Das Gesicht der Sonne zugewandt

Josef Ertl
Ist die Gesellschaft tatsächlich gespalten? Nicht wirklich. Demokratische Prozesse sind so.

„Wende Dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter Dich.“ Mit diesem afrikanischen Sprichwort beendete der australische Historiker Christopher Clark, Professor für Geschichte an der Universität Cambridge, eine Fernsehdokumentation über den südlichen Kontinent, die am Neujahrstag ausgestrahlt worden ist.

Mit Optimismus ins neue Jahr zu gehen, ist sicherlich motivierender, als das Glas halb leer zu sehen. Das kann aber kein naiver Fortschrittsglaube sein, sondern bedeutet, die Dinge einmal so zu akzeptieren, wie sie sind. Die Hoffnung ist berechtigt, heuer die Corona-Epidemie zu überwinden, aber derzeit überrollt uns die fünfte Welle. Es ist vernünftig, die Vorsichtsmaßnahmen umzusetzen, um die Welle möglichst rasch zum Abebben zu bringen. Emotionales Theater hilft nicht weiter. Schluss mit der Hilflosigkeit, raus aus der Opferrolle, hinein ins rationale Tun.

Ist die Gesellschaft tatsächlich gespalten? Nicht wirklich. Was überrascht, sind Verhaltensweisen von Menschen, die ihre Freiheit über alles stellen, und von denen man gemeint hat, sie wären vernünftig und solidarisch. Aber so ist es eben, man muss mit ihnen leben. Demokratie bedeutet Pluralität. Sie führt Entscheidungen über Mehrheiten herbei. Das zu akzeptieren, müssen auch die Minderheiten lernen.

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