Jahren nur zwei auf der Ersatzbank“

Grüner Landesrat Rudi Anschober
Der grüne Landesrat ist in Sachen Integration und Klimapolitik eine bundesweite Marke. An Ex-Kanzler Sebastian Kurz übt er heftige Kritik.

KURIER: Wie beurteilen Sie den Erfolg der Grünen bei den EU-Wahlen?

Rudi Anschober: Ein großartiger Erfolg, ein großes grünes Comeback von 3,8 Prozent bei der letzten Nationalratswahl zu fast 14 Prozent bei der Europawahl. Eine großartige Steigerung und das zeigt, dass die Notwendigkeit starker Grüner in den Parlamenten europaweit da ist. Auch in Österreich. Besonders freut mich, dass das Thema Klimaschutz, für das ich seit Jahren versuche Druck zu machen, jetzt endlich angekommen ist und jetzt erstmals europaweit ein wahlentscheidendes Thema war. Vor allem bei den Jungwählerinnen und Jungwählern. Das war für mich ein „Sunday for future“.

Ist genug Druck da, dass das EU-Parlament reagieren wird?

Ja. Ich bin überzeugt davon, da wird sich im nächsten Europaparlament sehr sehr viel tun. Es gibt künftig 70 grüne Europaparlamentarier, die eine Leidenschaft für den Klimaschutz haben und da wirklich richtig Druck machen werden. Ich glaube, dass die anderen Parteien schon gemerkt haben, dass Schluss ist mit den Sonntagsreden und mitziehen müssen.

Was bedeutet das Ergebnis im Bezug auf die anstehenden Nationalratswahlen?

Wir sitzen damit nicht fünf Jahre auf der Ersatzbank , sondern möglicherweise nur zwei Jahre. Für uns ist es eine absolute Chance auf die Rückkehr in die politische Gestaltung im Nationalrat. Im Bundesrat sind wir ja mit zwei engagierten Abgeordneten. Das Comeback ist früher als befürchtet zu schaffen. Die Ausgangssituation ist gut, aber das ist noch lange nicht gegessen und wir werden uns sehr professionell in den nächsten drei, vier Wochen aufstellen.

Wo nimmt man die Ressourcen für den Wahlkampf her?

Wenn man sich angeschaut, mit welchen Mitteln wir den Europawahlkampf geschafft haben, nämlich de facto ohne Ressourcen mit einem Spitzenkandidaten der ehrenamtlich tätig ist, dann zeigt sich, dass die Grünen wegen ihrer Themen gewählt werden. Für uns ist der Klimaschutz und der Zusammenhalt in der Gesellschaft wichtig. Wir werden das verdichten und sichtbar machen, wofür wir kämpfen, wofür wir positive Visionen darstellen.

Mit welchen Spitzenkandidaten werden die Grünen antreten?

Das wird bei uns der letzte Punkt sein.

Wann werden Entscheidungen fallen?

Zuerst wird der Fahrplan geklärt, was braucht man organisatorisch, wie wollen wir uns aufstellen, auch inhaltlich. Dann wird davon abgeleitet, welche Personen brauchen wir dafür. Ich gehe davon aus, dass es dabei um ein Team gehen wird.

Auch Sie werden als Spitzenkandidat genannt. Sie wollten eigentlich erst im Herbst über Ihre politische Zukunft entscheiden?

Das ist nach wie vor ein guter Zeitpunkt, finde ich (lacht).

Wer soll bei der Nationalratswahl das Zugpferd sein?

Wir werden uns diese Frage genau anschauen. Wir haben bei der EU-Wahl mit Werner Kogler einen Spitzenkandidat gehabt, der einen fantastischen Job gemacht hat. Er ist Parteiobmann, macht das hervorragend, fehlerlos mit einem hohen Engagement, authentisch glaubwürdig. Ich halte von Werner Kogler extrem viel. Aber Personalfragen werden wir uns in den nächsten Wochen am Schluss anschauen. Ich habe den Eindruck, dass wir durch das Rausfliegen aus dem Nationalrat jetzt sehr solidarisch handeln. Es gibt einen wirklichen Zusammenhalt, eine wirkliche Teamstimmung.

