Pühringer: „Staat kann nur das Erwirtschaftete verteilen“

Josef Pühringer
Josef Pühringer ist Landesobmann des ÖVP-Seniorenbundes. Der 75-Jährige war von 1995 bis 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich.
KURIER: Die Vertreter der Senioren nehmen die Pensionskürzung relativ ruhig hin. Sind Sie als Seniorenvertreter nicht viel zu weich gewesen?
Josef Pühringer: Der Seniorenbund hat bis zum Anschlag für den vollen Inflationsausgleich gekämpft. Alles Leben ist letztlich ein Kompromiss, der für uns gerade noch akzeptabel war. Wir haben durchgesetzt, dass es für 71 Prozent der Pensionisten den vollen Ausgleich gibt. Wir haben bei solchen Verhandlungen immer die kleineren und mittleren Pensionsbezieher im Fokus. Natürlich wird hier das Versicherungsprinzip unterlaufen.
Das ist ein nicht unwesentlicher Kaufkraftverlust. Noch dazu, wenn im August die Inflation wieder auf 4,1 Prozent gestiegen ist.
Das stimmt. Wir haben wirklich gekämpft. Pensionsverhandlungen finden so wie Lohnverhandlungen in der gesellschaftlichen Realität statt. Unser Problem war, dass, auch durch die Medien, eine Situation erzeugt wurde, die Senioren seien hauptverantwortlich für die Budgetproblematik. Weil der Übertritt der Babyboomer in die Pension so viel kostet. Dabei wird übersehen, dass gerade diese Jahrgänge das Pensionssystem in den vergangenen 30 Jahren finanziert haben. Man darf sie nicht dafür verantwortlich machen, dass es heute Probleme gibt. Ohne diese starken Jahrgänge hätte es im Pensionsgebälk schon wesentlich früher geknirscht.
Politiker tun sich deshalb relativ leicht, weil sie wissen, dass die Pensionisten eine Wählergruppe sind, die sagt, wir kommen mit der niedrigeren Pension eh durch, wir wissen, dass wir sparen müssen, wir tragen unser Scherflein bei. Diese Mentalität der Bescheidenheit spielt der Regierung in die Hände.
Drei Antworten. Erstens: 72 Prozent haben den Ausgleich bekommen, vor allem jene, die ihn am dringendsten brauchen.
Zweitens: Dankbarkeit ist für die Senioren noch eine Kategorie. Sie wissen, dass das österreichische Pensionssystem ein gutes ist. Wir haben nach Luxemburg die zweithöchsten Pensionen in der EU. Die Senioren haben aufgrund ihrer Lebenserfahrung am ehesten noch Verständnis für eine Budgetsanierung.
Drittens: Für die Senioren sind eine Mietbremse und eine Senkung der Energie- und Strompreise wichtig. Was beim Inflationsausgleich verloren geht, können wir uns hier vielfach zurückholen.
Gerade die Mitglieder des Seniorenbundes wie ehemalige Beamte oder Lehrer sind von der Kürzung betroffen. Viele haben ihr Leben lang in die Pensionskasse einbezahlt. Es gibt aber nicht wenige, die sich zeit ihres Berufslebens regelmäßig arbeitslos gemeldet und in der Zeit nicht einbezahlt haben. Diese Menschen werden durch diese Lösung bevorzugt.
Ich habe volles Verständnis für diese Kritik und es darf sicher nicht in Richtung Volkspension gehen. Jeder muss wissen, dass keine Einzahlung für die Auszahlung reicht. Der Staat schießt bei den Pensionen zu. Daher haben wir kein reines Versicherungsprinzip. Das ist auch die Begründung, warum der Staat überhaupt in das Versicherungsprinzip eingreifen darf. Weil er doch wesentlich dazuzahlt.
Derartige Kürzungen können nur Einmalmaßnahmen sein, da gebe ich allen Kritikern recht.
Aber es war doch in den vergangenen Jahren schon oft der Fall, dass die niedrigen Pensionen stärker erhöht worden sind als die höheren.
Entscheidend ist, dass alle den Inflationsausgleich bekommen. Wenn man ihn mit der Höchstbemessungsgrundlage begrenzt, ist das aus unserer Sicht noch eher akzeptabel. Denn damit sind die mittleren Pensionen noch voll abgedeckt. Ich habe Verständnis dafür, dass man Kleinpensionisten, wenn es die ökonomische Situation hergibt, im Prozentsatz etwas begünstigt, denn die Inflation und die Lebenshaltungskosten trifft diese Menschen genauso wie die Bezieher höherer Pensionen. Das ist Armutsbekämpfung und eine Sozialleistung.
Die aktuelle Pensionserhöhung steht im Widerspruch zum Bemühen von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, der meint, die Menschen, die Teilzeit arbeiten, sollten mehr Stunden machen, um die Sozialkassen zu füllen.
