Das Archiv wird bei der Erforschung dieses Kapitels auch auf externe wissenschaftliche Experten zurückgreifen, etwa auf das Institut für Legal Gender Studies an der Johannes-Kepler-Universität Linz oder auf das Zentrum für queere Geschichte in Wien.
In einem ersten Schritt werden alle Daten erfasst, um diese systematisch analysieren zu können. So sollen möglichst viele Namen von verfolgten Menschen erfasst werden, um anhand deren Biografien die systematische Verfolgung sichtbar zu machen. Schuster: „Es geht darum, herauszufinden, wer die betroffenen Frauen und Männer waren und wie sie in die Nazi-Maschinerie geraten sind.“
Viele Einzelschicksale
Dabei soll herausgefunden werden, ob es in Linz besonders aktive Gestapo-Leute gegeben hat, und wie Gerichte und Staatsanwaltschaften agiert haben. Auch wird erforscht, ob sich in der Zeit Einzelpersonen besonders „hervorgetan“ haben.
Durch die Erfassung von Richtern, Zeugen und Zeuginnen, Tatbeteiligten etc. könnten bisher unentdeckte Zusammenhänge und persönliche Netzwerke aufgedeckt werden, wie das bei den Wiener Projekten „Namentliche Erfassung der homosexuellen und transgender NS-Opfer aus Wien“ und „Die Strafverfolgung homosexueller Handlungen durch die NS-Militärgerichtsbarkeit in Wien“ der Fall gewesen sei.
So wird ein Aspekt der Arbeit sein, wie Homosexualität in der Zeit des Nationalsozialismus als Denunziationsgrund eingesetzt wurde – am Beispiel des Linzer Ordens der Barmherzigen Brüder, die besonderen Repressalien ausgesetzt waren.
Ebenso wird die Verfolgung weiblicher Homosexueller, laut Schuster eine österreichische Besonderheit innerhalb des nationalsozialistischen Deutschen Reichs, in einem Beitrag aufgearbeitet.
Ergebnisse liegen 2026 vor
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen bis 2026 vorliegen. Der Schwerpunkt wird dabei zwar auf der Darstellung anonymisierter Einzelfälle aus der Zeit des Nationalsozialismus liegen, die einen Einblick in die Situation der Verfolgten gibt. Es wird jedoch auch die Zeit vor 1938 und nach 1945 beleuchtet.
Die beiden zuständigen Stadträtinnen, Vizebürgermeisterin Tina Blöchl (SPÖ) und Eva Schobesberger (Grüne) sehen in der Aufarbeitung dieses Themas „einen historischen Moment“, bei dem „Neuland für Linz“ betreten werde. Denn gerade im Umgang bei der Verfolgung und Diskriminierung homosexueller Menschen habe es im Nationalsozialismus, aber auch davor und lange danach massive blinde Flecken gegeben, sind sich die beiden Politikerinnen einig.
Diese wissenschaftliche Aufarbeitung sei die Basis, wie Linz der im Nationalsozialismus verfolgten Gruppe gedenken wird. Das könne in Form eines Denkmals erfolgen, aber auch als eigener Platz in Linz.
HOSI Linz ist erfreut
Michael Müller, Vereinssprecher der HOSI Linz, zeigt sich über die Entwicklung erfreut: „Seit 1984 hängt ein von allen Homosexuellen Initiativen Österreichs gemeinsam gestifteter Gedenkstein in Form eines Rosa Winkels an der ‚Klagemauer‘ der Gedenkstätte Mauthausen. Gerade aber die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels unserer Geschichte ist in Oberösterreich bisher weitestgehend ausgebleiben."
Deshalb sei es umso wichtiger gewesen, die Stadt Linz darauf hinzuweisen, dass es hier Handlungsbedarf gibt, erklärt Müller: "Es freut uns daher sehr, dass der Stadtsenat beschlossen hat, die Verfolgungsgeschichte homosexueller Menschen in Linz während der NS-Herrschaft wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Dies, zusammen mit einem noch zu findenden öffentlichen Gedenkort an die homosexuellen Opfer des NS-Terrors, soll eine späte Anerkennung des so vielfach erlittenen Unrechts sein.“
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