„Der Umstieg auf erneuerbaren Strom kostet Geld“

Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG
100 Prozent erneuerbarer Strom bedeutet für OÖ zwei neue Kraftwerke, 100 Mio. € für die Fotovoltaik und viele neue Leitungen. Ein Interview mit Werner Steinecker, dem Generaldirektor der Energie AG.

Werner Steinecker (63) hat 1972 als Lehrling in der Energie AG begonnen und ist seit 2017 Generaldirektor.

KURIER: Die grüne Infrastrukturministerin Leonore Gewessler will das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz, durch das Strom bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie erzeugt werden soll, ins Parlament einbringen. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Werner Steinecker: Das ist eine umfassende Materie, die in viele Bereiche hineinreicht. Das Gesetz benötigt im Parlament eine Zweidrittelmehrheit, das heißt, die SPÖ muss zustimmen. Das bedeutet wiederum eine Nachoptimierung. Selbst wenn es im Parlament beschlossen wird, wird es eines jener Gesetze werden, das sehr oft nachverhandelt und nachjustiert werden wird.

Wir sind positiv betroffen von der Herangehensweise in der Wasserkraft. Es gab hier von den Nichtregierungsorganisationen (NGO) Gedanken, Wasserkraftstrecken zurückzubauen. Das wäre das Ende der modernen Wasserkraftnutzung gewesen. Wir produzieren immerhin 65 Prozent des Stroms aus der heimischen Wasserkraft.

Da wäre zum Beispiel das Kraftwerk Lambach wieder weggerissen worden.

Nicht nur Lambach, sondern auch viele andere Kraftwerke. Unter dem Titel der ökologischen Naturalisierung. Hier muss ich Frau Gewessler Respekt zollen, denn sie hat von den Nichtregierungsorganisationen, von denen sie kommt, Druck verspürt. Wir wollen aus fünf alten Steyrermühl-Kraftwerken eine ordentliche Anlage im Traunfall bauen. Das wäre nicht möglich gewesen, jetzt sind wir aber dazu in der Lage.

Das Kraftwerk wird also gebaut.

Wir sind schon in der Planung und Vorbereitung.

Welche zusätzliche Investitionen wird die Energie AG tätigen, um das Gesetz Realität werden zu lassen?

Zum Kraftwerk Traunfall kommt noch das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee. Das ist ein Investment von 200 Millionen Euro. Für die Fotovoltaik wollen wir in den nächsten fünf Jahren weitere 100 Millionen ausgeben.

Welche Fotovoltaikanlagen sind in Planung?

Das ist hauptsächlich eine Mischung aus privaten und industriellen Anlagen, wo wir auf Gewerbe- und Industriedächern den Unternehmen Contracting-Modelle anbieten. Wir bauen die Anlage und betreiben sie auf unser Risiko. Nach 20 Jahren geht sie ins Eigentum des Unternehmens über.

Werden auch auf der grünen Wiese Fotovoltaikanlagen errichtet?

Da darf, mit Ausnahme von ehemaligen Deponien und Bergwerksanlagen, ohne entsprechender Widmung im jeweiligen Bundesland nicht gebaut werden. Agrarische Flächen können daher fürs Erste in Oberösterreich nicht genutzt werden. Wenn man mit den Anlagen auf den Industrie- und Hausdächern bzw. vorbelasteten Flächen nicht das Auslangen findet, dann wird man wahrscheinlich auch auf ebener Erde etwas machen müssen, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Dafür braucht es aber den entsprechenden politischen Willen der Länder in der Raumordnung.

Sind Investitionen in die Windkraft geplant?

Wenn wir die Chance bekommen, uns bei Windkraftanlagen zu beteiligen, wie zum Beispiel im südlichen Niederösterreich, dann machen wir es. Es ist ausgeschlossen, dass wir in Oberösterreich Windkraftanlagen bauen.

E-Control-Vorstand Andreas Eigenbauer hält es für sehr unwahrscheinlich, dass Österreich die Ziele der erneuerbaren Energie bis 2030 erreichen wird. Denn man müsste die Hälfte der Energieerzeugung in Österreich neu bauen. Teilen Sie seine Skepsis?

Mit der Hälfte liegt er absolut richtig. Wenn man die Vorgabe von 27 Terawattstunden an neuer erneubarer Energie mit hoher Dominanz von Fotovoltaik (11 Terawattstunden) und Windkraft (10 Terawattstunden) und Wasserkrafterneuerung (5 Terawattstunden) erreichen will, muss man wirklich zupacken. Denn es sind nur mehr gut neun Jahre Zeit. Es ist aber nicht unsere Aufgabe als E-Wirtschaft, die Politik zu kritisieren. Es ist unsere Herausforderung, mit betriebswirtschaftlichen Herangehensweisen möglichst nahe an das Endziel zu kommen.

Braucht es in Oberösterreich neue Stromleitungen? Es ist ja in Summe mehr Strom notwendig.

Es braucht nicht nur die Bereitschaft, Fotovoltaikanlagen zu errichten, auch von privater Seite, sondern auch den Weg des Transports. Das ist in der Regel die Niederspannungsebene, die 400-Volt-Ebene. Dann geht es weiter auf die Mittelspannungsebene, die 30-kV-Ebene. Dann ist man schnell auf der 110- 220- und 300-kV-Ebene. Wir müssen kräftig in den Leitungs- und in den Speicherausbau investieren. Für den Leitungsausbau braucht es in Österreich Investitionen von 18 Milliarden Euro.

