Eypeltauer: „Koalition aus VP, SP und Neos gegen Blau-Schwarz“
Neos-Landessprecher Felix Eypeltauer
Felix Eypeltauer ist seit Oktober 2021 Abgeordneter zum oberösterreichischen Landtag und Landessprecher der Neos. Von 2019 bis 2021 war der 33-jährige Linzer Abgeordneter zum Nationalrat und von 2015 bis 2020 Gemeinderat der Landeshauptstadt.
KURIER: Sie haben bei der Landesmitgliederversammlung lediglich 64 Prozent der Stimmen erhalten. Das ist ein relativ schlechtes Ergebnis für einen jungen Politiker, der zwei Jahren vor der Landtagswahl steht.
Felix Eypeltauer: Wir haben in Oberösterreich 450 zahlende Mitglieder. 150 haben an der Versammlung teilgenommen, das war die größte, die wir bisher gehabt haben. Ich hatte einen Gegenkandidaten, was andere Parteichefs üblicherweise nicht haben. Er hat sich engagiert und mobilisiert. Vor diesem Hintergrund halte ich das Wahlergebnis für absolut in Ordnung.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Gegenkandidatur für sich selbst und für Ihre Politik?
Eine Rückschau erspare ich mir. Die Nationalratswahl 2024 und der Eintritt in die Regierungskoalition fordern uns ex trem. Da ist ein Wachstum da, verbunden mit einem Wachstumsschmerz.
Es müssen gewisse Entwicklungen nachziehen und manches bleibt auf der Strecke. Was definitiv auf der Strecke geblieben ist, ist die größtmögliche Beteiligungsmöglichkeit für Mitglieder. Ich verstehe jeden bei Neos, der sagt, das muss wieder anders werden. Deshalb habe ich bereits konkrete Vorschläge gemacht, wie wir uns bis zur Wahl 2027 so aufstellen, dass jeder, der sich einbringen möchte, das tatsächlich tun kann. Wir gehen jetzt mit einer Kampagne nach außen. Dann wird allen auch klar sein, an einem Strang zu ziehen und 2027 einen Erfolg zu erzielen.
Waren Sie zu wenig bei Ihren Leuten draußen unterwegs? Haben Sie zu wenig in den Aufbau der Ortsgruppen investiert?
Nein. Wir investieren nahezu ausschließlich in den Aufbau und in den Service der Ortsgruppen.
Wie viele Ortsgruppen gibt es?
Wir sind ein kleines Team aus großteils Ehrenamtlichen. Im Unterschied zu allen anderen politischen Parteien. Wir sind im Aufbau, wir haben keine etablierten Strukturen. Das erfordert hinter den Kulissen enorme Führungsarbeit, enorme Kulturarbeit, Kommunikations- und Beziehungsarbeit. Derzeit stehen wir bei 30 bis 35 Gemeindegruppen. Sie sind Ausdruck unseres Netzwerks.
Dank des Rückenwinds durch die Regierungsbeteiligung, steigender Mitgliederzahlen und der nahenden Landtagswahl kommt Dynamik rein. Wir verzeichnen ein exponentielles Wachstum. In Österreich haben wir 4000 zahlende Mitglieder.
Es haben nicht nur Sie persönlich, sondern auch die anderen Mitglieder der Vorstandes nur rund 60 Prozent der Stimmen bekommen. Das ist doch Ausdruck des Widerstands von rund einem Drittel der Mitglieder, die ihre Unzufriedenheit ausdrücken.
Gleichzeitig gibt es 300 stimmberechtigte Mitglieder in Oberösterreich, für die die Dinge grundsätzlich gut passen. Sie haben sich daher nicht an der Abstimmung beteiligt. Es gibt eine kleine, aber für mich sehr wichtige Gruppe, die ganz vehement eine Botschaft senden wollte, die lautet, wir sind grundsätzlich unzufrieden.
Wenn das nicht nachdrücklich formuliert wird, ist es Aufgabe der Führungsarbeit herauszufinden, was das für Punkte sind. Wir wissen um die Aufgabe, alle miteinzubeziehen und mitzunehmen.
Was meinen Sie mit Wachstumsschmerzen genau?
Wir nicht mehr die basisdemokratische Bürgerbewegung von 2013, sondern wir sind mittlerweile eine professionalisierte Regierungspartei, die entsprechende Leadership hat. Da gibt es manche, die dem ein bisschen nachweinen. Ich halte dem entgegen, dass wir uns in den vergangenen zwölf Jahren enorm entwickelt haben und dass wir jetzt eine gesteigerte Verantwortung tragen, stabil und professionell zu arbeiten, um uns auch in Oberösterreich als viabler (passender, brauchbarer, Anm. d. Red.) Koalitionspartner als Alternative zu Blau-Schwarz zu positionieren. Die Organisation ist der Haltung ihrer Mitglieder voraus.
Für die Landesgruppen von ÖVP und SPÖ bedeutet die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene Gegenwind. Ist für Ihre Landesgruppe die Koalition im Bund ebenfalls ein Problem?
