Haberlander: "Setzen auf Telemedizin und digitalen Zwilling"

Christine Haberlander
LH-Stellvertreterin Christine Haberlander will die digitalen Möglichkeiten im Gesundheitsbereich voll ausschöpfen. Und sie setzt auf Prävention.

Christine Haberlander (ÖVP) ist Stellvertreterin des oberösterreichischen Landeshauptmanns Thomas Stelzer. Die 38-Jährige ist unter anderem für Gesundheit und Bildung zuständig.

KURIER: Sie sind nun seit zwei Jahren Mitglied der Landesregierung und Stellvertreterin von Stelzer. Wie hat diese Funktion Sie verändert?

Christine Haberlander: Es wird einem bewusst, wie komplex politische Prozesse sind, wie wichtig Einbindung und das miteinander Arbeiten sind. Vieles braucht Zeit, zum Beispiel im Bildungsbereich. Ich war hier vielleicht anfangs zu ungeduldig.

Das Zweite ist, dass man oft gefordert ist, über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Der Lebensablauf und der Tagesrhythmus verändern sich vollständig. Man ist mit neuen Situationen konfrontiert, die man möglichst gut meistern will. Man muss raus aus der Komfortzone.

Frisst die Funktion Sie auf?

Nein, sie entwickelt mich weiter. Dieser Prozess ist aber verbunden mit einem Grenzen-Setzen. Kaum waren die Termine zu Weihnachten vorbei, bin ich krank geworden. Man muss acht geben. Ich kann aber sehr viel lernen.

Kurzer Ausflug ins lateinische Zitatenlexikon. Hier heißt es, wer geliebt werden will, regiert mit nachsichtiger Hand (Qui vult amari, languida regnat manu). Regieren Sie mit nachsichtiger Hand?

Meine Devise ist Führen durch Vertrauen. Ich vertraue auf die Kraft des Systems und auf die Menschen, die im System arbeiten. Dass sie eine gute Arbeit machen und sie davon beseelt sind, etwas weiterzuentwickeln. Zum Beispiel die Pädagogin, die dem Kind etwas beibringen möchte. Das sind die ExpertInnen, die wissen, was es braucht. Ich vertraue auch darauf, dass gute Ideen an mich herangetragen werden. Man muss den Mitarbeitern den Freiraum geben, dass sie entscheiden können. Ich würde sie vielleicht anders treffen. Aber ich vertraue darauf, dass sich die Sache gut entwickelt. Meine Aufgabe ist es, den Rahmen abzustecken und die Verantwortung zu übernehmen.

Wo wird dann Ihre Handschrift sichtbar?

Zum Beispiel im Arbeitsstil. Ich regiere nicht jeden Tag hinein, wie man eine Gesundheitsholding führt. Dafür gibt es Geschäftsführer, die Aufträge haben, die sie umzusetzen haben. Wir in der Politik geben die Leitlinien vor. Zum Beispiel durch den regionalen Strukturplan Gesundheit, durch budgetäre Vorgaben. Wir denken nicht nur an die Krankenhäuser, sondern auch darüber hinaus, obwohl wir dafür nicht zuständig sind. Es ist wichtig, dass wir mit dem Roten Kreuz gut zusammenarbeiten, mit den niedergelassenen Ärzten, dass wir uns überlegen, wie eine gute Patientenversorgung ausschaut.

Ein großer Schwerpunkt ist bei mir die Prävention. Wir starten nun mit gesunden Krabbelstuben. Wir schauen, was ältere Menschen benötigen, wie Pflegestammtische oder Demenzanlaufstellen. Wir müssen weg vom Insel-Denken hin zu gesamthaften Lösungen.

Wie sieht Ihr Arbeitsauftrag an Franz Harnoncourt, den Geschäftsführer der Gesundheitsholding, aus?

