Linzer Bürgermeister: „Integration ist Herausforderung und Chance“

Der neue Linzer Bürgermeister Dietmar Prammer
Dietmar Prammer (SPÖ) ist im Jänner mit klarer Mehrheit zum Linzer Bürgermeister gewählt worden. Nach dem Rücktritt von Klaus Luger hat der 50-Jährige die Bürgermeister-Geschäfte seit September 2024 geschäftsführend geführt.
KURIER: Linz steht mit dem Ars Electronica Festival und dem Brucknerfest vor dem kulturellen Höhepunkt des Jahres. Die neuen LIVA-Geschäftsführer Norbert Trawöger und Kai Liczewski sind gestartet. Was erwarten Sie von ihnen?
Dietmar Prammer: Eine Professionalisierung.
Was heißt das?
Dass wir den Laden auf die Reihe bringen, dass er wieder funktioniert. Finanziell und organisatorisch. Die finanziellen Probleme sind auch durch innerorganisatorische Probleme entstanden. Auch durch Kommunikationsprobleme zwischen künstlerischer und kaufmännischer Geschäftsführung. Die Personen sind nun so ausgewählt worden, dass sie als Team gut zusammenpassen.
Darüber hinaus soll das Brucknerhaus künstlerisch nach vorne gebracht werden. Es soll eine Öffnung des Hauses geben, auch gegenüber anderen Institutionen. So gegenüber denen des Landes.
Wie soll die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land stattfinden?
Ich bin im Austausch mit dem Landeshauptmann. Wir haben den Auftrag gegeben, dass sich auch die Geschäftsführer der Organisationen austauschen. Das passiert teilweise schon. Es soll mehr miteinander geredet werden und die Programmierung abgestimmt werden. Die nächsten Schritte sind ein gemeinsames Ticketing und Marketing. Zusammenarbeit auf allen Ebenen, wo es Sinn macht. Wir wollen aber auch klar darlegen, was unsere Alleinstellungsmerkmale sind, was so bleiben soll, denn wir wollen weiterhin urbane Politik für die Linzerinnen und Linzer anbieten, die sich von den Landeseinrichtungen abhebt.
Die Budgets aller öffentlichen Hände müssen sparen, auch die Gemeinden. Besteht da nicht die Gefahr, dass mehr bei der Kultur als beim Sozialen gestrichen wird?
Ich habe im ersten Schritt einer Gesamtkonsolidierung ausgegeben, dass jeder politische Referent in seinem Bereich 15 Prozent der Ermessensausgaben einzusparen hat. Wie es auch beim Land der Fall ist. Da muss sich jeder anstrengen, alle werden gleich behandelt. Es werden keine Bereiche bevorzugt bzw. schlechter behandelt.
Sie wurden vor sieben Monaten gewählt. Sind Sie als Bürgermeister schon angekommen?
Zum Großteil ja, im täglichen Arbeiten. Im Leb en ist es für mich immer noch ungewöhnlich, dass ich die Aufmerksamkeit habe. Wenn ich unterwegs bin, grüße ich die Menschen, von denen ich meine, sie könnten mich kennen. Manchmal höre ich beim Vorbeigehen die Leute flüstern, das ist ja der Bürgermeister.
Ihre Art des Auftretens ist eine andere als die Ihres Vorgängers. Sie wirken defensiver.
Ich bin ich, der Klaus ist der Klaus und der Franz ist der Franz. Wir sind unterschiedliche Persönlichkeiten, das spiegelt sich auch darin, wie man die Funktion auslebt. Man muss trotzdem schauen, dass man die Ziele, die man verfolgt, erreicht. In der Art vielleicht anders.
Klaus Luger konnte sich lange auf die Funktion vorbereiten. Ich habe diese Zeit nicht gehabt. Deswegen bin ich noch immer am Lernen, wie ich Sachen angehe, wie ich mit anderen kommuniziere, wie ich es strategisch angehen muss, damit ich Ziele erreiche. Im Wahlkampf hat die Zielerreichung gut funktioniert.
Ich versuche, sehr verbindend zu wirken, so bin ich auch. Ich werde daran gemessen, wie ich mit Leuten umgehe. Ob ich vertrauensbildend bin, aber auch daran, ob ich Dinge auch tatsächlich umsetze, an der Durchsetzungsstärke. Hier versuche ich, die Balance zu finden.

Die neue Führung der Linzer SPÖ (v.l.): Thomas Gegenhuber (Stadtrat für Wirtschaft und Finanzen, Fraktionsführer), die beiden neuen Vizebürgermeisterinnen Karin Leitner und Merima Zukan, Bürgermeister Dietmar Prammer.
Welche Ziele verfolgen Sie, was wollen Sie in Linz umsetzen?
Die langfristigen Ziele sind unverändert. Wie schaffen wir es, Linz als Wirtschafts- und Industriestadt ins nächste Jahrzehnt überzuführen, im Transformationsprozess der Digitalisierung und der Klimaneutralität? Daran hängen das Selbstverständnis der Stadt, die Arbeitsplätze und der Wohlstand. Wir versuchen, das in Schritten und Etappenzielen umzusetzen. Wir planen mit dem Land und der Industrie, diese Transformation zu gestalten. Zum Beispiel bei Wasserstoffprojekten. Gleichzeitig bauen wir die Stadt um, in der Mobilität, im Ausbau der Fernwärme und Fernkälte, mit der Photovoltaikoffensive. Wir wollen die Lebensqualität für die Bevölkerung aufrechterhalten, wenn es wärmer wird. Mehr Bäume statt Parkplätze, da gibt es viele Einzelmaßnahmen.
