Herbert Sieghartsleiter: Das Wichtigste ist das Rehwild. Es werden rund 81.000 Stück erlegt, die Schusszeit beginnt am 1. Mai und endet mit 31. Dezember. Er werden auch rund 31.000 Hasen, rund 4.200 Hirsche und 1.600 Stück Gamswild erlegt.
Das Land OÖ hat dreimal die Genehmigung für den Abschuss von Wölfen erteilt, aber die Jäger haben erst einen erwischt. Ist der Wolf klüger als der Mensch?
Davon gehe ich aus, das ist aber auch keine besondere Kunst, wenn es um die Eigenschaft des Versteckens, des Verbergens und des Sich-unsichtbar-Machens geht. Da ist er dem Menschen haushoch überlegen. Zudem sind die zum Abschuss freigegebenen Risiko-Wölfe Einzeltiere.
Die derzeitige Regelung ist für mich in Ordnung. Die Abschussgenehmigung gilt immer nur für vier Wochen, der Radius ist mit zehn Kilometern begrenzt.
Man nimmt damit den Menschen die Angst, aber das ist noch kein Wolfsmanagement. Wir setzen im Auftrag der Politik diese Dienstleistung für die Alm- und Weidebauern und die Gesellschaft um, es gibt von uns kein Eigeninteresse an der Wolfsjagd.
Wie sehen Sie persönlich den Wolf?
Es ist eine geniale Wildart. Er ist extrem prägend und gestaltend. Er prägt mit seinem Beuteschema die anderen Wildarten. In Nordamerika wurde beispielsweise der Wolf zur Regulierung der Karibus eingesetzt. Damit sind wir schon beim kritischen Punkt.
Er lässt die Formen der Alm- und Weidebewirtschaftung nicht mehr zu. Damit gibt er vor, wie Landwirtschaft betrieben wird.
In der Schweiz werden die Almbauern finanziell massiv unterstützt, damit sie sich die teuren Herdenhunde und Schutzzäune gegen die Wölfe leisten können. Ist ein paralleles Dasein von Weidewirtschaft und Wölfen nicht doch möglich?
Nein, es ist nicht möglich. Die Schweiz beweist das, denn dort wird nun ein Drittel der Wolfspopulation entnommen. Frankreich hat im vergangenen Jahr 17 Prozent des Wolfsbestandes entnommen. Almen und Weidewirtschaft sind hochsensible Zonen, sie sind die vornehmlichsten Lebensräume unserer Wildtiere. Stellen Sie sich vor, man würde sie mit Zäunen zumachen, um die Herden zu schützen?
Das wäre ein massiver Eingriff in die Ökosysteme. Das ist mein Vorwurf an die Wolfsschützer. Wegen eines Tieres werden ganze Ökosysteme geopfert. Ganze Weidegebiete und Äsungsmöglichkeiten werden für Wildtiere ausgeschlossen.
Die Wölfe waren bislang ausgerottet.
Deswegen hat man dieser Tierart mit der Berner Artenkonvention von 1979 wieder eine Chance gegeben. Inzwischen hat sich der Wolf rasant vermehrt, alle drei Jahre kommt es zu einer Verdoppelung. Deshalb muss diese Regelung überarbeitet werden.
Wenn man langfristig mit dem Wolf leben will, muss man die Richtlinien verändern, indem man dem Wolf Schutzräume zur Verfügung stellt, weiters Zonen, wo er durchziehen kann, und Zonen, wo er nicht sein kann.
Wie viele Wölfe gibt es in Oberösterreich?
Man redet von drei bis fünf Rudeln im Grenzbereich zu Tschechien und der Slowakei. Genaue Zahlen gibt es nicht. Fakt ist, er hat sich stark vermehrt und er wird bleiben. Das darf er auch, aber es braucht ein Wolfsmanagement.
Wo sehen Sie die Freiräume für den Wolf in Oberösterreich?
Es geht nicht in den urbanen Räumen und nicht in den Gebieten mit Alm- und Weidewirtschaft. Es ist durchaus vorstellbar, dass Wölfe in großen, zusammenhängenden Waldgebieten leben. Sie leben auch jetzt dort. Zum Beispiel im Böhmerwald.
Es wird das Jagdgesetz novelliert, das vorsieht, dass die Jäger künftig mehr Wild schießen sollen, damit die Knospen der Jungbäume weniger gefressen werden. Das soll die Aufzucht neuer, wärmeresistenter Baumarten anstelle der Fichtenmonokulturen sichern und den Wald klimafit machen. Die Jäger haben dem zugestimmt.
(lacht) Das war eine intensive Zeit und es waren schwierige Verhandlungen. Wir haben uns auf einen Kompromiss geeinigt, der nicht mein Wunsch ist.
Von den Waldbesitzern gab es immer wieder Klagen darüber, dass die Tiere die Knospen der Jungbäume fressen.
