Kardinal Nemet kritisiert die Rechtspopulisten

Kardinal Nemet im Büro des Rektors der Katholischen Universität Linz
Ladislav Nemet, Erzbischof von Belgrad und vor einem halben Jahr von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt, sprach in seinem Vortrag zum Thema Europa an der Theologischen Universität Linz Klartext.
„Die Explosion der identitären, pseudo-christlichen Ideologie, die sich als christlich ausgibt – insbesondere von populistischen Politikern und neofundamentalistischen Kräften – ist eine klare Negierung der evangelischen Botschaft“, sagte der 68-Jährige Mittwochabend vor den rund 100 Gästen anlässlich der Thomas-Akademie zu Ehren des Kirchenlehrers Thomas von Aquin. Vizerektorin Klara-Antonia Csiszar stellte Nemet dem Publikum vor.
„Die Atmosphäre der Angst, die diese neue Ideologie schürt, steht in krassem Widerspruch zu den Worten Jesu: Habe keine Angst, ich habe diese Welt gerettet.“ Es sei skandalös, so der Kardinal, dass kirchliche Persönlichkeiten, auch auf den höchsten Ebenen, ungerechte und sogenannte heilige Kriege unterstützten, sogar gegen Christen derselben Religion und damit den öffentlichen Diskurs von Religion lenkten und bestimmten.
Inklusiv statt exklusiv
Die zentrale Aufgabe der Christenheit bestehe darin, den Glauben sowohl verbal als auch durch Handlungen zu kommunizieren. „Das soll lebensrelevant, nicht exklusiv, sondern inklusiv, ermutigend und nicht entmutigend erfolgen. Dabei sollte die Angst vor Misserfolg oder das Gefühl, in der Minderheit zu sein, nicht hinderlich sein.“ Es sollte ein „starkes Europa“ gestaltet werden, das keine Illusion sei, „aber auch zu keinem Schlamm-Schlachtfeld der Rechtspopulisten wird“.
Gewaltiger Prozess
Zu Beginn seiner Rede sagte der Kardinal: „Wir befinden uns in einem gewaltigen Geburtsprozess, der eine neue Welt hervorbringen vermag, die jedoch noch keine klare Form angenommen hat. Viele Menschen sagen heute vielleicht, es geht nur um vier Jahre, danach wird alles zum Alten zurückkehren. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass eine Rückkehr kaum möglich sein wird.“
Europa ist für ihn, der als katholischer Ungar in der Vojvodina (autonome Provinz in Serbien mit der Hauptstadt Novi Sad) aufgewachsen und 1982 der Ordensgemeinschaft der Steyler Missionare beigetreten ist, „weit mehr als ein geografisches Konzept oder eine politische Union“, sie sei eine „Gemeinschaft, die auf einer tiefen Verwurzelung in gemeinsamen zivilisatorisch-kulturellen Werten basiert“. Dazu gehörten die „unantastbare Würde jedes einzelnen Menschen, die Freiheit, die den Respekt vor anderen einschließt, das Streben nach Gemeinwohl und die freie Religionsausübung“.
Der Orden schickte Nemet 1977 nach Polen und dann weiter nach Rom. Drei Jahre war er auch auf den Philippinen, tätig an der katholischen Universität. „Dort habe ich entdeckt, dass die Filipinos keine Ferien oder Urlaub haben, dass sie fast keine Sozial- oder Krankenversicherung besitzen, von einem Pensionsfonds nicht einmal zu reden. Da habe ich den Sozialstaat in Europa zu schätzen gelernt.“
Lebensfreude
Positiv sei die „unglaubliche Lebensfreude der Filipinos gewesen, ihr tiefer Glaube, ihre Gastfreundschaft und ihre Solidarität. Die Qualität der menschlichen Beziehungen haben andere Dimensionen als in Europa. Wir können hier viel von ihnen lernen.“
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