Kinder früher mit Gewalt konfrontiert: Schulprojekt in OÖ soll gegensteuern

Raufereien eskalieren oft
"Kinder und Jugendliche haben schon immer gerauft. Jetzt ist halt alles gleich extremer." Oberösterreichs Bildungsdirektor Alfred Klampfer erklärt, warum das neue Projekt zur Gewaltprävention an Volksschulen so wichtig ist. Seit der Pandemie sei sehr wohl ein Anstieg der Vorfälle in Schulen zu bemerken.
Es gibt bereits Reaktionen direkt aus der Praxis. In der Volksschule St. Martin im Mühlkreis wurde das Projekt ab Herbst 2024 erprobt, die Lehrpersonen arbeiteten bereits mit dem zur Verfügung gestellten Material und Inhalten in ihren Klassen.
"Durch Übungen und Reflexionen lernen die Kinder nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler besser zu verstehen und respektvoll miteinander umzugehen", berichtet Tina Reiter, Pädagogin an der Pilot-Volksschule.
Was es derzeit schon gibt für die Volksschulen in Oberösterreich ist das Lebenskompetenzprogramm "zusammen.wachsen", das Modul zur Gewaltprävention ist eine Erweiterung und ist kostenlos allen Lehrpersonen zugänglich.
Kein erhobener Zeigefinger
"Wir setzen mit diesem Programm bewusst bei den Jüngsten an - nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern spielerisch", erklärt Bildungs- und Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander, ÖVP. Durch digitale Medien bekämen Kinder oft ein falsches Verständnis davon, wie man Konflikte lösen könne. Deswegen sei es wichtig, dass möglichst viele Schulen teilnehmen.

Rainer Schmidbauer ist Leiter des Instituts für Suchtprävention, das das Programm entwickelt hat. Er sagt: "Durch soziale Medien kommen Kinder und Jugendliche heute immer früher und schneller mit teils auch exzessiven Gewaltdarstellungen in Berührung." Diese Erfahrungen müssten gut bearbeitet werden, damit Respekt und Fairness im Umgang miteinander erhalten bleiben.
Wo sind meine Grenzen?
Vor allem zwei große Themenkomplexe seien wichtig, so Schmidbauer: "Selbstwahrnehmung: Wo sind meine Grenzen und wie wahre ich sie? Und das Kennenlernen der Gewaltspirale: Wie kann es sein, dass Kleinigkeiten und Missverständnisse oft in massiver Gewalt enden?"
Dazu gäbe es nicht die eine Strategie, sondern verschiedene. Kinder lernen durch das Programm, diese je nach Situation richtig anzuwenden. Das funktioniert ganz plakativ über Tiere: Für die Strategie des Weggehens im Konflikt steht der flinke Hase, ans Ignorieren soll der Wal erinnern, fürs Reden steht der kluge Rabe und das kämpferische Stachelschwein soll die Notfall-Taktik der körperlichen Abwehr symbolisieren. Rückmeldungen aus der Pilotschule zeigen: Das Programm sorgt für ein besseres Klassenklima und einen respektvolleren Umgang miteinander.
Dass Gewalt an Schulen ein dringliches Thema ist, zeigt auch die jüngste HBSC (Health Behaviour in School-Aged Children)-Studie, erklärt Christoph Weber, Hochschulprofessor für empirische Bildungsforschung: "Jeder zweite Schüler der 5. Schulstufe war bereits an einer Rauferei beteiligt. Etwa jeder oder jede Achte wurde bereits zum Mobbingopfer." Prävention muss deswegen dort ansetzen, wo das Problem noch nicht voll sichtbar sei, in der Volksschule.
Breitband-Maßnahme
Das Gute an den bestehenden Lebenskompetenz-Programmen sei außerdem, dass sie als eine Art "Breitband-Maßnahme" betrachtet werden können, so Weber: "Neben der Prävention von Gewalt, Mobbing und Sucht können sie auch das psychische Wohlbefinden und soziale Kompetenzen positiv beeinflussen."
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