Niedermoser: „Impfen hat Abermillionen das Leben gerettet“

Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer Oberösterreich
Peter Niedermoser, Präsident der oberösterreichischen Ärztekammer, begrüßt den Lockdown für Ungeimpfte, um einen Kollaps der Spitäler zu vermeiden.

Peter Niedermoser (60) ist Oberarzt am Institut für klinische Pathologie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz. Seit 2005 steht er als Präsident der Ärztekammer Oberösterreich vor.

KURIER: Es gilt nun die 2-G-Regel (geimpft, genesen). Sind Sie damit zufrieden?

Peter Niedermoser: Ich war grundsätzlich immer für schärfere Maßnahmen. Mit der 2-G-Regel wurde nun der richtige Weg eingeschlagen. Impfen ist die Möglichkeit, aus der Pandemie herauszukommen. Impfen hat über Jahrzehnte Abermillionen von Menschen das Leben gerettet. Impfen war ein Quantensprung in der Medizin. Wir können froh sein, dass wir so schnell einen Impfstoff bekommen haben.

Ich bin von manchen enttäuscht, dass sie die Impfangebote nicht angenommen haben. Man hat möglicherweise zu wenig auf die Experten gehört. Es wurde beim Impfstart am 27. Dezember eine Erwartungshaltung geweckt, die wir nicht erfüllen konnten. Es war anfangs zu wenig Impfstoff da. Dann war genug da und es hat niemand mehr das Angebot angenommen. Ich verstehe das nicht.

Landeshauptmann Thomas Stelzer hat nun den Lockdown für Ungeimpfte verhängt.

Wir haben in Oberösterreich eine Infektionslage, die diesen Schritt notwendig macht. Man hat Monate Zeit gehabt, sich impfen zu lassen. Jetzt müssen die Ungeimpften mit den entsprechenden Konsequenzn zurecht kommen.

Es gibt nun einen großen Andrang zur Impfung. Warum dieser Umschwung?

Die 2-G-Regel sagt aus, dass die Nichtgeimpften an der Freizeit nicht mehr teilhaben können. Der Bundespräsident spricht immer davon, dass wir so nicht sind, aber manchmal sind wir doch so. Man hat in einer Gesellschaft Rechte und Pflichten. Als es darum ging, sich impfen zu lassen, um den Nächsten zu schützen, hat man sich nicht impfen lassen und seine Freiheit in den Vordergrund gestellt. Jetzt, wo es darum geht, sein Schnitzerl am Wochenende im Wirtshaus nicht mehr zu bekommen, geht man impfen.

Warum ist gerade in Oberösterreich die Impfrate so niedrig?

Ich habe schon viel darüber nachgedacht, ich weiß es wirklich nicht. Gerade in den Bezirken, wo die Impffreudigkeit nicht so gegeben war, haben die Kolleginnen und Kollegen fleißig geimpft. Ich glaube, dass es mit der Problematik zu tun hat, dass es in Österreich nie zu einem Schulterschluss zwischen allen Parteien gekommen ist. Eine Partei hat sich immer quergelegt. In allen Staaten, wo es zum Schulterschluss gekommen ist, war die Impfrate höher.

Hat die Landesregierung zu wenig Druck Richtung Impfen ausgeübt?

Der Weg der Wiener Landesregierung war immer vorbildlich. Wir haben nun mit der MFG eine zweite Partei im Land, die sehr breit gegen das Impfen agitiert hat.

Ist das nicht verantwortungslos?

Wenn der Bundesobmann einer Partei (Herbert Kickl, FPÖ) sagt, dass Vitamin-C-Präparate oder sonstige Sachen gut sind, dann können alle Ärzte nur den Kopf schütteln. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man so etwas in die Kategorie Kabarett einordnen.

In zahlreichen Gesundheitsberufen wie Yoga-Lehrern, Masseurinnen, Fitnesstrainern, Physiotherapeuten ist teilweise der Widerstand gegen Impfungen hoch. Das ist doch einigermaßen überraschend.

Vieles war in der Kommunikation nicht ganz glücklich. Viele haben nicht verstanden, dass man auch krank werden kann, wenn man geimpft ist.

Die Menschen haben geglaubt, dass man mit der Impfung geschützt ist.

Es ist bei jeder Impfung so, dass man auch krank werden kann. Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz. Man hat gesagt, es ist ein Schutz davor, dass man nicht in das Krankenhaus kommt bzw. nicht auf die Intensivstation. Das ist bei den Menschen nicht so angekommen. Ich halte sehr viel vom Kollegen Wenisch (Univ.Prof., Infektiologe). Er hat klar und deutlich gesagt, dass jeder, der nicht geimpft ist, Covid bekommen wird. Und die Krankheit zu bekommen, ist schlimmer als die Impfung. Natürlich hat jede Impfung Nebenwirkungen. Jedes Medikament hat Nebenwirkungen. Auch wenn man den Beipacktext von Voltaren liest, steht dort, dass man daran sterben kann. Und manche nehmen es wie ein Zuckerl.

Milliarden sind schon geimpft worden, es ist zu keinem Massensterben gekommen, niemandem wurde ein Chip ins Gehirn eingepflanzt, die Geimpften wurden nicht von irgendwelchen Außerirdischen abgeholt ...

Ich kann nicht verstehen, dass die Ängste gegenüber objektiven Meinungen überwiegen. Es überfordert mein Verständnis, dass das in Gesundheitsberufen so ist. Ich stehe zum Beschluss der Österreichischen Ärztekammer der Impfpflicht für Gesundheitsberufe.

Die Argumente gegen das Impfen sind teilweise untergriffig. Ärzten wird vorgeworfen, sie seien Büttel der Pharmaindustrie und ließen sich von ihr bezahlen.

Um in der Medizin voranzukommen, braucht es die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie. Es kann kein einziges Medikament und kein einziger Impfstoff ohne die Ärzte entwickelt werden. Hier gibt es klare Regelungen, wer mit wem zusammenarbeitet und welche Gelder bezahlt bzw. nicht bezahlt werden. Jeder Arzt muss das auf die Homepage stellen bzw. vor jedem Vortrag sagen. Dass kein System vor Missbrauch gefeit ist, ist auch klar. Ich kann für fast hundert Prozent der Kolleginnen und Kollegen die Hand hochheben und sagen, sie arbeiten korrekt.

Es ist unsere Aufgabe, die Menschen vor Krankheiten zu schützen und sie zu heilen. Die Kolleginnen und Kollegen haben fast rund um die Uhr gearbeitet, dass das gut funktioniert. Ich verstehe nicht, dass man Menschen, die so einen Einsatz geleistet haben, so etwas vorwerfen kann. Manchmal habe ich mein Verständnis für gewisse Dinge verloren.

Die Impfrate liegt bei rund 58 Prozent, sie sollte idealerweise bei 80 Prozent liegen. Wie lange wird uns Covid noch beschäftigen?

Ich kann es nicht sagen. Seit Beginn der Covid-Krise haben wir unsere Meinung schon mehrmals geändert. In zwei, drei Jahren werden viele Forschungsarbeiten abgeschlossen sein und man wird wissen, was gescheit und weniger gescheit war. Jeder, der sagt, er hat immer recht gehabt, lügt. Wir haben uns gemeinsam vorangetastet, um zu Lösungen zu finden. Die Krise ist dann zu einem großen Teil vorbei, wenn wir den Weg der Impfung gegangen sind.

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