5 Buchtipps: Mit Kindern über den Tod reden? Das geht!
Julia Dobretsberger ist Bestatterin in Linz – und Buchliebhaberin. Sie erklärt, warum Bücher Unterstützung beim Trauern sein können und gibt Literatur-Tipps.
Plötzlich ist er nicht mehr da. Sie kommt nie mehr wieder. Die Endgültigkeit des Todes rational zu begreifen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, nicht nur für Erwachsene. Für Kinder genauso.
„Trauer ist ein wertvolles Gefühl. Sie zeigt, dass man die Person lieb gehabt hat.“
Julia Dobretsberger ist Bestatterin mit einem besonderen Hobby. Sie liebt Bücher und setzt sie immer wieder im familiengeführten Bestattungsunternehmen in Linz ein.
850 Begräbnisse hat das Bestattungsinstitut pro Jahr, Julias Mann Martin ist mittlerweile auch als freier Trauerredner sehr gefragt. Rund 150 Einsätze hat er diesbezüglich pro Jahr, Tendenz steigend.
Bücher sind geduldig
Bei Gesprächen mit Trauernden macht die ehemalige Polizistin regelmäßig die Türen des Bücherschranks auf : „Ich entscheide in der Situation, was passen könnte.“ Aber wie können Bücher dabei helfen, mit Kindern über den Tod zu sprechen?
„Bücher sind geduldig. Wir können sie dann zur Hand nehmen, wenn uns danach ist, wenn es passt. Sie warten auf uns.“
Man müsse das nicht in den vollen Alltag packen, sondern könne sich als Familie bewusst Zeit nehmen, gemeinsam zu lesen, zu schauen und dann zu reden. „Es macht auch Sinn, die Bücher aufzulegen und die Kinder selbst entscheiden zu lassen, ob und wann sie reinschauen möchten.“
"Wir beschäftigen uns mit dem Leben"
Prinzipiell sei Trauer ein wertvolles Gefühl mit vielen Facetten: „Das darf sich zum Beispiel auch in einer Trauerfeier zeigen. Wenn wir merken, dass Kinder dabei sind, gehen wir gezielt darauf ein. Da darf gelacht werden, die Kinder werden bewusst in die Verabschiedung integriert. Wir beschäftigen uns ja nicht nur mit dem Tod, sondern vor allem mit dem Leben.“
Der Abschied finde nicht nur am Friedhof statt, sondern sei ein Prozess, „vergleichbar mit Liebeskummer. Es verschwindet ein geliebter Mensch aus dem Leben“, so Dobretsberger.
Platz für Trauer
Es sei sinnvoll, die Trauer in das Leben zu integrieren, speziell bei Festen, wie etwa zu Weihnachten: „Da kann man sich als Familie fragen: Wie schaffen wir es, der Trauer einen Raum zu geben?“
Was die Bücher betrifft, hat Julia Dobretsberger Testerinnen und Tester in der eigenen Familie: Die meisten Exemplare landen zuerst in den Händen ihrer Kinder: Allegra, 10, und Tizian, 8. „Da merke ich manchmal, dass ein Buch, das mich sehr anspricht, für Kinder vielleicht gar nicht funktioniert. Und umgekehrt.“
Für den KURIER hat die Bestatterin fünf besondere Exemplare ausgewählt: „Viele Kinderbücher helfen Erwachsenen genauso. In der Trauer sind wir auf dem Niveau des inneren Kindes. Da braucht es keine komplizierten Botschaften.“
Buchtipp 1: Einfach mal wütend auf die Welt sein
Niemand weiß, warum das Mädchen mit der großen, roten Handtasche brüllend und wütend durch die Gegend streift. Bis endlich mal jemand fragt und erfährt: Elvis, der Kanarienvogel, ist tot und in der Tasche.
Das Buch ist mit wenig Text und großen, einprägsamen Bildern gestaltet. „Kinder erleben diese Gefühle wie Wut und Trauer beim Abschiednehmen vielleicht das erste Mal“, sagt Bestatterin Julia Dobretsberger. Oft fehlen die Worte auszudrücken, wie sich das anspürt.
„Gehört das so?“ zeigt auf simple, aber eindrückliche Weise, wie man sich verabschieden kann – und dass man das niemals alleine machen muss. Ein Trostbuch voll Poesie, Empfehlung!
