80 Prozent aller Infektionskrankheiten werden laut WHO über die Hände übertragen. Mehr als 150 Bakterien-Arten hat jeder Mensch auf seinen Händen. Bis zu 10 Millionen Bakterien leben im Schnitt auf einem Quadratzentimeter menschlicher Haut.
Am 5. 5. ist der Tag der Handhygiene. Anlass genug, um nachzufragen, wie denn sinnvolle Hygiene tatsächlich ausschauen muss und zu hinterfragen, ob die Begrüßung durch Händeschütteln überhaupt noch zeitgemäß ist.
Das Datum 5. 5. wurde bewusst gewählt und symbolisiert die fünf Finger einer Hand. Darauf bauen die fünf Momente der Handhygiene auf: „Damit arbeiten wir im Klinikalltag ständig“, erklärt Gertraud Schmid-Rebatz, seit 30 Jahren Hygienefachkraft am Klinikum Schärding.
Konkret bedeutet das im Spital: Hände desinfizieren vor dem Patientenkontakt, vor einer aseptischen Tätigkeit (etwa Verbinden von Wunden), nach dem Kontakt mit potenziell infektiösem Material (z. B. Blutabnahme), nach Patientenkontakten und nach dem Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung (z. B. Bettwäsche).
Daumen und Fingerkuppen als Stiefkinder
In Schulungen übt das Klinikpersonal mit fluoreszierendem Desinfektionsmittel unter Schwarzlicht, um zu sehen, ob die Reinigung ausreichend war: „Da sieht man oft, dass der Daumen und die Fingerkuppen die Stiefkinder sind. Das muss man also bewusst machen“, so Schmid-Rebatz.
Die Diplomkrankenpflegerin dokumentiert an ihrer Arbeitsstelle auch den Verbrauch an Desinfektionsmitteln, „der seit Corona massiv gestiegen und seitdem auch nicht mehr zurückgegangen ist.“ Da habe es also ein Umdenken gegeben.
Effiziente Handhygiene sei wichtig, um keine Keime zu übertragen, nicht nur auf die Patientinnen und Patienten, sondern auch umgekehrt. „Das ist natürlich auch Selbstschutz für das Personal.“
Händeschütteln ist im Klinikalltag kein Thema, in Schärding hängen überall Plakate mit der Aufschrift: „Wir verzichten auf das Händegeben, begrüßen Sie aber mit einem Lächeln.“.
Das Händeschütteln sei im Spital wirklich bedenklich, sagt Gertraud Schmid-Rebatz. Und wie handhabt es die Expertin privat?
Blickkontakt reicht
„Ja, privat gebe ich die Hand. Ein gewisses Maß an Keimen ist nötig und normal. Meine persönliche Meinung ist aber, dass das nicht unbedingt nötig ist. Ein ehrliches Lächeln und Blickkontakt sind genug.“
Wer die richtigen Mittel benutzt, sollte eigentlich auch keine Probleme mit trockener Haut haben: „Händedesinfektionsmittel enthalten rückfettende Substanzen, somit greifen sie den Schutzmantel der Haut nicht an und können beliebig oft verwendet werden“, versichert die Hygienefachkraft.
Nachgefragt: Ist Händeschütteln als Begrüßung überhaupt noch zeitgemäß?
Gerhard Jakob, 43, Mediziner aus Linz: „Ich als „Beziehungswesen“ finde das tief in unserer Kultur verwurzelte Reichen der Hand zum Gruß als ganz wichtig für mein zwischenmenschliches Erleben und Empfinden. Es hilft uns sicherlich, miteinander „in Berührung“ zu kommen. Natürlich muss jeder für sich entscheiden dürfen, ob er diesen Kontakt möchte. In Zeiten, wo quasi überall Wasser, Seife und Desinfektionsmittel verfügbar sind, möchte ich persönlich das Händeschütteln als Begrüßung nicht missen wollen.“
„Der klassische Händedruck gerät in den Hintergrund. Er ist für viele junge Menschen nur noch bei Anlässen, zum Beispiel als Gratulation zu einer bestandenen Prüfung oder am Geburtstag, relevant. Im Alltag wurde er fast vollständig vom Einschlagen oder einer kurzen Umarmung abgelöst. Meiner Meinung nach zeigt das, dass der persönliche Kontakt, auch körperlich, für junge Menschen immer noch wichtig ist. Daran konnte Corona langfristig nichts ändern. Der einzige Unterschied liegt in der Art dieses Kontakts, welcher sich mit der Zeit verändert.“
„Wir sind seit Jahrhunderten eine Gesellschaft, die sich beim Grüßen die Hände gibt. Andere Gesellschaften haben andere Rituale, die Japaner zum Beispiel verbeugen sich. Das Händeschütteln sollte man überdenken. Wir akzeptieren, dass wir jedes Jahr 2.500 Influenza-Tote haben. Es ist jedenfalls eine Verhaltensweise, die die Übertragung von Krankheitserregern begünstigt.“
Diese Meinung vertrat Walter Aichinger im September 2020 in einem KURIER-Interview zur Corona-Krise. Eine aktuelle Stellungnahme zur Thematik wollte er nicht abgeben.
Wangenkuss: Bussi links, Bussi rechts: Vor allem in Europa sowie Zentral- und Südamerika geläufig. Oft werden Wangenküsse rein zwischen Familienmitgliedern und Freunden ausgetauscht. Die Anzahl der Küsse ist dabei je nach Land unterschiedlich.
Handschlag: Früher zeigte man dem Gegenüber so, dass man keine Waffe in der Hand hält und freundlich gesinnt ist. Heute sind Handschlag, Händedruck und Händeschütteln in Europa, Nord- und Südamerika geläufige Begrüßungsrituale.
Verbeugung: In Asien verbreitet. In Japan wahrt man damit einen Respektabstand. Je tiefer man sich verbeugt, um so mehr Respekt drückt man aus. Direkter Blickkontakt gilt als unhöflich. Auch in China ist man mit einer leichten Verbeugung gut beraten.
Nasenbussi: „Hongi“ nennt sich die Begrüßungszeremonie des Maori-Volkes, des ersten Volkes, das Neuseeland erkundete und dort lebte. Um Hongi auszuführen, berühren sich zwei Personen gegenseitig an Nase und Stirn. Auch in Abu-Dhabi Usus.
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