Wir brauchen ein gut funktionierendes Gesundheitssystem in unseren Krankenhäusern. Es darf zu keinen Fehlbelastungen weder bei den Patienten noch bei den Mitarbeitern noch im Finanziellen kommen. Er soll gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen eine Vision erarbeiten, wie sich die Spitäler weiter entwickeln. Wie schaffen wir günstige Versorgungswege? Dass der Patient aus Bad Ischl nicht ins Kepler Universitätsklinikum nach Linz kommen muss, sondern wie setzen wir Telemedizin (Diagnostik und Therapie über Video-Bildschirme, Patient und Arzt sind räumlich weit entfernt, Anm.) ein? Wie können wir die Telemedizin noch stärker in die Krankenhäuser bringen? Fahren die Patienten oder fahren die Ärzte? Wie können Roboter noch stärker eingesetzt werden? Wie sieht die Verwendung von Daten aus? Wie antizipieren und wie setzen wir die neuen Trends um?

Durch das Universitätsklinikum haben wir schon einige Bereiche, wo wir führend sind oder führend sein wollen, so zum Beispiel bei der Verpflanzung von Kunstherzen.

Die Kosten des Gesundheitssystems steigen überproportional. Sind kleine Krankenhäuser wie zum Beispiel Schärding auf Dauer haltbar?

Ich habe eine Standortgarantie abgegeben und gebe sie auch für die Zukunft ab. Es ist unabdingbar, dass es in den Regionen eine Grundversorgung gibt.

Die Gesundheitsholding ist der größte Arbeitgeber Oberösterreichs. Die Menschen verlassen sich auf uns und wir sind da, wenn man uns braucht.

Wir müssen uns überlegen, was es in fünf oder zehn Jahren in den Spitälern braucht. Ein Beispiel ist die dermatologische Versorgung in Kirchdorf/K.. Wir wickeln sie in vielen Bereichen über Telemedizin ab. Die Patienten werden über das Krankenhaus der Elisabethinen telemedizinisch betreut. Wir wollen die Patienten nicht alle nach Linz bringen.

Das heißt, der Kirchdorfer Patient, der ein Hautproblem hat, wird über Videokonferenz vom Arzt in Linz betreut.

So wird es in vielen Fällen sein.

Ist Telemedizin die Zukunft?

Definitiv. Es wird aber immer den Arzt und das Pflegepersonal brauchen. Die persönliche Interaktion ist von unendlicher Wichtigkeit. Es hängt natürlich auch von der medizinischen Indikation ab. Einen Herzinfarkt kann man nicht mit Video behandeln.

Welche Einsatzbereiche sehen Sie für die Telemedizin?

In allen Bereichen. Zum Beispiel auch in der Überwachung. Jeder von uns hat Apps auf den Handys, wo man seine Schrittfrequenz, seinen Puls etc. ablesen kann. Das kann man auch medizinisch nutzen. Wie entwickeln sich das, wenn ich Diabetespatient bin, wenn ich einen Herzschrittmacher habe? Man kann schneller reagieren, wenn man die Daten auf einen Monitor überträgt. Eine Vision ist auch die Entwicklung eines digitalen Zwillings.

Was bedeutet digitaler Zwilling?

Dass alle Daten gesammelt und gespiegelt sind, und dass man sie verwendet. Ich bin ein Verfechter von mehr Datentransparenz im medizinischen Bereich. Der Patient muss dadurch möglicherweise gar nicht selbst zum Arzt gehen, sondern der Arzt sieht sich die Daten an und schlägt dann die entsprechenden Behandlungen oder Verhaltensweisen vor. In diesem Bereich wird ganz viel Neues kommen. Der digitale Zwilling wird die medizinische Qualität verbessern. Der Patient kann so leichter durch das medizinische System gelenkt werden. Er wird weniger Fahrten und kürzere Wartezeiten haben. Die Mitarbeiter im Gesundheitssystem, auch in den Ordinationen, werden dadurch entlastet. Durch die Digitalisierung wird sehr viel möglich.

Unser Gesundheitssystem setzt kaum Anreize für positives Verhalten.

Ja, leider.

Wo könnte man positive Anreize schaffen?

In der Sozialversicherung. Wer regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen geht, sollte einen Bonus erhalten. Ebenso jene, die sich impfen lassen oder jene, die ihre Cholesterin- und Zuckerwerte kontrollieren. Damit chronische Erkrankungen, deren Behandlung teuer ist, möglichst lange verhindert werden.

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