Rektorin der Digital-Uni: "Wir bieten das, was es auf dem Markt noch nicht gibt"
Stefanie Lindstaedt, Rektorin der IT:U
Stefanie Lindstaedt ist deutsch-österreichische Informatikerin und Rektorin der neu gegründeten Digitaluniversität IT:U. Zuvor war die 57-Jährige als Professorin an der TU Graz tätig.
KURIER: Es gibt nun einen neuen Standort für die IT:U, der fix sein dürfte, das Biologiezentrum des Landes neben der Kepler-Universität. Sind Sie erleichtert?
Stefanie Lindstaedt: Ja, weil es ein Zeichen ist, dass es vorangeht. Inhaltlich sind wir mit dem Aufbau voll im Plan. Wir brauchen unbedingt ein Zuhause. Wir haben jetzt zwar zwei Standorte, im Science-Park 4 der Kepler-Universität und in der Freistädterstraße, aber wir brauchen einen Platz, wo wir die Infrastruktur für die Lehre aufbauen können. Wir werden zwar bis 2028/29 das Auslangen finden, aber dann brauchen wir etwas Neues.
Ist der neue Standort groß genug?
Für unsere Planung, die bis 2036 reicht, ja. 5.000 Studierende sollten hier Platz finden. Der Raum- und Funktionsplan, den wir für den früheren Standort erarbeitet haben, bleibt bestehen. Aber es braucht ein neues Architekturkonzept.
Das Architekturkonzept auf dem vom nunmehrigen Bürgermeister Prammer abgelehnten Standort hat Zuspruch gefunden. Kann man das nicht übernehmen?
Wir müssen neu ausschreiben und einen neuen Architekturwettbewerb durchführen. Das alte Konzept hat sich gut in die Landschaft eingefügt und die Gebäude wären nicht so hoch gewesen. Nun, so fürchte ich, werden wir höhere Stockwerke brauchen.
Weil die Grundfläche eine kleinere ist.
Genau.
Es sollen gemeinsam mit der neuen Universität Start-ups entstehen. Diese werden vermutlich am neuen Standort keinen Platz finden.
Das fürchte ich auch.
Wie stark ist die zeitliche Verzögerung durch das Nein zum alten Standort?
Wenn die derzeitige Planung umgesetzt wird, hätten wir das neue Gebäude 2032. Nach der ursprünglichen Planung hätten wir das erste Gebäude 2030 haben sollen. Also eine Verzögerung von mindestens zwei Jahren.
Die Archtekturpläne für den ursprünglichen Standort fanden Zuspruch. Sie sind nun aber Makulatur.
In welcher Phase ist die IT:U?
Wir sind derzeit rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Inklusive der 40 Doktorandinnen und Doktoranden. Dazu kommen 40 Master-Studierende, die seit 1. Oktober bei uns sind. Im vergangenen Jahr haben wir die beiden PhD-Studien aufgebaut. Bis Ende des Jahres wird sich die Zahl der Doktoranden auf 60 erhöhen.
Wie viele Professoren sind derzeit tätig?
Inklusive der Neuen werden es 29 sein. 21 sind tatsächlich vor Ort, acht sind sogenannten Fellows. Wir verfolgen das Konzept einer Netzwerk-Universität. Fellows sind Professoren an anderen Universitäten, zum Beispiel an der ETH Zürich oder in Vilnius. Sie haben bei uns eine Minimalanstellung, zum Beispiel von 20 Prozent, sie bringen ihre Kompetenzen hier ein und leisten spezielle Aufbauarbeit. Michele Magno von der ETH Zürich baut bei uns Lernlabs auf. Andere bringen sich in PhD-Programme ein. Wieder andere machen Forschung.
Können Sie in wenigen Worten beschreiben, was Ihre Universität genau macht? Ist Digital-Universität eine korrekte Bezeichnung?
Wir sind eine interdisziplinäre technische Universität. Alles rund um Computing. Unsere Kernkompetenz ist Computing, alle unsere Professorinnen und Professoren sind interdisziplinär. Wir haben zum Beispiel Leute, die sind aus der Hydrologie, der Strömungslehre. Sie haben auf der einen Seiten Maschinen-Know-how, auf der anderen Seite Hydrologie-Wissen und vereinen das in einer Person. Das haben wir auch bei den Neurowissenschaften, aber mit dem Computional-Schwerpunkt. Unsere Professoren haben alle zwei Beine. Das eine ist der Computer, das andere eine weitere Disziplin.
René Mayrhofer, Professor für Netzwerksicherheit an der Kepler-Universität, hat im KURIER-Interview gemeint, sie seien keine Digitaluniversität. Er meint, man könne noch nicht sagen, was die IT:U sei, das werde sich erst entwickeln. Was entgegen Sie dem Kollegen?
(lacht). Ich habe das gelesen. Man müsste ihn fragen, was er unter einer Digital-Universität versteht. Eine Computer-Science-Uni sind wir nicht, wir sind keine Informatik-Universität. Wir sind eine interdisziplinäre Universität, um das Thema Informatik rundherum. Um die Themen Robotik, Künstliche Intelligenz, Security und Quantencomputing. Es geht immer darum, das mit anderen Disziplinen zu verknüpfen. Zum Beispiel mit Medizin, mit Krisenmanagement, mit Geo-Informatik, mit Social-Media-Analysen.
