"Zweifach Lebenslanger" kommt frei

Dem heute 83-Jährigen wurden seit 1945 insgesamt zwei Mordversuche und drei Morde vorgeworfen.

Der 14. Juni 1984 war ein sommerlich warmer Tag in Redlham, Bezirk Vöcklabruck (OÖ). Als Franz R. gegen 16 Uhr von der Arbeit nach Hause kam, roch es nach frisch gemähtem Gras, erinnert er sich heute, 29 Jahre später. Und er weiß noch, wie er seine Frau Gertrude (39) blutüberströmt im Vorhaus fand. Ihr wurden mehrere Stichverletzungen und Axthiebe auf den Kopf zugefügt. Ihre Hose hatte sie bei den Knien. „Es war ein Schlachtfeld“, sagt R. Seine dreijährige Tochter Barbara lag mit aufgeschnittener Kehle in der Waschküche. An der Stelle hat Franz R. später mit Nieten ein Kreuz am Fliesenboden markiert.

In der Dusche fand die Polizei eine leere Kekspackung. Der Täter dürfte sich hinter dem Duschvorhang versteckt haben, während die Mutter ihrer Tochter nach dem Rasenmähen im Waschbecken die Füße wusch. „Er hat Kekse gegessen, bevor er meine Frau und mein Kind niedergemacht hat“, sagt R. mit einem bitteren Lächeln.
Der verurteilte Mörder Franz S. ist nach insgesamt 53 Jahren Haft jetzt wieder auf freiem Fuß. „Mir fehlen die Worte. Ich muss diese Nachricht erst verdauen“, sagt der Witwer zum KURIER.

Nicht mehr gefährlich

Franz S. wurde 1985 am Landesgericht Wels wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Zuletzt war er in der Justizanstalt Garsten inhaftiert – und wurde nun vorzeitig entlassen. „Sachverständige geben ihm eine gute Prognose, dass er nicht mehr rückfällig wird. Er ist auch aufgrund seines hohen Alters und Gesundheitszustandes nicht mehr gefährlich“, erklärt Alexander Wojakow, Sprecher des Landesgerichts Steyr.

Der heute 83-Jährige sei nun in einer Wohngemeinschaft untergebracht und müsse gewisse Auflagen einhalten. Seine Vorgeschichte sei bei der Entscheidung natürlich berücksichtigt worden, betont Wojakow.

Franz S. wurde bereits 1957 wegen Mordes und zwei Mordversuchen (siehe Zusatzbericht) zu lebenslanger Haft verurteilt. 1981 wurde er bedingt entlassen. Auch damals hatte ihm ein Gutachter ein gutes Zeugnis ausgestellt. S. galt als begnadeter Intarsien-Tischler, arbeitete in Wels, war verheiratet, hatte ein Kind – und wurde 1984 rückfällig.

„Dieser spektakuläre Rückfall ist in der Rechtsgeschichte Österreichs sicher einzigartig. Die Sache ist allen Beteiligten unter die Haut gegangen“, erinnert sich ein Mitarbeiter des Landesgerichts Wels, der damals im Gerichtssaal saß.

Strafverteidiger Johannes Kirschner aus Wels erinnert sich ebenfalls noch gut: „Ich wurde als Verfahrenshelfer bestellt. Es war ein höchst interessanter Fall, weil es nur Indizien gab.“ Franz S. hat die Tat immer bestritten.

Vor zehn Jahren strebte er eine Wiederaufnahme des Verfahrens an, erklärt Kirschner. Blutspuren auf seiner Lederjacke und seinen Socken hätten mit der in den Neunzigerjahren neuen Technik auf DNA untersucht werden können. „Die Gegenstände waren aber nicht mehr auffindbar – ein großes Pech für ihn.“

Rund 150 Personen verbüßen derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe, wie Peter Prechtl, der Leiter der Vollzugsdirektion, am Donnerstag auf APA-Anfrage erklärte. Für viele von ihnen endet die gesetzlich für Kapitalverbrechen wie Mord, schweren Raub mit Todesfolge, Geiselnahme mit Todesfolge oder Leitung einer Mafia-Organisation vorgesehene Höchststrafe nicht mit dem Tod. Nach der Verbüßung von 15 Jahren können Betroffene erstmals ihre vorzeitige bedingte Entlassung beantragen.

Gefährlichkeitsprognose

Diese wird von den jeweiligen Vollzugsgerichten erst nach eingehender Prüfung gewährt, wobei psychologische Gutachten und vor allem eine Gefährlichkeitsprognose einzuholen sind, die sicherstellen sollen, dass die "Lebenslangen" nach ihrer Entlassung keine strafbaren Handlungen mehr setzen. Die Kandidaten müssen zum Entlassungstermin auch über eine Wohnmöglichkeit verfügen, ihr Unterhalt muss - im Idealfall in Form eines Beschäftigungs-Verhältnisses - gewährleistet sein. Oft wird den zu Entlassenden zur Bewältigung des Alltags auch ein Bewährungshelfer beigegeben.

In den Genuss einer bedingten Entlassung sind unter anderem die im Zusammenhang mit der Mordserie im Krankenhaus Lainz als Haupttäterinnen verurteilten Stationsgehilfinnen und ein ehemaliger ORF-Moderator gekommen, der einen geschäftlichen Konkurrenten mithilfe eines weiblichen "Lockvogels" getötet und zerstückelt hatte. Im Gefängnis gestorben sind demgegenüber der "Lucona-Versenker" Udo Proksch und die Giftmörderin Elfriede Blauensteiner.

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