"Konsument greift meist zum billigeren Fleisch"

Michaela Langer-Weninger ist Bäuerin
Die Landwirtschaft setzt auf regionale Produktion mit hohen Standards bei der Produktion und der Verarbeitung, sagt Präsidentin Michaela Langer-Weninger im Interview.

Michaela Langer-Weninger ist seit einem Jahr Präsidentin der Landwirtschaftskammer (33.000 bäuerliche Betriebe, Anm.) und seit 2009 ÖVP-Abgeordnete zum Landtag, aus dem sie nächstes Jahr ausscheiden wird. Die 41-Jährige stammt aus Litschau (Bez. Gmünd) und bewirtschaftet mit ihrem Mann Leopold einen Bio-Heumilch-Betrieb mit 20 Hektar Grünland in Loibichl in der Gemeinde Innerschwand am Mondsee. Die beiden haben drei Kinder: Sofia (20), Jakob (19) und Samuel (14).

KURIER: Vor 40, 50 Jahren lebten die Schweine vergleichsweise gut. Sie wurden meist von den Bäuerinnen aus dem Saueimer gefüttert, sie lagen vielfach im Stroh, im Sommer wälzten sie sich im Freien in der Saudraht. Heute sind sie in Fertigställen in Kojen eingepfercht, kein Freilauf, sie werden automatisiert gefüttert und nach mehreren Monaten mit rund 100 kg zum Schlachthof gebracht. Haben sich die Bauern nicht selbst zum Teil der Fleischindustrie gemacht?

Michaela Langer-Weninger: Es gibt mehrere Aspekte. Die Betriebe haben sich spezialisieren müssen, damit sie möglichst effizient über die Runden kommen und trotzdem ein Einkommen erwirtschaften können. Andererseits gibt es den Trend zur Regionalität, den wir fordern und unterstützen. Wir sind froh, dass die Corona-Krise das Bewusstsein in diese Richtung schärft. Die Produktion in Österreich hat hohe Standards im Tierschutz und in der Umwelt, höhere als in vielen anderen Ländern Europas.

Es gibt Projekte wie das Strohschwein, an der sich viele Bauern beteiligen möchten. Wir stehen aber vor dem Problem, dass wir dieses Fleisch im Lebensmittelhandel nicht verkaufen können, weil es teurer ist. Der Konsument greift meistens zum billigeren Fleisch. Auch wenn er uns auffordert, dass das Schwein auf dem Stroh liegen und einen Auslauf haben muss. Aber im Supermarkt trifft er eine andere Entscheidung. Das ist die Schwierigkeit, vor der wir stehen. Auch in der Produktion selbst. Die Bauern wären grundsätzlich zu höheren Auflagen bereit, aber diese müssen über den Marktpreis oder öffentliches Geld abgesichert werden. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

In Deutschland schlägt eine Reformkommission unter dem Vorsitz des früheren Landwirtschaftsministers Jochen Borchert die Einführung eine Tierwohlabgabe vor. Bei Fleischprodukten soll ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilo erhoben werden, auf Milch und Eier zwei Cent und auf Käse und Butter 15 Cent je Kilo. Das Geld soll den Tieren ein besseres Leben in den Ställen ermöglichen: mehr Platz, mehr Luft, mehr Licht, mehr Ablenkung.

Diese Diskussionen gibt es immer wieder. Ich sehe den Vorschlag kritisch, denn wenn der Staat Steuern einhebt, ist nicht gesichert, wohin das Geld fließt. Selbst wenn die Steuer zweckgewidmet ist, besteht die Gefahr, dass eine neue Regierung das Geld anderweitig verwendet. Wer bezahlt dann die Auflagen?

Wir müssen das Bewusstsein schärfen, damit auch die öffentlichen Einrichtungen sagen, wir wollen regionale und saisonale Lebensmittel, indem man den Markt belebt.

Das greift aber nur teilweise.

