Homosexuelle in Linz: Die nicht beleuchteten NS-Opfer

Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte, auf das in den kommenden drei Jahren der Scheinwerfer gerichtet wird: Die Stadt Linz erforscht im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes die Verfolgung homosexueller Personen unter dem NS-Regime.
Gerade die Stadt Linz als „Lieblingsstadt“ von Adolf Hitler habe eine besondere Verantwortung, und dieser Aspekt der Gräueltaten des Nationalsozialismus habe bei der bisherigen Aufarbeitung dieser Zeit lediglich in Randnotizen Eingang in wissenschaftliche Arbeiten gefunden.
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Das Projekt wurde nun von SPÖ-Vizebürgermeisterin Tina Blöchl, Stadträtin Eva Schobesberger (Grüne) und Walter Schuster, dem Leiter des Linzer Archivs präsentiert.
Der Linzer Stadtsenat hat am Donnerstag einstimmig die Umsetzung dieses 90.000-Euro-Projektes beschlossen. Die Erforschung der Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus in Linz wird über die Auswertung vorliegender Gerichtsakten im Oberösterreichischen Landesarchiv erfolgen.
Walter Schuster, Leiter des Linzer Archivs, war bei den Vorarbeiten zu diesem Projekt überrascht, wie viele Daten eigentlich vorhanden sind: „Es gibt eine gute Quellenlage, nur ist die Frage nach der Verfolgung homosexueller Menschen wissenschaftlich nicht erforscht worden.“

Das Archiv wird bei der Erforschung dieses Kapitels auch auf externe wissenschaftliche Experten zurückgreifen, etwa auf das Institut für Legal Gender Studies an der Johannes-Kepler-Universität Linz oder auf das Zentrum für queere Geschichte in Wien.
In einem ersten Schritt werden alle Daten erfasst, um diese systematisch analysieren zu können. So sollen möglichst viele Namen von verfolgten Menschen erfasst werden, um anhand deren Biografien die systematische Verfolgung sichtbar zu machen. Schuster: „Es geht darum, herauszufinden, wer die betroffenen Frauen und Männer waren und wie sie in die Nazi-Maschinerie geraten sind.“
Viele Einzelschicksale
Dabei soll herausgefunden werden, ob es in Linz besonders aktive Gestapo-Leute gegeben hat, und wie Gerichte und Staatsanwaltschaften agiert haben. Auch wird erforscht, ob sich in der Zeit Einzelpersonen besonders „hervorgetan“ haben.
Durch die Erfassung von Richtern, Zeugen und Zeuginnen, Tatbeteiligten etc. könnten bisher unentdeckte Zusammenhänge und persönliche Netzwerke aufgedeckt werden, wie das bei den Wiener Projekten „Namentliche Erfassung der homosexuellen und transgender NS-Opfer aus Wien“ und „Die Strafverfolgung homosexueller Handlungen durch die NS-Militärgerichtsbarkeit in Wien“ der Fall gewesen sei.
So wird ein Aspekt der Arbeit sein, wie Homosexualität in der Zeit des Nationalsozialismus als Denunziationsgrund eingesetzt wurde – am Beispiel des Linzer Ordens der Barmherzigen Brüder, die besonderen Repressalien ausgesetzt waren.
Ebenso wird die Verfolgung weiblicher Homosexueller, laut Schuster eine österreichische Besonderheit innerhalb des nationalsozialistischen Deutschen Reichs, in einem Beitrag aufgearbeitet.
Ergebnisse liegen 2026 vor
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen bis 2026 vorliegen. Der Schwerpunkt wird dabei zwar auf der Darstellung anonymisierter Einzelfälle aus der Zeit des Nationalsozialismus liegen, die einen Einblick in die Situation der Verfolgten gibt. Es wird jedoch auch die Zeit vor 1938 und nach 1945 beleuchtet.
Die Anfänge
Die Verfolgung homosexueller Menschen reicht ins Mittelalter zurück. Erst 1787 hob Kaiser Joseph II. die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen auf
Nazi-Zeit
Die Strafdrohung für homosexuelle Handlungen betrug bis zu zehn Jahre Kerker, Verurteilte wurden – mit einem „rosa Winkel“ – gekennzeichnet ins Konzentrationslager gesteckt
Nach dem Krieg
1955 erreicht die Zahl der wegen Homosexualität Verurteilten ihren Höhepunkt, erst 1971 wurde der Paragraph gestrichen
Die beiden zuständigen Stadträtinnen, Vizebürgermeisterin Tina Blöchl (SPÖ) und Eva Schobesberger (Grüne) sehen in der Aufarbeitung dieses Themas „einen historischen Moment“, bei dem „Neuland für Linz“ betreten werde. Denn gerade im Umgang bei der Verfolgung und Diskriminierung homosexueller Menschen habe es im Nationalsozialismus, aber auch davor und lange danach massive blinde Flecken gegeben, sind sich die beiden Politikerinnen einig.
Diese wissenschaftliche Aufarbeitung sei die Basis, wie Linz der im Nationalsozialismus verfolgten Gruppe gedenken wird. Das könne in Form eines Denkmals erfolgen, aber auch als eigener Platz in Linz.
HOSI Linz ist erfreut
Michael Müller, Vereinssprecher der HOSI Linz, zeigt sich über die Entwicklung erfreut: „Seit 1984 hängt ein von allen Homosexuellen Initiativen Österreichs gemeinsam gestifteter Gedenkstein in Form eines Rosa Winkels an der ‚Klagemauer‘ der Gedenkstätte Mauthausen. Gerade aber die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels unserer Geschichte ist in Oberösterreich bisher weitestgehend ausgebleiben."
Deshalb sei es umso wichtiger gewesen, die Stadt Linz darauf hinzuweisen, dass es hier Handlungsbedarf gibt, erklärt Müller: "Es freut uns daher sehr, dass der Stadtsenat beschlossen hat, die Verfolgungsgeschichte homosexueller Menschen in Linz während der NS-Herrschaft wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Dies, zusammen mit einem noch zu findenden öffentlichen Gedenkort an die homosexuellen Opfer des NS-Terrors, soll eine späte Anerkennung des so vielfach erlittenen Unrechts sein.“
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