Peter Schüssow: Gehört das so?, Carl Hanser Verlag, 16,90 €, Altersempfehlung: Kindergarten aufwärts
Buchtipp 2: Kindgerecht Fakten zum Tod erklärt
Das Format dürfte den meisten Kindern bekannt sein. Wieso? Weshalb? Warum? – Diese Bücher finden sich in vielen Haushalten. Der Band, der sich mit dem Tod beschäftigt, ist wie gewohnt interaktiv gestaltet. Es gibt Klappen, die sich öffnen lassen. Wenn also zum Beispiel erklärt wird, was eine Aufbahrung ist, können Kinder selbst entscheiden, ob sie Klappe öffnen und schauen wollen, wie Oma aufgebahrt ist – oder eben nicht.
Die Hauptperson im Buch ist übrigens kein Mann, sondern eine Bestatterin. Und wie Verabschiedungen in verschiedenen Religionen begangen werden, wird auch aufgezeigt. Interaktiv informativ.
Patricia Mennen: Wieso? Weshalb? Warum?, Band 42: Abschied, Tod und Trauer, 14,99 €, Alter: vier bis 7 Jahre
Buchtipp 3: Großen Gefühlen einen Namen geben
Es ist eine Trilogie über Gefühle. Angst, Wut und Trauer. Alle drei gehören beim Abschiednehmen dazu, alle drei hat ihren Elisa Eckartsberg in Büchern prägnant und nachvollziehbar in Figuren gegossen. In „Vertrau’ mir, flüstert die Traurigkeit“ bekommen diese großen Gefühle Namen, werden somit begreifbarer.
„Trauer ist kein isoliertes Gefühl, sondern hat viele Facetten“, sagt Bestatterin Julia Dobretsberger. Wer mag, kann sich aus dem Buch Vorschläge mitnehmen, wie man mit Trauer umgehen kann. Kinder und Erwachsene profitieren gleichermaßen vom Inhalt. Gemeinsam anschauen, durchlesen und darüber reden, macht hier viel Sinn.
Elisa Eckartsberg: Vertrau’ mir, flüstert die Traurigkeit, Juniek Verlag, 21,50 €, Altersempfehlung: 5 bis 12 Jahre
Buchtipp 4: Gemeinsame Erinnerungen festhalten
Welcher gemeinsame Sommerabend ist in Erinnerung geblieben? Wie könnte der Soundtrack deines Lebens lauten? Was war dein Lieblingsrezept? Das Erinnerungsbuch stellt Fragen und fordert heraus, erlebte Momente festzuhalten.
„Das ist eine Schatzkiste in Buchform, aber natürlich auch eine Gefühlsachterbahn“, weiß Julia Dobretsberger. Mit dem Befüllen der Seiten bringe man dem Verstorbenen Wertschätzung entgegen, „aber natürlich macht man so etwas hauptsächlich für sich selbst“. Das Buch ist wunderschön und ansprechend gestaltet, die Ideen zum Erinnern sind kreativ und speziell.
Sabine Bohlmann: Wolke 8 – Meine Erinnerungen an dich, EMF Verlag, 13,90 €, für Jugendliche und Erwachsene
Buchtipp 5: Kuriose Tode und spannende Rituale
Ein Buch für superneugierige Menschen: „Bei diesem Buch mussten wir lachen, obwohl wir so traurig waren“, ist nur eines der Feedbacks. „Erwachsene sind beim Trauern auf diesem Niveau des inneren Kindes, deswegen spricht es auch sie an“, sagt Bestatterin Dobretsberger.
Wie fühlt sich Sterben an? Was passiert dabei mit dem Körper? Wie funktioniert ein Krematorium und was genau macht eine Bestatterin? In einer gelungenen Mischung aus Sachlichkeit und Herzlichkeit, tiefem Ernst und entlastenden Witzen geht es um spannende Rituale, kuriose Todesfälle, die Erlebnisse eines Friedhofsgärtners, die Trauer der Tiere und vieles mehr.
Katharina der Gathen: Radieschen von unten.Klett Kinderbuch, 23,50 €, Altersempfehlung: Unterstufe aufwärts
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