Ich bin ständig mit diesen Pauschalaussagen konfrontiert, die ich ein wenig belächeln muss. Wir haben das beste Wäldermonitoring in ganz Österreich. Wir haben uns bei der Verordnung zum Jagdgesetz auf Werte geeinigt, die für uns eine ziemliche Erschwernis werden.
Warum Erschwernis?
Weil die Wildbestände doch relativ klar und deutlich reduziert werden müssen. Wir lieben unsere Tiere, obwohl wir sie bejagen. Mit dem Anpassen der Wildbestände leisten wir einen ganz wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft, um gemeinsam die Funktionsfähigkeit der Wälder zu sichern.
Dennoch sind Sie unglücklich, das ist unübersehbar.
Es ist der Forstseite und der Grundeigentümerseite in einem Übermaß gelungen, einen Schuldigen zu suchen, um sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen. Ich lehne es ab, ein derart multifaktorielles Problem monokausal zu lösen. Wir stehen dazu, dass der Wald umgebaut werden muss.
Aber dass wir so eine Monokultur an Fichten haben, war die Entscheidung der Grundeigentümer und der jahrelangen Beratungen der Landwirtschaftskammer. Und wir sollen plötzlich schuld sein, dass die Wälder nicht klimafit sind?
Manche Grundeigentümer sagen sogar, das Wild muss ganz weg. Hier werden wir ganz harte Fronten aufbauen. Die Wildtiere haben auch einen Anspruch und eine Berechtigung auf die Nutzung des Lebensraumes, wie wir Menschen.
Sie betreuen in Hinterstoder eine Hochgebirgsjagd mit einer Fläche von 1.200 Hektar. Wie geht es den Gämsen, denen der Klimawandel zusetzt?
Wir machen hier ein genaues Monitoring. Es zeigt sich, dass die Bestandsgrößen noch nicht wirklich darunter leiden. Wir haben aber deutlich geringere Wildbretgewichte. Das ist immer ein Ausdruck von Stress. Durch die Erwärmung haben die Tiere mehr Parasiten, sie können nicht wie in den Hohen Tauern rauf auf 2.000 Meter Höhe.
Um wie viel geringer ist das Gewicht der Tiere?
Um rund zehn Prozent. Ein starker Gamsbock wiegt aufgebrochen durchaus 30 Kilogramm, im Lebendgewicht rund 40 Kilogramm. Wir sind bei unseren Untersuchungen auf den roten Magendrehwurm gestoßen, den es früher überhaupt nicht gegeben hat. Damit kann die Gams ganz schlecht umgehen.
Wegen der wärmeren Winter verhungern kaum mehr Tiere, aber sie kommen trotzdem so geschwächt in die Winter, dass es mehr Ausfälle gibt als früher. Gegen die Erkrankungen kann man kaum etwas tun, man kann nur die kranken Tiere entnehmen.
Ich möchte hier noch einen wichtigen Punkt anführen. Es geht nicht an, dass der Mensch auch die letzten Ruhezonen der Wildtiere in Anspruch nimmt. So manche Politiker sind der Meinung, dass wir keine wildökologische Raumordnung benötigen.
Gibt es so eine?
Nein, wir haben das nicht zustande gebracht. In den drei Bundesländern Salzburg, Steiermark und Vorarlberg gibt es sie. Je mehr und umfassender die Ansprüche der Menschen werden, umso stärker benötigen wir eine Ordnung.
Es ist also ein Problem, dass sich zum Beispiel die Mountainbiker und Tourengeher immer mehr Naturräume erobern und dadurch das Wild zurückgedrängt wird.
Wir müssen uns auf Spielregeln in der Natur einigen. Das ist wie im Autoverkehr. Vor hundert Jahren waren wegen der paar Autos in Linz keine Verkehrsregeln notwendig. Heute wären zehn Minuten ohne Verkehrsregeln eine Katastrophe. Je mehr Ansprüche und Präsenz, um so mehr Regeln sind notwendig.
Wir brauchen rechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen. Politiker scheuen aus Angst um den Verlust von Wählerstimmen davor zurück. Wir werden uns an das Wort Verzicht gewöhnen müssen. Es geht uns so gut. Wir können auf viel verzichten, und es geht uns immer noch sehr gut.
Der Kessel von Hinterstoder umfasst 100.000 Hektar. Er wird nicht größer. Der Mensch würde das unreglementiert zu Tode nutzen. Die einen wollen noch eine Seilbahn, die anderen noch eine Flugvariante.
Wer ist für die wildökologische Raumordnung zuständig?
Landesrat Markus Achleitner. Er bietet das Projekt „In unserer Natur“ an, das auf Freiwilligkeit beruht. Er hält unsere Vorschläge für gut, im Bereich der Freiwilligkeit, aber nicht eine Verordnung per Gesetz.
Er vertritt auch die Interessen des Tourismus.
Jetzt sind wir beim Punkt. Jeder sagt, ja ich bin dafür, aber bitteschön nicht bei mir. Der Druck auf die Natur ist gerade durch Corona noch viel stärker geworden. Das geht nur dann, wenn wir das ordnen.
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