Stefan Pimmingstorfer: In meinem Verantwortungsbereich haben wir viel zu wenig Fach- und Pflegekräfte. Der Beruf muss attraktiver werden. Wir führen vier Seniorenhäuser. Nur eines ist voll belegt, in den anderen drei fehlt uns insbesondere diplomiertes Pflegepersonal. Darüber hinaus haben wir starke mobile Pflegedienste.
Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier tätig?
Mehr als 300. Sie unterstützen das System der Pflege zu Hause. Wir brauchen künftig Lösungen, die neben den mobilen Angeboten zu Hause, neben dem betreuten Wohnen und den Seniorenwohnhäusern sicherstellen, dass 2030, wenn der demografische Wandel wirklich schlagend wird, die Pflege gesichert ist. 2030 werden uns österreichweit 50.000 Pflegekräfte fehlen. Die Politik ist gefordert, den Fleckerlteppich, den wir neun Mal unterschiedlich haben, zu entflechten.
Jedes Bundesland gestaltet die Pflege nach eigenen Vorstellungen.
Genau. Wir müssen schauen, wie wir das von der Finanzierung her besser schaffen. Bund und Länder sind hier zuständig. Der Fokus muss viel stärker in Richtung Prävention gehen. Wir können manchmal nicht reagieren, weil uns das Personal fehlt. Das Ziel kann nur sein, die Menschen möglichst lange zu Hause zu unterstützen. Auch das familiäre Umfeld, damit pflegende Angehörige weiterhin ihrem Beruf nachgehen können. Sie wissen, dass ihre Eltern gut versorgt sind und zu Hause zurechtkommen.
Wie kann der Pflegeberuf attraktiviert werden?
Wir brauchen eine Verbesserung des Stellenwerts des Pflegeberufs. Der Beruf wird in der Öffentlichkeit zu wenig wertgeschätzt. Wir suchen händeringend sowohl in Österreich als auch international Pflegekräfte. Wir scheitern aber immer wieder an den Rahmenbedingungen, die von der öffentlichen Hand bei der Entlohnung und Finanzierung zur Verfügung gestellt werden.
Sie sind zu schlecht bezahlt?
In Relation zum hohen Stellenwert, den Pflege- und Betreuungskräfte für die Gesellschaft haben, schon. In den vergangenen Jahren ist allerdings schon einiges geschehen.
Wie viel verdient man in diesem Bereich?
Je nach Vordienstzeit und ohne Zulagen verdient eine diplomierte Pflegekraft rund 3.500 Euro brutto im Monat bei 37 Wochenstunden. Dazu gibt es für sie das Pflegepaket zwischen 56 und 250 Euro pro Monat. Dienstspezifische Zuschläge werden zusätzlich vergütet, wie beispielsweise Nachtdienste oder Vertretungen. Eine Fachsozialbetreuerin Altenarbeit erhält rund 3.000 Euro brutto.
Meine Sorge ist, dass man die Anzahl der gut Ausgebildeten reduziert, um mit niedrigerer Qualifizierung die Grundversorgung zu sichern. Wir wollen als Caritas Menschlichkeit pflegen, dafür benötigt man Zeit. Diese Zeit ist ein knappes Gut. Wenn man Quantität voranstellt, ist es schwierig, Qualität sicherzustellen.
Künstliche Intelligenz und Digitalisierung sind hilfreich, es gibt aber zu wenig Finanzierungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung, um die neuen Technologien so einsetzen zu können, damit wir mehr beim Menschen sind.
Eine Klage, die immer wieder kommt, sind die Dokumentationspflichten, für die sehr viel Zeit aufgewendet werden muss. Das geht auf Kosten der Zeit für die zu betreuenden Personen.
Wenn wir ein volles Haus und zu wenig Personal haben, wird es durch die Dokumentationspflichten zeitlich immer enger. Die Zeit am Computer hindert uns in der Betreuung. Dank der Unterstützung durch Forschungseinrichtungen lassen wir die Dokumentation im Hintergrund mitlaufen. Der oder die Pflegerin arbeitet und spricht mit der zu betreuenden Person, im Hintergrund dokumentiert die Künstliche Intelligenz durch Spracherkennung die Tätigkeit. Das ist einer der Schritte, wie man Lebensqualität für Menschen in Seniorenheimen verbessern kann.
Einsamkeit ist für viele ältere Menschen ein Problem.
Einsamkeit ist immer schon groß und nimmt stark zu. Menschen im Alter vereinsamen und sterben so schon einen sozialen Tod. Wir suchen beispielsweise Interessierte, die bereit sind, jemanden zu begleiten und dafür günstigen Wohnraum bekommen. Diesen Wohnraum teilt man sich. Das ist zum Beispiel eine Möglichkeit für Studierende, die in der Pflege oder im Sozialbereich in Ausbildung sind. Sie haben bereits den Focus darauf, Menschen zu begleiten, und sind oft mit Wohnungsnot konfrontiert. An diesem Modell arbeiten wir gerade.
Wie kann man Menschen, die bisher einen anderen Beruf gehabt haben, zum Beispiel einen Industriearbeiter, zum Umstieg in die Pflege bewegen?
Oft sind es die Barrieren im Kopf. Es gibt Berührungsängste. Die Menschen fragen sich, traue ich mir das zu? Sie sind sich nicht sicher, ob sie in einem bestimmten Lebensalter die Ausbildung noch starten möchten. Es ist aber in jedem Fall ein zukunftssicherer Job, in dem sie einen Beitrag leisten können, mehr Menschlichkeit in die Welt zu bringen.
Jenen, die hier unsicher sind, empfehle ich, mit der Caritas in Kontakt zu treten. Es gibt das Pflegestipendium oder Stiftungen zur finanziellen Absicherung. Wir haben drei Sozialbetreuungsschulen, in denen man erfahren kann, wie die Ausbildung und die Arbeit sein werden. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig.
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