Die Industrie ist in der Defensive, die Lohn- und Energiekosten sind hoch, der weltweite Wettbewerb wird intensiver, Österreich ist ein teurer Standort. Wie kann das bewältigt werden?
Der Standort an sich ist höchst attraktiv. Es gibt bestens ausgebildete Mitarbeiter, die weichen Standortfaktoren sprechen auch für Linz. Bei den hard Facts, wie teuer ist es in Linz zu produzieren, ist es natürlich schwierig. Man sieht aber, dass zum Beispiel die voestalpine Aufträge vom chinesischen Autokonzern BYD lukrieren kann. Insgesamt müssen wir natürlich schauen, dass der Standort wettbewerbsfähig bleibt. Da geht es um die Lohnstück- und die Personalkosten. Wir müssen den technologischen Vorsprung ausbauen. Das geht nur durch Forschung. Firmen wie Dynatrace wachsen.
An sich ist der Standort sehr robust, die Industrie, die natürlich der wichtigste Teil ist, hat Schwierigkeiten.
Ist der Standort für die Digital-Universität neben der JKU am Gelände des Biologie-Zentrums IT:U fix?
Fix ist er noch nicht. Er w ird geprüft.
Reicht das von der Fläche her? Es sollen ja auch Start-ups entstehen?
Für die Universität reicht er, für Start-ups und die Ansiedelung von Unternehmen nicht.
Linz hat mit 215.000 einen neuen Einwohnerhöchstand. Ist die dafür nötige Infrastruktur ausreichend vorhanden?
Die Infrastruktur ist da. Bei den Schulen und Kindergärten müssen wir nachziehen, das ist uns klar. Hier würde ich mir mehr Unterstützung vom Land OÖ erwarten. Wenn ich höre, dass das Land Schulzusammenlegungen in der Peripherie fördert, weil es zu wenig Kinder gibt, dann würde ich mehr Förderung erwarten, weil wir mehr Kinder haben.
Da und dort fehlt In frastruktur, zum Beispiel bei der Mobilität im Linzer Süden.
Was braucht es?
Wir sind wegen der B 1 im Austausch mit dem Land Oberösterreich. Der Knackpunkt ist der vierspurige Ausbau der Bahn, damit man das S-Bahn-System verdichten und attraktivieren kann. Wir sind hier auch in intensiver Diskussion mit dem Infrastrukturministerium und den ÖBB. Hält der Plan, den Ausbau bis 2033 fertigzustellen? Minister Hanke steht dem positiv gegenüber, auch Martin Winkler hat schon mit ihm darüber gesprochen. Es geht hier nicht nur um Linz, sondern es hängt das gesamte Gebiet bis zum Ennshafen daran.
Die Geschichte der oberösterreichischen Sozialdemokratie ist auch geprägt von wechselseitigen Verhältnissen zwischen der Linzer SPÖ und der Landespartei. Es gab vielfach Spannungen. Unter Ihrer Führung ist es zu einer Entspannung gekommen, erzählen Vertreter der Landespartei.
Schauen wir einmal. Jetzt läuft es gut. Ich habe 15 Jahre für die Landespartei gearbeitet, zehn Jahre im Landtagsklub, fünf Jahre in der Landesregierung. Ich kenne die Landespartei relativ gut. Es werden sicher auch Themen auftauchen, bei denen ich als SPÖ Stadt andere Schwerpunkte haben. Beim Finanzausgleich gibt es natürlich andere Ansichten. Martin Winkler hat natürlich meine Unterstützung.
Was erwarten Sie sich von Winkler?
Dass er die Partei inhaltlich und thematisch öffnet.
In welche Richtung?
In der Landespartei muss man sich breiter aufstellen. Das war in der Vergangenheit weniger akzentuiert. Wir werden die Wahlkämpfe dort gewinnen, wo die Unternehmen und die Arbeitsplätze sind. Das reicht von Perg bis Linz, Wels, über Vöcklabruck bis ins Innviertel. Entlang dieser Achse sind wir stark, auch in den Bezirksstädten. Das heißt aber nicht, dass wir von uns vom ländlichen Raum verabschieden.
Was bedeutet Öffnung der Partei?
Ich erwarte mir, dass wir Themen ansprechen, die wir bis jetzt nicht angesprochen haben. Zum Beispiel das Migrationsthema. Das habe ich bereits im Wahlkampf getan. Wir dürfen uns bei negativen Themen nicht verstecken. Wir müssen Probleme offen ansprechen, aber auch die Chancen, die wir hier als Wirtschaftsstandort haben. Es gibt aber auch die Probleme und die Herausforderungen. Diese Diskussionen sind nichts Neues, wir haben sie in den 1990-er Jahren während des Balkankrieges auch schon gehabt. Ansonsten wäre Jörg Haider nicht so stark geworden. Wir haben die Integration gut zustande gebracht, das wird auch jetzt der Fall sein, aber sie ist eine Herausforderung für uns Städte, die die Hauptlast tragen.
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