Leitl: "Europa muss sich von den USA emanzipieren“

Christoph Leitl & Roman Sandgruber
Christoph Leitl, der frühere Präsident der Bundeswirtschaftskammer, schlägt einen europäischen Sicherheitsrat vor. Alle Subventionen in Österreich sollten auf Null gestellt und neu begründet werden müssen.

Christoph Leitl ist ein Europäer der ersten Stunde. Lange bevor er politische Ämter bekleidete, setzte er sich für die europäische Einigung ein.

Auch im Ruhestand lässt die Entwicklung den 76-Jährigen nicht los. „Amerika setzt kombiniert seine Stärken ein, seine wirtschaftliche, politische und militärische Stärke“, sagt er im Gespräch mit dem KURIER, dem auch der Historiker Roman Sandgruber beiwohnt.

Wo bleibt Europa?

Die EU verfüge nur über wirtschaftliche Stärke. Die USA seien darüber hinaus noch einmal durch die Stärke des Dollars im Vorteil. Asien wachse rasch. „Europa droht zwischen den autoritären Blöcken Trump und Xi Jinping unter die Räder zu kommen.“ Europa habe Stärken im Bildungssystem und in den Talenten der Menschen. Als Beispiel nennt er den KI-Wissenschafter Josef Hochreiter.

USA sind ein Problem

Wie soll Europa mit den USA, von Trump geprägt, umgehen? „Wir müssen uns von den USA emanzipieren. Das ist die einzige Überlebenschance. Sonst hüpfen uns Trump und seine Nachfolger wie der Herr Vance auf der Nase herum. Da wissen wir heute nicht, was ihnen morgen einfällt“, sagt Leitl.

Um die militärischen Schwächen auszugleichen, sollte ein europäischer Sicherheitsrat gebildet werden, dem alle europäischen Staaten angehören sollten. Leitl: „Eine europäische Armee ist derzeit nicht realistisch. Eine Kooperation der europäischen Armeen ist notwendig und sinnvoll.“ Man sollte parallel zur NATO eine militärische Strategie aufbauen. Werden das die Amerikaner tolerieren, fragt Sandgruber. Leitl: „Das ist mir egal, sie fragen uns Europäer auch nicht.“ Europa sollte sich auch von den USA nicht in den Kampf mit China hin einziehen lassen, „weil wir sonst die Bezahler der Rechnung sind“.

Politisch ist Europa aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips geschwächt. Leitl befürwortet dessen Abschaffung, es liege am deutschen Kanzler Merz und am französischen Präsidenten Macron, mit Lead-Management voranzugehen. „Sie sollen sagen, wir beginnen, und wer sich anschließen will, ist willkommen. So haben der Euro und Schengen gestartet.“ Trotz der EU-Verträge, die die Einstimmigkeit festschreiben, könne man vorausgehen. „Ich sehe ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten als einzige Möglichkeit, dass wir vorwärtskommen.“

EU gut im Moralisieren

Europa müsse attraktiv werden, in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht. Europa werde in der Welt als verlässlicher Partner gesehen, Island wolle beitreten, die Schweiz wolle ein Freihandelsabkommen. „Europa soll sich mit den Ländern des Südens verbinden. Mit Brasilien und Indien, die vor den Kopf gestoßen werden.“

Zur CO2-Reduktion meint Leitl. es brauche ein handlungsfähiges Europa, weil die großen Probleme globale Probleme seien. Wie die Energiekrise. „Europa ist beim weltweiten CO2-Ausstoß mit neun Prozent ein Zwerg. Glauben wir, dass wir die Welt retten können? Gleichzeitig ruinieren wir die eigene Wirtschaft durch überzogene Dinge, wie den Bürokratieausstoß. Wir sind gut im Moralisieren und im Erheben des Zeigefingers gegen andere. Das ist eine Form von Überheblichkeit.

Aus für Subventionen

Zu Innenpolitik will sich Leitl nicht äußern. Nur so viel. Er würde alle Subventionen auf null stellen, künftig müssen jede Subvention transparent begründet werden.

Kommentare