Es gibt Überlegungen, dass Kogler wieder als Spitzenkandidat antritt?

Wir werden uns das in Ruhe im Laufe des Juni anschauen und das gemeinsam diskutieren.

Auch der Name des neugewählten Sprechers der Grünen Oberösterreich wird oft genannt?

Ich halte von Stefan Kaineder sehr viel. Das ist in Österreich eines unserer größten politischen Talente. Mich beeindruckt die Mischung aus Kompetenz und Engagement, sowie die rhetorischen Qualitäten. Sicher einer, dem die Zukunft gehört. Ich bin sehr glücklich, dass es Menschen wie den Stefan Kaineder bei uns gibt. Wir haben aber auch andere. David Stögmüller oder Severin Mayr.

Wird Stefan Kaineder Spitzenkandidat auf Bundesebene?

Ich glaube, dass er alles mitbringt, was es braucht in der Politik und dass er ein sehr spannendes Angebot sein könnte. Aber das werden wir uns in Ruhe anschauen.

Wie beurteilen Sie den Schaden, der durch den Crash der Bundesregierung entstanden ist?

Es ist nicht die erste Regierung, die Sebastian Kurz sprengt. Und die Verantwortung liegt schon prioritär bei ihm . Er hat die FPÖ in vollem Wissen wo sie steht, wie korruptionsanfällig Teile von ihr sind und trotz der sogenannten Einzelfälle Richtung Extremismus in die Regierungsverantwortung geholt. Er hat damit Österreich schwer geschadet. Es hätte andere Mehrheiten und andere Möglichkeiten gegeben. Immer dann, wenn ein Partner in einer schweren Krise ist, wird von Teilen der ÖVP die Flucht nach vorne ergriffen. Dass ein Innenminister Kickl alles zerstören konnte, was für Asylwerber und deren Integration wichtig wäre, all das liegt in der Verantwortung des Ex-Kanzlers. Es wird darum gehen, sehr breite Sachallianzen und Bündnisse zu bilden. So wie wir es bei ,Ausbildung statt Abschiebung’ gemacht haben. Es muss Lösungen der Vernunft in unterschiedlichen politischen Fragen geben. Im Integrationsbereich genauso wie im Klimaschutz.

Sehen Sie Reparaturchancen für „Ausbildung statt Abschiebung“?

Wenn ein politischer Wille da ist, kann man das innerhalb weniger Tage machen. Die Zeit drängt. Es droht ja die Abschiebung Hunderter bestens integrierter Lehrlinge. Mein Appell geht an neue Regierung. Es gibt eigentlich einen breiten politischen Konsens. Die Betroffenen sollen zumindest die Ausbildung fertigmachen dürfen. Sonst schadet man den Menschen und der Wirtschaft.

Österreichs Klimaplan braucht eine massive Nachbesserung um EU-Strafen in der Höhe von zehn Milliarden Euro zu entgehen.

Die Ministerien arbeiten nach wie vor. Bis Jahresende müssen die Nachbesserungen bei der EU-Kommission nachgereicht werden. Das was notwendig ist, ist ja alles erarbeitet. Es braucht nur die politische Entscheidung und deswegen versuchen die Klimareferenten aller Bundesländer mit unserer Petition (www.klimaschutzjetzt.at, Anm. Red.) mit möglichst vielen Unterstützern Druck zu machen. Das ist die nächste überparteiliche breite Allianz, die wir schaffen wollen. Es gibt ja auch die Beschlüsse in der Verkehrsreferenten- und in der Finanzreferentenkonferenz der Bundesländer. Auch unser Finanzreferent Thomas Stelzer hat kein Interesse daran, 308 Millionen Euro Strafe bezahlen zu müssen.

In Oberösterreich steht noch Ihr Maßnahmenprogramm zur Emissionssenkung in der Linzer Luft aus?

Vor dem Sommer werden wir es fertig haben. Es ist weitgehend ausverhandelt. Noch verhandelt wird die Sanierung der Linzer Taxis, da sind wir in Schlussverhandlungen mit der Innung. Ich bin zuversichtlich, dass es Ende Juni eine einstimmige Beschlussfassung in der Landesregierung gibt.

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