„Die Bereitschaft zu digitalisieren ist riesig“

„Die Bereitschaft zu digitalisieren ist riesig“
Mit einer Senkung von Steuern und mit Investitionsanreizen will Wirtschaftskammerpräsidentin Doris Hummer die Wirtschaft ankurbeln. Die Wirte sollen im März wieder aufsperren dürfen.

Die Unternehmerin Doris Hummer ist seit 2017 Präsidentin der Wirtschaftskammer. Die 47-Jährige war von 2009 bis 2015 Landesrätin.

KURIER: Der Parkplatz der Wirtschaftskammer ist voll besetzt. Brummt die Wirtschaft oder brummt nur die Wirtschaftskammer, damit die Betriebe zu ihrem Umsatzersatz kommen?
Doris Hummer: 
Gott sei Dank beides, in unterschiedlicher Ausprägung. Die Bücher der Wirtschaftskammer sind mehr als gefüllt. Wir haben in allen Bereichen, Beratung, Service, Interessensvertretung, drei bis vier Mal so viele Aufträge als  in einem normalen Jahr.  Das ist der Wirtschaftskrise geschuldet, die durch die Pandemie ausgelöst worden ist.

Unternehmer beklagen, dass die Voraussetzungen für die Förderungen so kompliziert geworden sind, dass sie auf die Steuerberater zurückgreifen müssen.
Der Umsatzersatz ist die einfachere Methode. Der Fixkostenzuschuss, der die Kosten für den Betrieb abseits der Personalkosten ersetzen soll, wenn er nicht arbeiten kann,  braucht eine tiefere Analyse.  Es wäre uns lieber gewesen, man wäre beim Umsatzersatz geblieben. Der Fixkostenschuss und die Hilfen aus dem Ausfallsfonds sind zwar nicht einfach, aber gemeinsam mit einem Steuerberater sehr gut berechenbar. Ehrlich gesagt, was können die Unternehmen heute schon ohne Steuerberater machen?...

Sind die Hilfen des Bundes und des Landes ausreichend? Es wurden zum Beispiel die angebotenen Landeshaftungen kaum in Anspruch genommen.
Es wurde nicht zu wenig gemacht, aber manche Dinge dauern zu lange. Das Thema der indirekt Betroffenen beim Umsatzersatz ist noch immer nicht erledigt. Das betrifft zum Beispiel den Bäcker, der den Wirt beliefert oder die Reinigungsfirma, die die Hotelwäsche reinigt.
Im internationalen Vergleich haben wir auf Bundes- und Landesebene großzügige Hilfen erhalten. Diese an alle fair auszuteilen, ist natürlich eine gewisse Kunst.

Im vergangenen Jahr ist trotz Corona die Anzahl der Firmenpleiten zurückgegangen. Arbeitsminister Martin Kocher rechnet heuer mit einer Zunahme von 25 Prozent.
Wir werden Nachzieheffekte haben. Aufgrund der Stundungen und des Aussetzens der Konkursanträge sind Konkursanträge verzögert worden. Wir konnten aber durch die Hilfsmaßnahmen verhindern, dass es zu einer großen Pleitewelle aufgrund der Pandemie kommt. Jene Betriebe, die jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen, hatten vorher schon wirtschaftliche Probleme. Die Krise ist nun das Tüpfelchen am i, das  das Aus bedeutet.

Der Handel ist von der Pandemie stark betroffen. Der Online-Bereich hat stark zugenommen. War die Sparte zu schlecht auf die Digitalisierung vorbereitet?

Man muss hier differenzieren. Supermärkte, der Möbelhandel und Baumärkte haben teilweise profitiert und Nachholeffekte verzeichnet. Besonders betroffen sind der Mode- und der Schuhhandel.Zum Teil ist zu wenig stark digitalisiert worden. Wir haben uns in den gut frequentierten Lagen auf unsere Stamm- und Laufkundschaften verlassen und waren nicht für einen Lockdown aufgestellt. Positiv an der Pandemie ist, dass genau das in Angriff genommen worden ist. Wir haben bei den Klein- und Mittelbetrieben eine riesige Digitalisierungsbereitschaft. Sie wollen nachziehen. Das betrifft die Gastronomie genauso wie den Handel. Sie ziehen mit Online-Lösungen und Social-Media-Aktivitäten nach. Oft mit ganz einfachen Lösungen. Sie wollen ihre Betriebe krisenresistent machen.

Die Autoindustrie war schon vor der Pandemie aufgrund des Diesel-Abgas-Skandals und der Klimadebatte in der Krise. Wie ist die Lage der doch starken oberösterreichischen Automobilzulieferindustrie?

Der Automotivebereich hat schneller wieder Anschluss gefunden, als er geglaubt hat. Das sieht man an den internationalen Märkten und an den Rohstoffpreisen.

Die angekündigte Schließung des MAN-Werks in Steyr ist ein Kristallisationspunkt. Obwohl der Standort positiv wirtschaftet.

Es ist ein Beispiel dafür, wie sehr wir mit unseren Standorten im internationalen Wettbewerb stehen. Wenn wir es nicht schaffen, einen Forschungs- und Innovationsschwerpunkt zu haben, dann sind wir gegen günstigere Produktionsstätten leichter austauschbar. Wir müssen im Zusammenspiel der internationalen Konzerne unverzichtbar werden.

