Dort erhebt die Staatsanwältin die Vorwürfe: Mit 130 km/h ist der Angeklagte in einer Linkskurve von der Straße abgekommen, habe noch versucht, einzulenken und ist dann - laut Gutachten immer noch mit 100 km/h - gegen das entgegenkommende Fahrzeug des 36-Jährigen gekracht.
Dieser hatte keine Chance, ebenso die Freundin auf dem Beifahrersitz des 17-Jährigen. Und die auf der Rückbank sitzende andere Freundin wird schwerst verletzt, ebenso der Angeklagte selbst.
Danach ist die Verteidigerin am Wort. "Der Angeklagte bekennt sich vollinhaltlich schuldig, er möchte sich bei allen Angehörigen entschuldigen, es tut ihm unendlich leid", schildert sie die Verantwortung ihres Mandanten.
Richter Walter Eichinger möchte ein bisschen mehr über den Angeklagten wissen. Bereitwillig gibt der junge Mann auf der Anklagebank Auskunft: "Ich bin auf dem Bauernhof mit meinen Eltern, meinem Zwillingsbruder und meiner Schwester und ihrem Kind."
Derzeit absolviere er eine Lehre als Land- und Baumaschinentechniker, im dritten Lehrjahr, ist bei der Feuerwehrjugend und leidenschaftlicher Feuerwehrmann - bei der Feuerwehr entschuldigt er sich auch für den Unfall, dass sie wegen ihm zu diesem belastenden Einsatz fahren mussten.
An den Unfall selbst, beteuert er, habe er keine Erinnerung. "Was war, weiß ich nur aus dem Gutachten“, sagt der junge Mann, der sofort einräumt: "Bei den Bedingungen darf man dort wohl nur 70 bis 80 fahren“.
"Würde das gerne rückgängig machen"
"Das ist grob fahrlässig, mit 130 zu fahren als Führerscheinneuling“, hält ihm der Richter vor. „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ „Ich kann es mir nicht erklären“, sagt der Angeklagte: "Ich habe ein extrem schlechtes Gewissen und möchte mich bei allen Angehörigen entschuldigen. Ich würde das gerne rückgängig machen."
Ihm gehe es mit der Situation sehr schlecht, dass seine Familie hinter ihm stehe, helfe ihm. Auch, dass die verletzte Freundin mit ihm in Kontakt stehe, sei wichtig für ihn. Mit den Angehörigen der beiden Toten habe er hingegen seit dem Unfall im Juni keinen Kontakt gehabt. Aber er sei in psychologischer Betreuung, um den Unfall zu verarbeiten: "Das ist alles ziemlich schwierig für mich, mir geht es nicht gut dabei."
Prävention statt harter Strafe?
Richter Eichinger bringt das vom Landesgericht Linz mitentwickelte Projekt "Close To" ins Spiel - Unfalllenker erzählen in Fahrschulen über die von ihnen verursachten Unfälle und die Folgen: "Sie könnten da zur Bewusstseinsbildung bei Gleichaltrigen in den Fahrschulen beitragen.“
Der Angeklagte kann sich das gut vorstellen: „Das würde mir bei der Verarbeitung vielleicht auch helfen. Könnte sein, dass ich da auch stolz darauf sein kann, wenn ich Fahrschüler erreiche und damit noch etwas helfen kann.“ Was dem Richter gut gefällt: „Die Toten kann man nicht mehr lebendig machen, aber vielleicht jemanden erreichen, der dann keinen Unfall baut."
Zwei Monate unbedingt mit Aussicht auf Aufschub
Nach zusammenfassender Verlesung des Aktes verkündet der Richter sein - sehr mildes - Urteil: Bei einem Strafrahmen von 1,5 Jahren verurteilt er den 17-jährigen Angeklagten zu acht Monaten Haft, nur zwei davon unbedingt.
Darüber hinaus bietet Eichinger Strafaufschub für ein Jahr samt anschließender weiterer Strafmilderung an, wenn der Angeklagte sich zu der zuvor angesprochenen Präventionsausbildung verpflichtet und zehn Präventionsvorträge in Fahrschulen selbst hält. Dann könne er seine Lehre abschließen und danach möglicherweise ohne unbedingter Haft davonkommen.
Der junge Mann nimmt nach kurzer Beratung mit Eltern und Anwältin das Urteil an, Staatsanwältin und Privatbeteiligtenvertreter verzichten auf Rechtsmittel, das Urteil ist rechtskräftig.
Zusätzlich zur derzeit teilbedingten Haftstrafe muss der Angeklagte die Prozesskosten in der Höhe von 1.200 Euro übernehmen, weitere rund 35.300 Euro werden den Angehörigen der beiden Toten sowie der schwer verletzten Freundin zuerkannt. Diese muss der Angeklagte binnen 14 Tagen bezahlen.
Angehörige nach Urteil verzweifelt
Nach der Urteilsbegründung bricht es aus der Mutter des bei dem Unfall getöteten 36-jährigen Mannes unter Tränen hervor: "So ein mildes Urteil für zwei Tote. Ist denn ein Menschenleben gar nichts mehr wert? Unser Leben ist völlig eingeschränkt, er hat unseren Sohn getötet. Dass er jetzt ein paar Kurse hält bringt gar nichts. Aber er spaziert durch die Gegend."
Diese Familie hat nun bereits den zweiten Sohn bei einem Unfall verloren.
Der Richter versucht, zu erklären: "Bei dem Urteil geht es nicht um Vergeltung." Und er versichert der betroffenen Frau, die danach auch noch Trost bei der Staatsanwältin sucht: "Ich weiß das aus eigner Erfahrung, die jungen Leute hören da wirklich angespannt zu." Deshalb erziele gerade diese Art des Umgangs eine große präventive Wirkung. Für andere Jugendliche, aber auch für den heute - mild - verurteilten 17-Jährigen.
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