„Lasse mir von Stelzer keine Bedingungen stellen“

Paul Kimberger: „Die Unabhängigkeit ist uns wichtig. Der Spielraum des CLV wurde größer.“
Paul Kimberger. Der Lehrergewerkschafter antwortet Landeshauptmann, Wirtschaft und Industrie, die ihm die Funktion des Bildungsdirektors verweigert haben.

Paul Kimberger (51) vertritt als Vorsitzender der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer 126.000 PädagogInnen und als Landesobmann des Christlichen Lehrervereins (CLV) OÖ 14.000 Mitglieder.

KURIER: Warum haben Sie sich nicht um die Position des Bildungsdirektors beworben? Sie galten als Favorit.

Paul Kimberger: In den Verhandlungen zur Bildungsreform 2017, die weder etwas mit Autonomie noch mit Pädagogik zu tun hat, hätte es bessere Lösungen gegeben als die Bildungsdirektion, die wir jetzt bekommen. Deswegen war es für mich nicht mehr wirklich attraktiv.

Der zweite Grund ist, dass ich ein Gestalter und kein Verwalter bin. Der Gestaltungsspielraum des zukünftigen Bildungsdirektors ist ein zu kleiner.

War die Abschaffung des Landesschulratspräsidenten ein Fehler?

Es hätte Verbesserungspotenzial gegeben. Ich halte es für einen Fehler, dass man die politische Funktion des Landesschulratspräsidenten abgeschafft hat.

Landschulratspräsident Fritz Enzenhofer sagt, man spricht von Autonomie und meint Zentralisierung.

Es ist ein Organisations- und Strukturpaket. Die Länder haben nicht gut verhandelt.....

.....Ländervertreter war der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer......

Wir haben ihnen das auch gesagt.

Wieso waren Sie nicht eingebunden?

Das war eine politische Entscheidung zwischen der Ministerin Sonja Hammerschmied, Mahrer und den Ländervertretern. Es haben damals bei mir die Alarmglocken geläutet, als Häupl und Niessl als Ländervertreter ausgestiegen sind. Man hätte weit besser verhandeln können. Die Bundesebene hat maßgebliche Kompetenzen an sich gezogen. Die Länder wurden geschwächt. Das wird eine nachhaltige Wirkung haben.

Welche?

Viele Entscheidungen fallen auf Bundes- und nicht mehr auf Länderebene. Das halte ich für den kleinstrukturierten Pflichtschulbereich für nicht gut. Allein in Oberösterreich gibt es 890 Pflichtschulen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine kleine Volksschule im Mühlviertel von Wien aus gesteuert werden kann. Wir brauchen eine pädagogische Versorgung möglichst nahe am Standort.

Wirtschaft und Industrie haben sich gegen die Bestellung eines CLV-Mannes als Direktor ausgesprochen mit dem Argutment, es könne nicht sein, dass hier ein Gewerkschafter zum Zug kommt.

Ich halte das für falsch. Jeder kann sich etwas wünschen. Es gibt für mich keinen Grund, warum ein Gewerkschafter sich nicht für öffentliches Amt bewerben sollte. Wenn jahrelange Erfahrung in höchsten Funktionen, wenn jahrzehntelanges Knowhow in der Pädagogik ein Hindernis für eine Funktion sein sollte, dann haben gewisse Leute etwas nicht verstanden. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Landeshauptmann Thomas Stelzer hat die Funktionen ursprünglich für vereinbar gehalten, dann nicht mehr. Haben Sie mit ihm darüber diskutiert?

Ja, ich habe mehrmals darüber mit ihm gesprochen. Er hat sich dafür entschieden, dass er diese Doppelfunktion nicht mehr haben möchte. Ich sage aber dazu auch mit Selbstbewußtsein, das ich aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit habe, ich lasse mir keine Bedingungen stellen. Ich werde mich auch weiterhin, wenn es sein muss, sehr kritisch in die Bildungsdiskussion einbringen.

Wenn wir in der Schule nur mehr alles auf Ausbildung und auf den Arbeitsmarkt ausrichten, wo wir noch gar nicht wissen, wie er in fünf, zehn oder 15 Jahren aussehen wird, dann läuft etwas falsch. Mir geht es um Menschenbildung und um die Begabungen unserer Kindern. Sie müssen in der vollen Bandbreite ausgebaut werden. Das mag sein in Schreiben, Lesen und Rechnen, aber in Zeiten wie diesen geht es um viel mehr. Es geht um Ethik, um Werte, Moral, gutes Benehmen, bis hin zur Rechtsstaatlichkeit. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr in unserem Land. Deswegen setze ich ich ganz stark auf eine humanistische Bildung als Gegenbild zur Kompetenzorientierung auf den Arbeitsmarkt.

Ihre Organisation mit 14.000 Mitgliedern wird plötzlich von der wesentlichsten Schulposition im Land ausgeschlossen. Das muss doch zu Spannungen führen.

In der Organisation hat man diesen Fahrplan des Landeshauptmannes im ersten Moment mit einer Irritation aufgenommen. Man hat es auch nicht verstanden. Aber dann ist es relativ schnell zu einem Umdenkprozeß gekommen. Wir haben eine breite Online-Umfrage durchgeführt, bei der herausgekommen ist, dass uns parteipolitische Unabhängigkeit wichtig ist. Uns ist es sogar lieber, wenn in den Spitzenfunktionen keine Personalunion mehr besteht, weil sich der inhaltliche, politische und pädagogische Spielraum deutlich verbreitert.

Der neue Bildungsdirektor Alfred Klampfer, dessen Kandidatur ich von Anfang an sehr unterstützt habe, ist Mitglied des CLV. Auf ihn warten große Herausforderungen.

Welche?

Es gilt jetzt einmal die neue Behörde strukturell aufzubauen. Das ist keine einfache Angelegenheit. Weil zusätzliche Bereiche wie der Kindergarten in die neue Behörde integriert werden. Wie schaut zukünftig die Schulaufsicht aus, wie die neuen fünf Bildungsregionen?

Wirtschaft und Industrie sehen in der Lehrergewerkschaft Blockierer, die sich jeglichen Veränderungen widersetzen.

Ich formuliere es anders. Wir sagen nicht zu jeder Änderung ja. Eine Änderung um der Änderung Willen bedeutet nicht automatisch etwas Besserer als das, was wir haben. Wir haben ein hervorragendes Schulsystem, das wir verbessern können. Es hat mir aber noch nie jemand erklären können, warum Österreich zu einem der besten, sichersten, sozialsten Ländern der Erde geworden ist. Dafür sind nicht die Wirtschaftskapitäne verantwortlich, sondern die Menschen, die alle durch unsere Schulen gegangen sind. Sie konnten sich nicht nur beruflich, sondern auch menschlich so qualifizieren, dass wir in einem so großartigen Land leben dürfen.

Ich bin permanent im Dialog mit Wirtschaft und Industrie. Es gibt aber Dinge, die im Sinne der Menschenbildung nicht ganz in Richtung der Wirtschaft laufen. Meine Lehrerinnen und Lehrer, viele Eltern und Schüler etwarten, dass ich mich in diese Richtung äußere. Die erfolgreichen Ideen in der Schulreform der vergangenen Jahre sind aus den Reihen der Lehrervertretung gekommen.

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