MAN hat 2017 mit Bundeskanzler Kern den ersten Elektro-Lkw vorgestellt, nun wird der Standort geschlossen.

Erstens ist es noch nicht fix, ob tatsächlich zugesperrt wird. Zweitens gibt es schon einige Interessenten. Ich mache mir keine großen Sorgen um den Produktionsstandort Steyr, weil so viel Know-how und so viele Fachkräfte da sind, die ohnehin gesucht werden. Jetzt wird alles getan, um den Standort zu sichern, was ich voll unterstütze.

Sie haben kürzlich Ihre Vorstellungen zur geplanten Digital-Universität präsentiert. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass von mehreren Seiten vom Projekt eines internationalen Leuchtturms still und leise abgegangen wird.

Nein. Wir wollen einen Leuchtturm. Es ist uns wichtig, dass die Kooperation mit der Wirtschaft gelingt. Es soll im Gründungsauftrag festgeschrieben werden, dass gemeinsam mit den Betrieben geforscht und gearbeitet wird. Es sollen Produkte entwickelt werden, um Spin-off-Gründungen (Firmengründung durch wissenschaftliches Personal oder durch ehemalige Mitarbeiter, Anm.) zu ermöglichen. Das fehlt uns noch im Digitalisierungsbereich.

Die Diskussion um die Rückzahlung der Schulden, die der Staat für die Pandemiehilfen aufgenommen hat, hat bereits begonnen. Arbeiterkammerpräsident Johann Kalliauer lehnt eine Belastung der Arbeitnehmer ab und plädiert für Vermögenssteuern. Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, will durch Wirtschaftswachstum aus den Schulden herauskommen und allenfalls eine leichte Erhöhung einer Massensteuer in Kauf nehmen.

Von Vermögens- und Erbschaftsteuern halten wir nichts, weil sie die Familienbetriebe bei den Übergaben massiv trifft. In der Phase eines Wirtschaftswachstums, das wir hoffentlich bald erleben, ist jede Steuererhöhung Gift. Wir müssen jetzt die Wirtschaft und den Konsum ankurbeln. Wir haben noch andere Abgaben abzuarbeiten, zum Beispiel die Ökologisierung der Steuerstruktur. Wir wollen mit dem Sozialpartner den Faktor Arbeit entlasten. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Steuern wegzunehmen, statt Steuern neu zu erfinden. Eine Entlastung ist die dringendere Aufgabe.

Die Bauern möchten die Herkunftskennzeichnung auch auf den Speisekarten der Gastronomie verankern. Der Unabhängige Bauernverband (UBV) behauptet, dass der Wirtschaftsbund das verhindert und der Bauernbund sich gegen den Wirtschaftsbund nicht durchsetzen kann.

Das stimmt gar nicht, weil wir noch gar nicht über Details zu diesem Vorschlag diskutiert haben. Wir kennen den Wunsch der Landwirtschaft, wir sind nur gebrandmarkt von der Allergenverordnung. Wir haben hier enorme bürokratische Auflagen erfüllen müssen.

Diese Kennzeichnung mit den verschiedenen Buchstaben ist oft schwer zu entziffern.

Ich bitte um Verständnis, dass in der jetzigen Situation, wo unsere Wirte ums Durchkommen kämpfen, neue bürokratische Auflagen nicht unsere erste Priorität sind. Wir werden uns aber ganz sicher an einen Tisch setzen und schauen, wie das funktionieren kann. Wie können wir ein System aufbauen, in dem wir alle Wünsche, die der Konsumenten, der Produzenten und die der Gastronomie, erfüllen. Wie bewältigt ein Wirt das, wenn er Fleischlieferungen von unterschiedlichen Bauern hat, Schweinebraten macht und ihn in kleine Stücke herschneidet? Wie kann man dann die Herkunftskennzeichnung umsetzen? Es gibt heute schon ganz viele Gastronomen, die ihre Lieferanten bekannt geben.

Halten Sie ein weiteres Investitionspaket zur Ankurbelung der Wirtschaft für erforderlich?

Es braucht zwei Dinge. Eine attraktive Unterstützung für Investitionen und Innovationen. Die Investitionsprämie hat hervorragend funktioniert. Hier wurden Projekte vorgezogen und trotz der aktuell schwierigen Situation umgesetzt. Das hat die Förderung mit den sieben bzw. 14 Prozent ausgelöst. Auch wenn es nun die Gemeindemilliarde gibt, gibt es hier eine große Zurückhaltung. Unsere Betriebe in den Gemeinden spüren noch keine Aufträge. Hier warten wir auf die Umsetzung. Weiters erwarte ich mir Fördermodelle, wie wir sie bei der Ökologisierung und der Digitalisierung hatten, sodass die Betriebe investieren und sich damit zukunftsfähig machen.

Wann erwarten Sie eine Lockerung für die Gastronomie?

Wir hoffen, dass die Situation dank Impfungen und Testungen so weit stabil ist, dass wir uns die ersten Öffnungsschritte Anfang März erlauben können. Das ist unser erklärtes Ziel.

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