Die Regierungsbeteiligung ist für Neos eine enorme Chance und bedeutet Rückenwind. Die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass zwei Kräfte profitiert haben. Einerseits die FPÖ mit einer destruktiven, populistischen Politik und andererseits wir mit einer konsequent-konstruktiven und vielleicht manchmal mit einer sehr ambitionierten Reformagenda. Diesen Rückenwind erleben wir seit dem ersten Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen und dann beim Eintritt in die Koalition. Unsere Wählerschaft ist zufrieden. Das ist eine enorme Chance für Oberösterreich, in den nächsten zwei Jahren lokal Präsenz aufzubauen und dann eine Alternative in einer neuen Landesregierung zu bieten.
Es gibt Neos-Sympathisanten und Amtsträger, die mit der Regierungsbeteiligung Probleme haben. Stephanie Krisper, eine profilierte Abgeordnete, hat ihr Nationalratsmandat zurückgelegt. Diese Diskussion gibt es in Oberösterreich nicht?
Nein. Wir sind ein kompaktes und gut abgestimmtes Team bundesweit. Ich habe mit Krisper eine enge Zusammenarbeit, wir sitzen beide im Vorstand. Sie hat nicht die Partei verlassen, sondern ihr Nationalratsmandat zurückgelegt.
Ihr Argument für den Rückzug war, sie bringt ihre Anliegen nicht mehr durch.
Die Regierungsbeteiligung fordert alle, vom einfachen Neos-Mitglied zur langjährigen Abgeordneten. Eine Koalition mit zwei alten Mustern verhafteten Parteien erfordert immer wieder Kompromisse. Wir setzen uns in manchen Bereichen stark durch, in anderen Bereichen nicht. Das geht der ÖVP und der SPÖ genauso.
Sophie Wotschge, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen Junos, hat ÖVP-Klubobmann August Wöginger zum Rücktritt aufgefordert. Soll er zurücktreten?
Das ist Sache der ÖVP. Wenn sie zu ihm steht, dann ist es an der ÖVP und der Bevölkerung ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Eine Diversion ist kein Freispruch. Damit ist erwiesen, dass in Oberösterreich von hochrangigen ÖVP-Funktionären Postenschacher betrieben wird. Man kann das auch im Amt der oö. Landesregierung nicht ausschließen.
Betrifft das auch die FPÖ?
Ich habe den Eindruck, dass sich die FPÖ in Oberösterreich von solchen Methoden weitgehend fernhält, die Blauen waren bei diesem Thema zumindest schlauer. Und dass es einen Deal zwischen Schwarz und Blau gibt, der lautet, die FPÖ bekommt ihre inhaltliche Politik umgesetzt, dafür darf die ÖVP mit ihren Machtinstrumenten im Amt der Landesregierung schalten und walten.
In den Umfragen für die Landtagswahl gibt es einen Zweikampf zwischen Schwarz und Blau. Wer ist Ihnen als Landeshauptmann lieber, Stelzer oder Haimbuchner? Die Bevölkerung steht 2027 vor einer Schicksalsentscheidung. Geht es weiter mit einer schwarz-blauen oder blau-schwarzen Koalition oder gibt es eine Reformkoalition als Alternative mit uns als Neos? Ich halte das für die wesentliche Entscheidung.
Sie streben also eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos an.
Genau. Ich strebe eine wirkliche Wahl an. Die ist nur gegeben, wenn es Alternativen gibt. Und wenn es Handlungsmöglichkeiten für gewählte Parteien gibt.
Das bedeutet, dass die Neos einen Sitz in der Landesregierung erringen müssen, denn viele wichtige Entscheidungen werden in der Regierung getroffen.
Genau. Das heißt, dass wir mit zehn Prozent so stark werden, dass wir einen Regierungssitz erobern.
Es geht auch darum, vorher noch das System der Proporzregierung abzuschaffen. Dann erübrigt sich die Frage der Prozenthürde, dann können jene, die die Verantwortung übernehmen wollen, dies auch machen. Es wird an der ÖVP liegen, hier vor der Wahl Farbe zu bekennen.
Halten Sie es für gut, wenn die nicht stärkste Partei den Landeshauptmann stellt? Ähnlich wie das auf Bundesebene der Fall ist?
Regierungen brauchen Mehrheiten. Wer das nicht schafft, kann nicht regieren. Es kommt darauf an, Brücken zu bauen, Kompromisse zu finden, ein Miteinander herzustellen und Lösungen zu finden.
Der Industriestandort ist in der Krise. Was muss passieren, damit Oberösterreich hier rauskommt?
Der Standort ist in einem leisen Abstieg begriffen. Investitionen werden verlagert, Jobs abgebaut, die Wettbewerbsfähigkeit ist zunehmend in Bedrängnis. Die Bundespolitik muss den Rahmen vorgeben, die Industriestrategie, die für den Winter angekündigt ist, muss liefern, um das Vertrauen wieder herzustellen. Da muss sich Oberösterreich einbringen.
Die Landesregierung könnte besser und fokussierter wirtschaften. Sie kann zwei Standortfaktoren forcieren: die Kinderbildung und die Energiepolitik. Im Wirtschaftsressort werden Förderungen mehr oder weniger willkürlich verjubelt.
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