Ins Mühlviertel soll eine 110-kV-Leitung errichtet werden, gegen die es eine Protestbewegung gibt, im Innviertel wird eine Leitung von Ried/I. nach Raab gebaut, die auch auf Widerstand stößt. Sind darüber hinaus noch Leitungen geplant?

Wenn wir die eben zitierten Leitungen fertig haben, dann sind wir auf Ebene der Hochspannung für die Zukunft gut aufgestellt. Dazu kommt noch die Almtalleitung von Micheldorf nach Pettenbach. Wenn der Verbund den Lückenschluss von Braunau nach Salzburg hat, dann ist auch diese Spannungsebene gut geeignet für den Alternativprozess. Dann wird man noch viel Geld in die Mittelspannungsertüchtigung investieren müssen. Man muss neue Trafo-Stationen und neue Umspannwerke bauen. Dazu kommen Tausende Kilometer an Erneuerungsbauten, Verstärkungen, neue Leitungen auf der Niederspannungsebene. Da besteht durchaus noch viel Investitionsbedarf.

Die Konsumenten bezahlen die Investitionen in Form von höheren Stromtarifen, dafür ist der Strom aus erneuerbarer Energie.

Der Umstieg auf erneuerbare Energie kostet Geld Insbesondere durch den Umbau des Netzes und höherer Netzkosten sowie den Abgaben. In Deutschland ist das schon so.

„Der Umstieg auf erneuerbaren Strom kostet Geld“

Die batteriebetriebenen E-Autos könnten in 20 Jahren schon wieder der Vergangenheit angehören

Sie sehen die Zukunft der E-Autos wegen der beschränkten Batteriekapazitäten durchwachsen. Die Autoindustrie wie beispielsweise VW setzt voll auf die E-Autos. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Man muss den Begriff E-Auto analysieren. Jetzt wird unter E-Auto das batteriebetriebene Auto verstanden. Man kann das E-Auto aber auch mit einer Brennstoffzelle betreiben. Die moderne Autoindustrie setzen auf E-Mobilität. Im jetzigen Anflug noch mit Batteriebetrieb, weil es fertigungstechnisch das Simpelste ist. Die Arbeitsschritte im Verhältnis zu einem Benziner oder Diesel sind wenige, und man kann noch mehr dafür verlangen. Wenn die Wasserstofftechnologie auf Brennstoffzellenbasis die Serienreife erreicht hat, wird sie reüssieren. Das weltweite Wasserstoff-Antriebskompetenzzentrum ist in Sacramento in Kalifornien.

Das sind wir in Europa wieder einmal hinten?

Ja, wir sind hinten. China war lange das Vorzeigeland für batteriebetriebene Autos. China hört damit auf und steigt auf wasserstoffbetriebene Autos um, weil die -Bilanz nicht mehr stimmt. Die Gewinnungskosten der seltenen Erden, die für Batterieherstellung notwendig sind, sind hoch. Außerdem würden sie zum Betrieb der E-Autos neue Kohle- und Atomkraftwerke benötigen.

Sie sehen also die Chance im Wasserstoffauto.

Nicht morgen und nicht übermorgen. Ich schätze, dass in zehn Jahren die Trendumkehr beginnt. In 20 Jahren wird niemand mehr über Batterieautos reden. Die wasserstoffgetriebene Brennstoffzelle hat auch eine Batterie, als eine Art Puffer-Medium. Die Batterie wiegt aber keine 200 oder 300 kg wie bei einem Tesla, sondern sie ist 40 bis 50 kg schwer. Sie dient als Booster (Leistungsverstärker, Anm.) für den Überholvorgang, und zur Stromversorgung für den Bordstrom und die Klimaanlage.

Laut dem Wirtschaftsforscher Karl Aiginger sollte es ab 2030 keine Diesel- und Benzinfahrzeuge mehr geben dürfen, denn ansonsten sei das von Bundeskanzler Sebastian Kurz proklamierte Ziel nicht erreichbar, dass Österreich 2040 klimaneutral ist. Und keine Häuser und Wohnungen, die mit Gas oder Öl heizen. Das ist doch eine unrealistische Vorstellung, oder?

Politiker proklamieren Steilvorlagen. Die Bevölkerung ist beeindruckt und sagt, unglaublich, wenn das alles wahr wird. In zehn Jahren erinnern sich nur wenige daran. Vor 20 Jahren wurde wegen des sauren Regens der Teufel an die Wand gemalt. Wer redet heute noch darüber?

Wie beurteilen Sie die synthetischen Kraftstoffe, die Benzin und Diesel ablösen sollen? Porsche hat sich an einer Anlage in Chile beteiligt. Sind synthetische Kraftstoffe realistisch?

Hundertprozentig. Für gewisse Antriebsarten wie zum Beispiel Schwerlaster hat dieser Kraftstoff eine große Zukunft, da einfach eine hohe Energiedichte zur Verfügung steht und man damit große Distanzen bewältigen kann. Hier liegt auch das Grundübel der Batterie. Sie bringt nicht jene Energiedichte zustande, um damit 1.000 Kilometer weit zu fahren.

Es hat kürzlich eine Hausdurchsuchung in der Energie-AG-Sparte Abfallbeseitigung wegen angeblicher Preisabsprachen gegeben.

Wir kooperieren mit den Ermittlungsbehörden. Wir haben ein gutes und ruhiges Gewissen. Es ist ein offenes Verfahren, weswegen ich um Verständnis bitte, dass ich dazu keinen Kommentar abgeben kann.

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