Kaiser-Mühlecker: „Wir müssen die guten Böden schützen“
Reinhard Kaiser-Mühlecker vor seinen Feldern
Reinhard Kaiser-Mühlecker ist Schriftsteller und Biobauer in Eberstalzell. Für seinen 2024 erschienenen Roman „Brennende Felder“ hat der 42-Jährige den Österreichischen Buchpreis erhalten.
KURIER: Sind Sie mit der Reaktion und dem Verkauf Ihres neues Buches zufrieden?
Reinhard Kaiser-Mühlecker: Ich bin meistens zufrieden, weil es gar nichts ändert, wenn man unzufrieden ist, außer dass es einem schlechter geht. Ganz objektiv betrachtet, bin ich sehr zufrieden. Ich hätte mir nicht so viel positive Resonanz erwartet, weil es ein schwieriges Buch ist.
Sie verfügen über eine große sprachliche Begabung. Woher kommt sie?
Aus der Erkenntnis, keine Sprache zu haben. Dann beschäftigt man sich damit. Wenn man merkt, man hat eigentlich nur vorgefertigte Dinge zur Verfügung. Und das, was nicht vorgefertigt ist, ist sehr mangelhaft. Auch durch das Aufwachsen hier. Sprache war Information, Sprache war, um zu .... Aber sie war nie Ausdruck von mehr, von inneren Dingen.
Gefühle, Emotionen?
Zum Beispiel. Gedanken, die darüber hinaus gehen, was konkret ist, was das Praktische betrifft. Für den emotionalen Bereich gab es keine Sprache. Als ich das bemerkt habe, fällt einem das auf wie Störung oder Behinderung. Die Auseinandersetzung mit der Sprache kommt aus der Erfahrung des Mangels.
Die bäuerliche Sprache ist eine knappe, man redet nur das, was notwendig ist.
Sie ist wahnsinnig treffend, es gibt kaum Missverständnisse. Das hat viele Vorteile.
Sie ist sehr direkt. Es bleibt nicht viel offen.
Genau. Es bleibt schon sehr viel offen, weil sehr viel ungesagt bleibt. Aber wenn gesprochen wird, dann trifft es in der Regel die Dinge auf den Punkt. Dann bleibt meistens wenig offen.
Wo haben Sie Ihre Sprache gefunden?
Durch das Lesen und das Schreiben. Und das Nachdenken darüber. Wenn Sprache wirkliche Sprache ist, dann ist sie so etwas Höchstpersönliches, dass man sie nirgends anderswo finden kann. Jenseits der vorgefertigten Dinge, der Konventionen, der Übereinkünfte ist sie etwas sehr Individuelles. Deshalb muss man sie in sich suchen und im besten Fall in sich finden. Deshalb ist jedes Buch einzigartig. Es ist wichtig, welcher Name draufsteht. Das Schreiben ist für mich der höchste Ausdruck von Individualität.
Liest Ihr Sohn Ihre Bücher?
Er wird erst zehn. Manchmal ein paar Seiten. Lieber nicht. Aber wir haben uns den Titel „Brennende Felder“ zusammen ausgedacht.
Sagt er nicht da oder dort, Papa, darüber könntest Du eine Geschichte schreiben.
Das kann schon sein. Dann würden wir darüber reden. Er denkt sich selber gerne Geschichten aus. Momentan ist James Bond der große Held und er denkt sich Erzählungen aus. Im Stil von Geheimagentengeschichten.
Reinhard Kaiser-Mühlecker in seinem Wohn- und Arbeitsraum
Bauern sind hierzulande römisch-katholisch. Was halten Sie vom neuen Papst?
Es würde mich interessieren, wie so ein Konklave abläuft. Wie der Papst ist, wird man sehen. Ich bin froh, dass jemand, der Macht hat, als Vermittler gilt. Josef Ratzinger galt nicht als Mann des Fortschritts. Die römisch-katholische Kirche hat starke Wachstumsländer, zum Beispiel in Afrika. Mit ihrer traditionellen Ablehnung der Frau, der Homosexualität und dem Schwangerschaftsabbruch hat sie in diesen Regionen wenig Gegner. Die haben sie vor allem in Mittel- und Westeuropa. In den USA weiß man es nicht mehr so genau.
Sind Sie Kirchenmitglied?
Sicher bin ich Mitglied, aber ich zahle nicht mehr. Sie sagen, ich bin nicht mehr Mitglied. Mein Austritt hat ganz praktische Gründe. Er war nicht mein Wunsch. Aber die Kirchenbeitragsstelle hat sich mir gegenüber, als ich in einer schwierigen Situation war, sehr gnadenlos verhalten. Ich will nicht bei einer Organisation sein, die so mit Menschen umgeht. Da spende ich das Geld lieber für andere Zwecke.
Extreme Typen wie Putin, Trump, Xi Jinping oder Modi regieren die Welt. Wie erleben Sie das Geschehen?
Ambivalent. Ich bin froh, dass wir noch nicht betroffen sind und hoffe, dass das so bleibt.
Es gibt eine indirekte Betroffenheit.
Ja, auch in der Landwirtschaft. Weniger in der biologischen, mehr in der konventionellen. Durch den Dünger. Wir haben es beim Getreide gemerkt. Ich bin ein Freund einer friedlichen Weltordnung. In fast allen großen Nationen sind Leute an der Macht, die nur das Eigeninteresse sehen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Es liegt auf der Hand, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann.