Die stärkste Sozialpolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik. Wir müssen immer wissen, dass das, was verteilt wird, zuerst erwirtschaftet werden muss. Linke, die immer nur vom Umverteilen reden, übersehen das.
Teilzeit war eine arbeitsmarktpolitische Errungenschaft, die wir bei ihrer Einführung gefeiert haben. Teilzeit ist da, damit jene, die Erziehungs- oder Pflegeleistungen erbringen oder aus Krankheitsgründen nicht voll tätig sein können, die Möglichkeit haben, zu arbeiten und etwas zu verdienen. Man muss jenen, die aus Gründen der Work-Life-Balance Teilzeit arbeiten, heute schon sagen, welche Auswirkungen das für ihre Pensionen haben werden.
Ein Staat wird letztlich nur gut existieren können, wenn das Prinzip, Leistung muss lohnen, verwirklicht wird.
Dieser Abschluss zeigt ein Scheitern der Seniorenorganisationen auf, die gegen eine Erhöhung des Pensionsalters sind. Es ist eine Realität, dass die Pensionsleistungen des Staates bereits ein Viertel des Bundesbudgets ausmachen. Dieser Anteil wächst jedes Jahr und ist auf Dauer so nicht mehr finanzierbar. Die logische Folge ist, dass die Regierung die Pensionen kürzt.
Die 25 Prozent im Budget sind zu hoch gegriffen. Es werden immer die Bruttobeiträge genannt und man übersieht dabei, dass die höheren Pensionsbezieher über sechs Milliarden Euro an Lohnsteuer zahlen.
Wir sind nicht gegen eine Erhöhung des Pensionsalters, wir wollen das tatsächliche Pensionsalter hinaufbringen. Derzeit gehen die Frauen mit circa 60 und die Männer mit 62 Jahren in Pension. Das gesetzliche Alter ist 65. Wir haben jetzt eine Vereinbarung mit der Bundesregierung, dass das tatsächliche Pensionsalter um zwei Jahre hinaufgehen muss, sonst wird über das Tatsächliche verhandelt. Das bringt 2,7 Milliarden Euro.
Über die Angleichung des tatsächlichen Pensionsalters an das gesetzliche wird schon über 20 Jahre diskutiert, ohne nennenswerten Erfolg.
Dieses Argument ist richtig, da waren wir nicht sehr erfolgreich. Das tatsächliche Pensionsalter ist leicht gestiegen. Die Politik hat eine Entscheidung getroffen, die zu hinterfragen ist, nämlich die sehr langsame und sehr späte Angleichung des Frauenpensionsalters. Damit hat man vielen Frauen geschadet, das ist auch mit ein Grund, warum Frauen sehr niedrige Pensionen haben.
Die ÖVP will eine 25-prozentige Flat Tax für Arbeiten in der Pension. Christine Mayrhuber, Pensionsexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts, meint, dass diese vor allem höheren Pensionsbeziehern zugutekommt.
Es ist teilweise so, aber es ist noch nicht so festgelegt. Ich begrüße freiwilliges Weiterarbeiten und dass es attraktiver wird. In Österreich arbeiten 40.000 bis 50.000 Menschen in der Pension weiter. Aber die Beschäftigungsquote der 55- bis 65-Jährigen liegt deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.
Entscheidend in der neuen Regelung ist, dass es keine Pensionsbeiträge mehr gibt. Die Flat Tax von 25 Prozent wird mit einer Höchstbegrenzung kommen. Über ihre Höhe muss man noch verhandeln. Das Argument von Frau Mayrhuber wird sich relativieren, denn die Senioren werden nicht voll weiterarbeiten, sondern fünf, zehn, 15 Stunden. Das ist der bisherige Erfahrungswert.
Die SPÖ möchte die Betriebe verpflichten, eine bestimmte Quote von älteren Arbeitnehmern zu beschäftigen. Das muss Ihnen doch gefallen?
Ich bin bei solchen Maßnahmen immer für Freiwilligkeit. Wenn es Zwangsmaßnahmen gibt, werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander nicht glücklich. Wenn heute ein 56-Jähriger arbeitslos wird, hat er fast keine Chance mehr, da müssen wir eingreifen. Hier muss das AMS noch viel aktiver werden. Jeder ist gut beraten, die Alten nicht nur als Kostenfaktor zu sehen. Die älteren Mitarbeiter haben Erfahrung und Kompetenz, sie kommen aus einer Gesellschaft, in der Leistung einen Wert hat.
Wir Alten sind keine Last, sondern ein Schatz für die Gesellschaft. Zwei Drittel der Pflegeleistung wird von 60- bis 80-Jährigen erbracht. Die Großeltern leisten Kinderbetreuung. Viele arbeiten ehrenamtlich in den Vereinen.
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