Gottfried Hirz: Das Rote Kreuz Oberösterreich ist eine sehr gut aufgestellte Organisation. Die Anforderungen an den Sanitätsdienst steigen, weil die Anzahl der Notärzte abnimmt. Die durchschnittliche Zeit, bis wir im Notfall am Einsatzort sind, beträgt 11,1 Minuten. Das ist eine hervorragende Zeit für ein Flächenbundesland. Das ist nur möglich, weil 8.000 Personen ehrenamtlich Dienst versehen.
Die Hauptherausforderung ist die Patientensteuerung. Da gibt es einerseits den Notruf 144 und andererseits die telefonische Gesundheitshotline unter der Nummer 1450. Beide werden von uns betreut. Dazu kommt noch die Telemedizin, die es möglich macht, dass bei Einsätzen nicht immer sofort der Notarzt kommen muss. Wenn zum Beispiel der Patient Bluthochdruck hat. Dies hat den Vorteil, dass der Notarzt für andere Notfälle einsatzbereit bleibt. Sanitäter setzen sich über einen Laptop, den sie mithaben, mit dem Notarzt in Verbindung, der dann die Entscheidungen trifft.
Ist die Telemedizin bereits im ganzen Land ausgerollt? Ist bereits jeder Rettungswagen mit einem Laptop ausgestattet?
Wir sind in drei Bezirken in der Testphase. In Braunau, Steyr und Vöcklabruck. Hier gibt es neue Entwicklungen. Sie ermöglichen auch, dass man die Daten der Patienten an die Zentralen übermittelt.
Eine neue Entwicklung ist auch der Einsatz von Drohnen. Er bietet die Möglichkeit, bei Einsatzorten von oben auf das Geschehen zu schauen. Wir können zum Beispiel mithilfe von Wärmebildkameras so besser kontrollieren, ob sich noch wo Verletzte befinden. In sechs Bezirken wird derzeit der Drohneneinsatz getestet, die Rückmeldungen sind sehr positiv. Ziel ist es, sie flächendeckend zu installieren. Die Mitarbeiter müssen dafür entsprechend ausgebildet werden. Es braucht dafür auch gesetzliche Anpassungen, da bestimmte Lufträume gesperrt sind.
Patientensteuerung bedeutet, dass die Menschen, abgesehen von Notfällen, primär die Nummer 1450 anrufen sollen und dann bei diesem Gespräch die weitere Vorgangsweise entschieden wird.
Wir machen die unterschiedlichsten Erfahrungen. Da wählen Menschen mit einer verstauchten Zehe den Notruf. Dann gibt es wiederum Menschen, die wirklich Probleme haben und sich nicht trauen, die Notrufnummer zu wählen. 1450 bietet die Möglichkeit zu sagen, ich habe diese und jene Symptome, wie soll ich das einschätzen?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 1450 haben entsprechende Checklisten und leiten an qualifizierte Personen weiter. Oder sie schicken sofort einen Rettungswagen. Der Vorteil ist auch, dass die gemachten Angaben und Daten sofort dem entsprechenden Krankenhaus übermittelt werden. Das Krankenhaus weiß bereits, welcher Patient kommt.
Ihr Appell ist also, 1450 anzurufen, außer es handelt sich tatsächlich um einen Notfall.
Richtig. Bei allen Fällen, bei denen es nicht klar ist, ob es ein Notfall ist, bitte 1450 anrufen.
Die Geburtenraten gehen zurück, die Gesellschaft kämpft mit demografischen Problemen. Findet das Rote Kreuz noch genügend ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Wir haben insgesamt 24.000 freiwillige Helferinnen und Helfer, die sich beim Roten Kreuz in den verschiedensten Bereichen einbringen. Ich bin momentan mit diesem Stand zufrieden. Wir haben neben dem Rettungsdienst den Sozialdienst, Essen auf Rädern, den Besuchsdienst für ältere Menschen, das betreute Reisen, die Sozialmärkte und die mobile Hauskrankenpflege. Die Rahmenbedingungen für diese freiwilligen Helfer sind ganz wesentlich.
Die beruflichen Belastungen geben den Menschen weniger Zeit, sich entsprechend einzubringen. Unser System lebt von der älteren Generation, die Lebenswelten der Jüngeren machen es schwieriger, sich freiwillig einzubringen.
Warum? Weil sie vielmehr am Handy und in den sozialen Netzen sind?
Die Lebens- und Arbeitswelt hat sich insofern geändert, dass es schwieriger ist, sich zu verpflichten. Die Freiwilligenarbeit hängt auch ganz stark ab von der Wertschätzung in der Gesellschaft.
Ist sie zu gering?
Früher stand die Dankbarkeit gegenüber den freiwilligen Helfern eher im Vordergrund. Heute wird des Öfteren von Menschen signalisiert, dass das eine Leistung sei, die ihnen zustehe und worauf sie ein Recht hätten.
Es hat eine Anspruchsmentalität um sich gegriffen.
Genau. Das ist natürlich für jene schwierig, die das freiwillig machen. Wenn sie negative Rückmeldungen bekommen, fragen sie sich, warum sollen sie sich das antun? Die Aggressionen sind ebenfalls gestiegen.
Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Präsidentschaft setzen?
Die Jugendarbeit liegt mir besonders am Herzen. Wir haben 120 Jugendgruppen, die an den Ortsstellen von 650 Mitarbeitern betreut werden. Rund 2.500 Kinder kommen konstant. Hier findet soziales Lernen statt, es ist wichtig, dass sie lernen, dass Helfen ein Wert ist. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen. Sie machen Erste-Hilfe-Kurse, Schwimmkurse etc. Mir sind Medienerziehung und Anti-Mobbing-Training wichtig.
In den Ferien betreuen wir ca. 13.500 Jugendliche. Ich möchte das Jugend-Rotkreuz-Heim Litzlberg zu einem Wertecampus ausbauen. Weiters soll das Angebot des Jugendrotkreuzes in den Schulen erhöhen werden. Wir wollen an einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung mitarbeiten.
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