Neuer Industrie-Präsident Bründl: "Der Strompreis treibt einen zur Weißglut"

Thomas Bründl führt das Unternehmen starlim-sterner.
Thomas Bründl ist neuer Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich. Der 59-Jährige ist in Gunskirchen aufgewachsen. Sein Vater war Monteur, die Mutter zu Hause, er hat einen jüngeren Bruder. Bründl hat in Wels die HTL für Maschinenbau absolviert, er startete das Maschinenbau-Studium in Wien, absolvierte 1988 die Pilotenausbildung und flog ab 1990 für die AUA. Parallel arbeitete er im Unternehmen seiner Schwiegereltern. Lange Zeit flog er an den Wochenenden, also an den Freitagen, Samstagen und Sonntagen. 2005 beendete er die Arbeit bei der AUA.
Bründl ist Geschäftsführer im Familienunternehmen starlim-sterner in Marchtrenk, das 1.800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Der Umsatz beträgt rund 250 Millionen Euro. Das Hauptgeschäft sind rund 14 Milliarden Stück Silikonartikel.
KURIER: Verspürt Ihr Unternehmen bereits einen Aufschwung?
Thomas Bründl: Nein. Das Umfeld ist zäh und herausfordernd. Es ist unser Ziel, trotzdem zu wachsen.
Wo sehen Sie die Wachstumsfelder?
In neuen Produkten, neuen Branchen und neuen Märkten.
Zum Beispiel?
Unser Hauptbeschäftigungsbereich sind Dichtungen in verschiedenster Form für den Automotive-Bereich. Weiters für die Medizintechnik und für die verschiedensten Industriesegmente. Die Steuerungselemente in den Fahrzeugen werden mehr, damit gibt es mehr Steckelemente und damit für uns die Möglichkeit, mehr Dichtungen zu liefern.
Österreichs Wirtschaft ist im dritten Jahr in der Rezession, sie schrumpft. Gibt es in der Industrie verstärkt Produktionsverlagerungen in billigere Standorte? Gibt es verstärkte Auslandsinvestitionen?
Beide Fragen sind mit Ja zu beantworten. Die Deindustrialisierung ist eine schleichende. Wir haben uns in den vergangenen Jahren kostenmäßig aus dem Markt hinausgepreist. Unsere Kunden wollen mit uns weiter zusammenarbeiten, sie akzeptieren aber keine Preiserhöhungen im Standort Österreich. Sie sagen, dann beliefert ihr uns bitte aus den Standorten Kanada, Italien oder Marokko.
Baut Ihr Unternehmen die Standorte im Ausland aus?
Wir haben vor eineinhalb Jahren unseren Standort in China gegründet und ausgebaut. Bei den den Investitionen in Österreich warten wir zu, wir schauen, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln.
Die Budgets der öffentlichen Hände sind angespannt, die Senkung der Lohnnebenkosten, auf die die Wirtschaftsvertreter gepocht haben, findet nicht statt. Die Gewerkschafter werden bei den Kollektivvertragsverhandlungen zumindest auf einem Inflationsausgleich pochen. Das bedeutet, dass sich bei den Lohnkosten, deren Höhe Sie beklagen, nichts Wesentliches bewegen wird.
Wenn wir den Weg weiter so beschreiten wie in den vergangenen Jahren, entfernen wir uns noch stärker von unseren europäischen Nachbarn. Es stellt sich die Frage, ob die Systematik, mit der wir vorgehen, zielführend ist.
Sie erwarten, dass die Kollektivvertragserhöhungen unter dem Inflationsausgleich liegen?
Wir müssen uns unseren europäischen Mitbewerbern wieder annähern. Wir in der Industrie zahlen merklich über dem Kollektivvertrag. Es gibt viele Bereiche, wo man effektiv etwas verändern könnte. Die derzeitigen Rahmenbedingungen locken keine Investitionen an.

Bründl fordert ein Gesamtkonzept für den Strombereich.
Der zweite Bereich, der die Wirtschaft und die Industrie belastet, sind die hohen Energiekosten. Wie soll es hier zu einer Reduzierung kommen?
25 Prozent des Energiekuchens macht Strom aus. 90 Prozent werden in Österreich erneuerbar produziert.
Trotzdem ist er teuer.
Das treibt einen zur Weißglut. Wir haben hier einen Wettbewerbsnachteil, obwohl wir Strom zu günstigen Konstitutionen in der Hand haben. Das Merit-Order-System muss weg. Das teuerste Kraftwerk bestimmt den Tarif. Ich hätte auch gern, dass unsere teuerste Produktion unsere Preise bestimmt. (lacht)
Wie stark sollte der Strompreis gesenkt werden?
Wenn in Deutschland der Industriestrompreis um vier Cent pro Kilowattstunde umgesetzt wird, sind wir enorm unter Zugzwang. Das Enttäuschende ist, dass wir immer warten, bis jemand anderer aktiv wird, damit wir hinterherlaufen. Wir müssen in die Rolle der Aktion kommen und weg von der Reaktion.