Was werden Ihre Absolventen später beruflich machen?
Derzeit kommen die Studenten bereits mit einem Bachelor. Der kann sein aus Politikwissenschaft oder Informatik. Sie lernen, gemeinsam Probleme zu lösen. Das Ziel ist, dass sie in Organisationen oder in die Industrie hinausgehen, um die jeweiligen Themenfelder digital zu transformieren.
Wenn ein Politikwissenschafter zu Ihnen kommt, hat er von Computerwissenschaften aber nur wenig Ahnung.
Wir verlangen, dass die Leute programmieren können. Wir haben vor, künftig Bootcamps anzubieten, damit Bewerber, die diese Kenntnisse nicht haben, sie erwerben können.
Vor einigen Jahren haben die Verantwortlichen im Land alle von der Digital-Uni geredet, jetzt redet das Land und die Industrie fast nur mehr von der Künstlichen Intelligenz (KI) und den 2.700 Studenten, die bei Professor Hochreiter studieren. Stört Sie das?
Es kommt darauf an, mit wem man von der Industrie spricht. Es gibt Stimmen, die besonders darauf fokussieren, aber es gibt viele, die sagen, es hilft uns nicht weiter, wenn wir lediglich mehr Informatiker haben. Sondern wir haben das Problem, dass wir die verschiedenen Bereiche wie den Maschinenbau, Kunststoff etc. digitalisieren müssen. Wir müssen dort das Data-Thinking hineinbekommen. Wo kommen die Daten her, wie säubere ich sie und wie kann ich daraus KI machen? Das ist die Expertise unserer Leute, die ihre Ursprungstechnik wie den Maschinenbau oder die Elektrotechnik mit den digitalen Technologien zusammenbringen können.
Wir haben ein Industry Sounding Board, in dem 15 bis 20 Firmen vertreten sind. Wir stellen ihm alle zwei bis drei Monate vor, was wir machen. Da ist die voestalpine vertreten, die KEBA, Siemens etc. Sie spiegeln uns zurück, dass die Art von Ausbildung, die wir anbieten, genau das ist, was sie brauchen. Wir bieten das, was es auf dem Markt noch nicht gibt. Und es ist genau das, was uns die Regierung als Auftrag mitgegeben hat. Wir sollen anders sein als die anderen Universitäten. Bei uns spielt Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle, aber mit Themen der Anwendung.
Die IT:U erweckt den Eindruck, ein Anhängsel der Kepler-Universität zu sein. Allein schon räumlich. Der frühere Rektor Meinhard Lukas wollte sie am Parkplatz der Kepler-Universität platzieren. Beeinträchtigt das nicht Ihre Entwicklung?
Der Herr Lukas war ja nicht in der Lage, so etwas zu planen. Geplant wurde sie 2020 in der Konzeptgruppe und dann vom Gründungskonvent. Beide Gruppen haben gewisse Dinge vorgegeben. Das kumuliert in unseren strategischen Prinzipien.
Ich kann schon verstehen, dass man uns ein bisschen als Anhängsel sieht.
Für die Profilierung als eigene Universität ist das schwierig.
Ja, es ist schwierig, ein eigenes Profil aufzubauen. Aber wir werden es schaffen. Die räumliche Platzierung sind Entscheidungen des Ministeriums und von Land und Stadt. Wir haben sehr deutlich darauf hingewiesen, was wir brauchen, um uns aufbauen zu können. Wenn diese Umwidmung jetzt stattfindet, werden wir das bekommen. Der Umwidmungsbeschluss muss im Linzer Gemeinderat gefasst werden. Wenn wir nach 2036 weiter wachsen, haben wir dort keine Möglichkeit. Das ist aber auch eine Herausforderung und Chance, sich stärker in die Stadt hineinzubewegen. Wir haben in der Pfarrgasse bereits unser erstes City-Lab, unsere erste Dependance in der Innenstadt. Dort zeigen wir den Bürgern, was man mit der KI in der Stadtplanung machen kann. Weiters bauen wir mit WIFI ein Learn-Lab auf, hier arbeiten wir besonders mit den Klein- und Mittelbetrieben zusammen. Um branchenspezifisch für die Wirtschaft Lösungen zu erarbeiten. Dieses Modell der Satelliten können wir weiterdenken.
Aus welchen Ländern kommen die Studenten?
60 Prozent unserer Masterstudenten kommen aus Drittländern, 20 Prozent aus europäischen Ländern, 20 Prozent sind deutschsprachig.
Werden sie hierbleiben oder gehen sie dann in andere Länder?
Es ist unser Auftrag, dass sie hierbleiben. Wir bieten Deutschkurse und wir versuchen, dass wir geringfügige Anstellungen für sie bei Unternehmen bekommen.
Gibt es für die Studenten ausreichend Wohnmöglichkeiten?
Im Moment noch, aber das wird in Zukunft bei mehr Studenten ein Problem werden. Landesrat Achleitner hat das bereits erkannt. Gemeinsam mit den anderen Universitäten wird überlegt, wo neue Wohnmöglichkeiten entstehen können. Es ist ein Problem.
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