„Eine Aufarbeitung meiner oö. Wurzeln“

Stefan Kutzenberger liest am Mittwoch, 2. Mai, um 19 Uhr in der Bücherinsel in Gallneukirchen
Stefan Kutzenberger. Sein Roman „Friedinger“ hat eingeschlagen. Der gebürtige Oberösterreicher beschäftigt sich wesentlich mit seiner Heimat.

„Und dann gibt es noch mich, der in die innere Emigration flüchtete und sein ganzes Leben von der Schulzeit über das Studium bis in den Beruf brav meisterte, jedoch alles im Uneigentlichen über sich ergehen lassen musste. Denn eigentlich war ich Schriftsteller. Lächerlich, nicht?“

Aus dem RomanFriedinger“, Seite 9, von Stefan Kutzenberger.

„Ja, es stimmt wirklich, dass ich immer schon einmal ein Buch schreiben wollte“, sagt Stefan Kutzenberger (47) im Gespräch mit dem KURIER. „Ich habe mit 14 Jahren ein Buch von einer Schriftstellerin gelesen, die 15 Jahre alt war. Ich habe es in einer Bücherei ausgeborgt. Ich habe mir gedacht, die kann das, das will ich auch machen. “

Warum hat es dann 30 Jahre bis zum ersten Roman gedauert? „Ich habe eh ständig geschrieben, Friedinger ist eigentlich mein vierter Roman. Ich habe aber gewusst, wenn ich das Manuskript zu einem Verlag schicke, dass es nicht einmal gelesen wird, da kann ich es gleich zum Altpapier geben. Ich habe dann Literaturwissenschaft studiert und ich unterrichte auch an der Universität Literatur. Literatur war immer mein Leben. Wenn ich geschrieben habe, habe ich mir gedacht, ich werde schon einmal jemanden kennenlernen, der mir weiterhelfen wird. Aber ich habe niemanden kennengelernt. Es blieb immer beim Traum, ich habe für die Schubladen geschrieben. Mit 45 habe ich mir gedacht, jetzt wird es schön langsam lächerlich, worauf warte ich eigentlich? Ich habe das Manuskript dann einfach blind zum Deuticke-Verlag geschickt. Ab dann war es wie ein Märchen. Zwei Wochen später hat mir der Verlag zurückgeschrieben, dass sie das Manuskript nehmen. Sie haben mir gesagt, die Chance, dass es genommen wird , ist normalerweise 1 zu 3000. Ab dem Moment hat das Märchen gar nicht aufgehört.“

In Linz aufgewachsen

Was wird im Roman erzählt? „Das Buch ist eine Aufarbeitung meiner oberösterreichischen Wurzeln.“ Kutzenberger ist Linzer, sein Vater Ewald war Leiter der Abteilung Statistik beim Land Oberösterreich, später wurde er in Wien Chef der Statistik Austria. „ Nach der Matura bin ich zum Studium nach Wien und dort geblieben. Meine Eltern haben erst vor zwei Jahren ihr Haus in Linz-St. Magdalena verkauft und sind nach Wien gezogen. „Das hat mich völlig am falschen Fuß erwischt. Ich bin mir plötzlich heimatlos vorgekommen. Gleichzeitig habe ich mir gedacht, das ist ja völlig lächerlich, denn es gibt so viele Menschen auf der Welt, die tatsächlich vertrieben und damit heimatlos werden. Ich habe meine Gefühle dann mit der Geschichte meiner Großeltern verglichen, die alles verloren haben. Die Großeltern mütterlicherseits haben durch Hitler und den Aufstand in Indonesien 1965 alles verloren. Die Großeltern väterlicherseits haben durch die die Hyperinflation in den 1920-er Jahren auch alles verloren, sie mussten in Linz neu anfangen. Damit bin ich beim Thema, was ist Heimat, kann man neu anfangen? Wie verwurzelt ist man mit dem, von wo man herkommt?“

Der Friedinger

„Der Friedinger im Roman ist ein Linzer. Der Kutzenberger lernt ihn in Kreta kennen, sie freunden sich miteinander an. Der Friedinger erzählt dem Kutzenberger seine Geschichte, über die voest, über die Waffenlieferungen und den Noricum-Skandal. Der Kutzenberger will immer Schriftsteller werden, kommt aber darauf, dass die Geschichte, die ihm der Friedinger erzählt, viel besser ist als die, die er schreiben wollte. Er beginnt die Friedinger-Geschichte aufzuschreiben und besucht ihn auch in Linz. Das ist für ihn auch eine Art Heimkommen. Er kommt das erste Mal wieder nach Linz, nachdem seine Eltern das Haus verkauft haben. So verschränken sich die verschiedenen Erzählstränge. Aber man kann den Roman relativ leicht lesen. Leichter als ich mir gedacht habe. Die großen Fragen waren neben der Heimat, was ist Treue, was bedeutet Älter werden?“

Kutzenbergers Vater Ewald ist in Steinbruck, einer Ortschaft nahe von Peuerbach (Bez. Grieskirchen), aufgewachsen. Sohn Stefan hatte aber mehr Kontakt zu Stefansdorf, einer benachbarten Ortschaft, zum Haus des Sepp Pfeiffer in Stefansdorf 11. „Da war ich in meiner Kindheit viel öfter, weil sie gleichaltrige Kinder gehabt haben. Ich habe die Erinnerungen im Buch verarbeitet. Am Dorffest sein, im Freibad sein, das Gras für die Kühe mähen, das erste Mal mit dem Traktor fahren, schwarz fischen. Diese Sachen habe ich dort gelernt. Das ist für mich das österreichische Landleben schlechthin. Ich habe auch das Trinken kennen gelernt. Nachdem ich in Linz aufgewachsen und ein Stadtkind bin, waren diese Erfahrungen im Sommer extrem wichtig.“

Das Buch sei für seine Frau nicht leicht, denn der Kutzenberger habe im Buch eine Affäre mit einer jungen Französin. „Fiktion und Biografie trennen sich hier, dann kommen sie wieder zusammen. Das Leben meiner Großeltern ist aber fast real. Meine Großeltern mütterlicherseits hatten ein so interessantes Leben. Die Oma ist als Berliner Jüdin nach Amsterdam geflüchtet, dann nach Indonesien. Ihre Tochter, meine Mama, hat nach der Matura studiert.“

Aufstand 1965

„Die Oma wollte aber nicht, dass sie das in Amsterdam macht, denn die Indonesier haben stets gegen die Holländer für ihre Freiheit gekämpft. Als Jüdin wollte sie auch nicht, dass sie in Deutschland studiert, also ist sie nach Österreich gekommen. Als sie da waren, kam es in Indonesien 1965 zu einem Putsch gegen die chinesische Minderheit und sie konnten nicht mehr zurück, weil der Opa ein Chinese war. Sie haben alles verloren. Sie sind in Österreich geblieben und haben sich hier ein neues Leben aufgebaut. Der Opa wurde Arzt im Linzer AKH.“

Stefan Kutzenberger liest am Mittwoch, 2. Mai, um 19 Uhr in der Bücherinsel in Gallneukirchen aus seinem neuen Roman.

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