Die E-Control und die Bundeswettbewerbsbehörde haben festgestellt, dass es wegen der Quasi-Monopole der Landesversorger am österreichischen Strommarkt viel zu wenig Wettbewerb gibt.
Wir müssen uns bewusst sein, wo wir mit dieser Systematik gelandet sind. Wie man das ändert, ist für uns sekundär. Wir benötigen einen wettbewerbsfähigen Strompreis.
Wir brauchen leistungsfähige Netze. Uns ist gesagt worden, dass mit den hohen Stromtarifen, die wir bezahlt haben, der Ausbau der Stromnetze finanziert wird. Wo ist dieses Geld hingegangen? Das sind Fake News. Es braucht einen Strategieplan. Wie produzieren wir, wie speichern wir und wie verteilen wir? Darin liegt großes Potenzial. Wir diskutieren hingegen, ob wir da oder dort drei Windräder aufstellen.
Wie soll Europa mit China umgehen? Aufgrund der US-Zölle drängen chinesische Unternehmen verstärkt in den europäischen Markt, hiesige Unternehmen beklagen die staatliche Subventionierung chinesischer Produkte. Was den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) widerspricht.
Es ist wichtig, dass es einen Schiedsrichter gibt. Es muss einen fairen Wettbewerb geben. Wenn China unfair spielt, muss es von der EU eine Antwort geben. Wir müssen uns aber schon sehr klar vor Augen halten, warum jemand anderer besser ist. Ich lehne ein Verhalten wie das lateinamerikanischer Staaten ab, die die Importzölle immer höher und höher geschraubt haben, um damit vermeintlich ihre heimische Industrie zu schützen. Dennoch hat sich diese nicht weiterentwickelt. Statt Innovation auszulösen wurden einfach die Zölle erhöht. Das wäre ein falscher Weg. Bei falschem Verhalten wäre die WTO der Schiedsrichter.
Diese Prozesse und Entscheidungen dauern aber viel zu lange, das ist für die Unternehmen zu spät.
Diese Schwierigkeit haben wir auf vielen Ebenen. Unsere Prozesse sind nicht geeignet, den schnellen Veränderungen zu entsprechen. Wir agieren immer noch wie vor 30, 40 Jahren, als es leichte Konjunkturaufschwünge oder -abschwünge gegeben hat. Wir müssen die Prozesse anpassen, der Bürokratismus macht uns aber langsam und behäbig. Es braucht ein Gremium, das zielstrebig und schnell agiert.
Vom Abbau der Bürokratie wird schon seit Jahrzehnten geredet. Die Vorschläge zum Abbau gibt es, aber sie werden nicht aufgegriffen.
Jedes Gesetz sollte automatisch ein Ablaufdatum haben. Dann müsste jedes Mal überprüft werden, ob es noch Gültigkeit hat.
Wie ist Ihre Erfahrung mit Ihrer Investition in China?
Wir sind während Corona dorthin, was eine echte Herausforderung war. Wir haben ein Gebäude in Niedrigenergiebauweise mit Energierückgewinnung hingestellt. Wir stießen damit auf den Widerstand lokaler Behörden, wir haben geantwortet, wir machen es so oder gar nicht. Es wurde dann genehmigt, und plötzlich waren wir Vorzeigebetrieb. Wir haben die Besucherzahlen reduziert, wir haben gesagt, wir sind kein Disneyland.
Wurden Sie kopiert?
Kopieren ist das eine, das zu verstehen, warum man etwas macht, ist eine andere Ebene. Die Chinesen sind sehr wissbegierig. Die Steuerungssoftware haben wir aus Österreich mitgebracht. Der Einsatz der Mitarbeiter ist enorm, es ist eine starke Dynamik da.
Um wie viel Prozent produzieren Sie in China billiger als in Marchtrenk?
Das ist zu früh. In China haben wir zu produzieren begonnen, während wir hier eine eingespielte Produktion haben. In zwei, drei Jahren kann man Vergleiche ziehen.
Sie mussten vermutlich eine Joint-Venture-Vereinbarung abschließen.
Nein, es war von uns eine Bedingung, dass es zu 100 Prozent in unserem Eigentum bleibt, sonst hätten wir nicht investiert.
Früher war das anders.
Das war auch der Grund, warum wir nur ein Vertriebsoffice dort hatten. Jetzt ist es anders. Wir haben uns gesagt, im besten Fall produzieren wir in China für Asien, im schlechtesten Fall in China für China. Wir erwarteten, dass der stärkste Zulauf von europäischen Kunden kommen würde, tatsächlich kam er von den chinesischen. Das heißt, wir sind an Kunden herangekommen, die wir von Europa aus gar nicht erreicht hätten.
Wir in Oberösterreich profitieren sehr stark von Niederlassungen, die die Unternehmen im Ausland haben. Wichtig ist aber, dass man die Firmenzentralen hier nicht peinigt und eine Daumenschraube nach der anderen anlegt. Denn wenn die Firmenzentralen abwandern, kann es kritisch werden. Denn die Produktionsstätten können ganz rasch geschlossen werden.
Kommentare