Den Bauern geht es in Relation zu den vergangenen Jahren besser.
Warum?
Ihre Einkommen haben sich erhöht.
Das sagt der Grüne Bericht.
Merken Sie nichts davon?
Die vergangenen Jahre waren sehr schwierig. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren keinen einzigen Cent mehr bekommen. Alles andere ist aber teurer geworden, die Futtermittel, die Versicherungen, der Diesel, die Kosten in den Werkstätten. Mir ist weniger geblieben als vorher. Die Versicherung hat uns empfohlen, uns eine andere zu suchen. Wir hatten einen Blitzeinschlag mit 20.000 Euro Schaden, wir hatten Schäden in vier unterschiedlichen Bereichen.
In Zeiten von Preissteigerungen geht die Frage nach Fleisch und nach Bio zurück. Die Konsumenten kaufen das billigere. Das merken wir sofort.
Es hat sich also für Sie verschlechtert.
Ja, dafür haben wir jetzt mehr Auflagen. Es wird einem nicht leicht gemacht, aber das ist der Markt. Da kann ich niemandem die Schuld geben. Die Nachfrage nach Bio-Lebensmittel ist beschränkt, bei Fleisch besonders. Man muss in der Landwirtschaft und auch beim Schreiben und bei allem, wenn man es sich leisten kann, auf einen mehrjährigen Durchschnitt schauen. Und nicht auf einen Jahresabschluss. Sonst gäbe es viele Jahre, bei denen man sagen müsste, wir lassen es bleiben und machen etwas anderes.
Viele Junge tun das. Sie hören nicht auf, sondern fangen erst gar nicht an. Sie verdienen gut in ihrem Beruf und haben möglicherweise eine Vier-Tage-Woche. Sie wissen auch nicht, wie die gesetzliche Lage ist. Bleiben die Voraussetzungen so oder müssen sie am Hof wieder umbauen? Selbst wenn es geklärt ist, haben alle den Eindruck, es ist unsicher. Hier geht es ja um Investitionen für 30 Jahre, für eine Generation.
Nimmt man auf dem Weg zu Ihnen von der Westautobahn die Autobahnabfahrt Eberstalzell, stechen die großen, neuen Betriebsniederlassungen ins Auge. Wie sehen Sie die Diskussion über die Bodenversiegelung?
In meiner Kindheit war es ganz anders, wir hatten keinen Autobahnanschluss. Für meine Begriffe sind die Abfahrten Vorchdorf und Sattledt ausreichend. Durch den Autobahnanschluss verändert sich die gesamte Struktur, es gibt viel mehr Zuzug. Eberstalzell ist für die Pendler interessant geworden, sie sind im Nu in Linz. Es verändert die Dorfstruktur, wir haben einen Burger King und eine Tankstelle. Mir wäre es lieber, es gäbe die Anschlussstelle nicht.
Wir haben hier mit die besten Böden von ganz Österreich.
Sie zuzubetonieren, ist eine Katastrophe?
Das Ästhetische, dass ich das nicht schön finde, ist das eine. Ich weiß, Betriebsansiedelungen bringen Arbeitsplätze und der Gemeinde Geld. Das andere ist der Verlust von fruchtbarstem Ackerland. Das wird überhaupt nicht thematisiert. Wenn man einen Grund an der Autobahn hätte, dann gibt es ein Interesse der Gemeinde und der Gemeinschaft, ihn zu verbauen. Dann hätte man ziemlich schlechte Karten. Es gab einen Fall, wo einer gesagt hat, er will das nicht. Es ging um einen Gehweg, er wurde enteignet. Das hat ihm in der Sympathie im Ort keine Pluspunkte verschafft.
Im Ort wurde nun auf sehr guten Flächen ein neues Sportzentrum gebaut. Ich weiß nicht, was sie nun mit dem alten Fußballplatz machen. Ich verstehe nicht, warum man die schlechten Flächen für solche Anlagen nicht aktiv sucht. Firmenanlagen müssen nicht auf Flächen bester Bodengüte stehen. Möglicherweise muss man ein bisschen länger fahren, weil sie nicht direkt neben der Autobahn sind.
Ich bin mit meinen Lesungen viel unterwegs, ich werde oft gefragt, was macht ihr dort in Eberstalzell? Die Verbauung wird von außen extrem negativ gesehen. Bei uns im Ort sieht man das ganz anders. Arbeitsplätze sind wichtig, aber um jeden Preis?
Um die Verbauung von 19 Hektar Wald wurde in Ohlsdorf so ein Theater gemacht.
Es wurde der Wald abgeholzt, der woanders auf 29 Hektar wieder aufgeforstet werden muss.
Natürlich ist der Wald wichtig, aber das ist eine Schottergegend. Der Boden dort ist viel weniger wertvoll als der hier, wo Essen wachsen kann. Denn dieser ist nicht vermehrbar. Ackerland ist endliches Gut, der durch verschiedene Ereignisse wie Starkregen zusätzlich unter Druck gerät. Ihn zu verbauen ist eine Sache, die die Gesellschaft in Zukunft noch beschäftigen wird. Wir müssen die Böden schützen und auf sie aufpassen. Und nicht einfach sagen, dass Firmen und Einfamilienhäuser einen höheren Stellenwert bekommen.
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