Das Regierungsübereinkommen sagt, es sollen regionale und saisonale Lebensmittel in allen vor- und nachgelagerten Bereichen eingesetzt werden. Das haben wir noch nie gehabt. Der günstigere Anbieter ist nach dem Bestbieterprinzip bisher immer zum Zug gekommen, auch wenn er aus dem Ausland gekommen ist. Wir wollen 100 Prozent regionale und saisonale Lebensmittel in allen öffentlichen Einrichtungen. Nun haben wir als Landwirtschaft unsere Aufgaben zu machen, damit wir sie auch liefern können.

Wo gibt es Defizite?

Bei Milch, Rind- und Schweinefleisch haben wir eine gute Selbstversorgung. Bei Obst und Gemüse haben wir Nachholbedarf. Derzeit haben wir hier nur 50 Prozent Eigenversorgung. Wir werden wegen der klimatischen Verhältnisse nie 100 Prozent abdecken können.

Neben der Verpflichtung zu regionalen Lebensmitteln kommt 2021 noch die Herkunftskennzeichnung in den Gemeinschaftsküchen für die Leitprodukte Milch, Fleisch und Eier. Die Lokale in den Gemeinschaftsverpflegungen müssen dann ausschildern, ob das Putenfleisch aus Österreich oder der Ukraine kommt. Das wird Auswirkungen auf das Bewusstsein haben, sowohl bei den Köchen und als auch bei den Konsumenten.

Früher haben die Bauern noch am Hof geschlachtet bzw. die Tiere kamen zum lokalen Metzger. Die EU hat die Bestimmungen für das Schlachten massiv verschärft, mit der Folge, dass es heute nur noch industrielle Großschlächtereien gibt und die Tiere über längere Strecken transportiert werden müssen.

Die Vorschriften haben den Strukturwandel auch in diesem Bereich beschleunigt. Gerade in der Corona-Krise zeigt sich, dass die Nachfrage bei den bäuerlichen Direktvermarktern steigt. Wir müssen schauen, dass wir das in Zukunft noch stärker anbieten können. Es hilft uns wenig, wenn es jetzt nur eine kurze Welle gibt. Es sind viele neue Geschäftsformen entstanden wie zum Beispiel Automatenverkauf oder Zustellservice. Wir von der Kammer wollen hier die Beratung ausbauen, denn der Bauer braucht die Sicherheit, wie das funktioniert, was das in der Hygiene bedeutet, was das in der Produktbearbeitung heißt. wie die Etikettierung aussehen soll etc.

Wird die Diskussion um die Fleischindustrie, die vor allem rund um Tönnies in Deutschland ausgebrochen ist, dazu führen, dass künftig weniger Schweine gehalten werden?

Die Diskussion wirkt nach Österreich herein. Aber wir haben nicht die Schlachthöfe in der Dimension wie die Deutschen. Die Schlachthofmitarbeiter sind dort nicht so gut sozial abgesichert wie bei uns. Sie arbeiten billiger und deshalb sind die dortigen Betriebe wettbewerbsstärker, was uns immer in Zugzwang bringt. Ähnlich ist es bei den Erntehelfern. Sie kosten die deutschen Bauern weniger und der Helfer selbst verdient mehr. Das verzerrt den Wettbewerb.

Obwohl der Wettbewerb für uns schwieriger ist, bin ich trotzdem froh über die bessere Situation für die Mitarbeiter. Denn das kann uns in der Summe bei den regionalen Produkten nur helfen.

Ich glaube nicht, dass auf lange Sicht weniger Schweinefleisch gegessen wird. Letzten Endes ist der Österreicher ein Fleischtiger (der durchschnittliche Österreicher isst pro Jahr 37 kg Schweinefleisch, 13 kg Geflügel, 12 kg Rindfleisch und 1 kg Schaf- und Ziegenfleisch, Anm..).

Für uns ist es wichtig, dass das Fleisch regional produziert wird, wir haben hohe Auflagen, auch bei der Verarbeitung. Auch wenn der Wettbewerb schwierig ist, kann uns das in der Argumentation nur helfen.

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