In Indien geboren
Saji Mullankuzhy ist 1978 in Südindien geboren. Im Bundesstaat Kerala sind rund 20 Prozent der 35 Millionen zählenden Bevölkerung Thomas-Christen, die sich auf den Heiligen Thomas zurückführen, der dort missioniert haben soll. Sie leben nach dem syrisch-malabarischen Ritus und sind mit der römisch-katholischen Kirche uniert. Im Gesamtindien sind rund zwei Prozent der Bevölkerung Christen.
Jüngstes von sechs Kindern
Mullankuhzys Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft, der Vater war auch in der Pfarre angestellt. Saji ist das Jüngste von sechs Kindern. Nach der Matura ist er nach einer einjährigen Überlegungsphase 1999 in den Orden eingetreten. „Die Sorge um die Kranken und Armen hat mich berührt“, sagt er. „Ich hatte auch den Wunsch, Priester zu werden.“ Bei den Brüdern sind nicht alle Priester. Alle Ordensangehörigen absolvieren aufgrund ihrer Gelübde (Armut, Keuschheit, Gehorsam und Hospitalität – Armen- und Krankenpflege) eine medizinische Ausbildung. Der Orden schickte ihn dafür 2004 nach Österreich (Wien). 2008 wurde er nach Linz entsendet. 2009 und 2010 arbeitete er als diplomierter Pfleger am Krankenhaus Linz und er lernte an der Gehörlosenambulanz die Gebärdensprache.
Provinzial
2011 begann er mit dem Studium der Theologie an Linzer Katholischen Universität. 2014 kehrte er nach Wien zurück, um die Funktion des Priors zu übernehmen, der Orden feierte in diesem Jahr auch das 400-Jahr-Jubiläum. 2018 wurde er zum Provinzial gewählt und 2019 zum Priester geweiht. 2022 wurde er als Provinzial bestätigt. 2024 wurde er in den Generalrat gewählt, das ist das oberste, sechsköpfige, weltweite Führungsgremium der Barmherzigen Brüder. Er ist für die nordeuropäischen Provinzen zuständig und Vorsitzender der Kommission zum Schutz gefährdeter Personen und der Kommission für den Umweltschutz.
KURIER: Sie sind Inder. Werden Sie hier in Europa voll akzeptiert?
Saji Mullankuzhy: In dieser Position habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht. Manchmal spüre ich aufgrund meiner Position als Ordensmann und Oberer einen gewissen Respekt und eine gewisse Reserviertheit. Aber nicht als Inder.
Wie war es in der Zeit, als Sie noch nicht Ordensoberer waren?
Während meiner Zeit der Ausbildung zum Krankenpfleger hatte ich einmal ein negatives Erlebnis. Eine Patientin wollte sich nicht von mir, einem „Dunkelhäutigen“, wie sie sagte, pflegen lassen.
Ist der sogenannte „Süden“ die Zukunft der Kirche? Ihr Ordensgeneral ist aus Afrika (Benin), es gibt afrikanische Priester in den Pfarren, es gibt zwei Kongolesen, die Interesse am Eintritt ins Stift St. Florian haben.
Es ist gut, wenn uns die anderen Länder mit ihren Kandidaten helfen. Wir haben hier noch zwei indische und zwei vietnamesische Mitbrüder. Aber sie können nur Teil der Lösung sein. Wir müssen hier in unserer Provinz Nachwuchsarbeit betreiben. Wir haben sie vernachlässigt. Wir konzentrieren uns nun darauf und verzeichnen erste Erfolge. Wir werden sicher nicht mehr zehn Eintritte pro Jahr haben, wie in der Vergangenheit, aber wir haben derzeit zwei Novizen, einer ist aus Österreich, einer aus Ungarn. Kürzlich haben ein Tscheche und ein Slowake ihre Profess abgelegt. Wir haben eine Profess pro Jahr.
Wo liegen die Probleme?
Es ist der Zeitgeist. Religion ist eine fremde Sache geworden. Daran ist teilweise die Kirche selbst schuld, sie hat ihre Anziehungskraft verloren. Sie hat es versäumt, aktuell zu sein.
Das II. Vatikanische Konzil (1962–1965) war eine Zeit des Aufbruchs, die große Bremse kam durch die Päpste Johannes Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013).
Das Motto des Konzils war, die Zeichen der Zeit zu erkennen und danach zu handeln. Das Problem ist, dass die Kirche das nicht gemacht hat. Hier gäbe es viel Potenzial. Es wäre Zeit für ein neues Konzil.
Braucht es wirklich ein neues Konzil?
Gibt es eine andere Lösung?
Es gab kürzlich die Bischofssynode.
Es gab beispielsweise die Amazonas-Synode (2019). Was ist von den Erwartungen umgesetzt worden? Es müssen andere Lösungen gefunden werden.
Sie betreiben viele Einrichtungen. Aber es sind Krankenhäuser wie in Linz ohne Mitbruder. Wie setzen Sie da Ihre ideellen Ziele um?
Es gibt derzeit keine andere Möglichkeit, weil wir wenig Brüder haben. In der Auswahl und der Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen wir Wert auf die christliche Gastfreundschaft, alle müssen am Kurs „Schule der Hospitalität“ teilnehmen. Für die Führungskräfte gibt es eine erweiterte Schulung. Unser Gründer Johannes von Gott (1495–1550) hat uns die christliche Gastfreundschaft vorgezeigt, ihr folgen wir. Ich selbst bin zwei Mal pro Monat in Linz. Ein christliches Krankenhaus muss sich von anderen Krankenhäusern unterscheiden.
In welcher Weise?
Wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Patienten und Besuchern umgehen. Es sollte eine andere Atmosphäre herrschen. Wir sorgen auch für Patienten, die nicht versichert sind.
Was ist die Zielsetzung des Kurhauses in Schärding?
Es ist eine andere Art, Hospitalität zu zeigen. Es geht um Erholung, die Menschen sollen zur Ruhe kommen. Wir bieten Ayurveda- und Kneippkuren und Erholung an.
Es gibt zu wenige Pflegepersonal. Sie bilden 65 derzeit in Indien, im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Kattappana, Nachwuchs aus, der dann hier in Österreich in der Pflege eingesetzt wird. Wie läuft das ab?
Wir haben in Kattappana eine Krankenpflegeschule. Die Pflegeausbildung in Indien dauert viereinhalb Jahre und entspricht eins zu eins der österreichischen Ausbildung. Wir wollen von dort 50 Pflegerinnen und Pfleger nach Österreich bringen. Wir haben für die Requirierung keine Agentur beauftragt, sondern wir machen alle Schritte selber. Die Bewerber erhalten dort Unterricht in Deutsch. Es kommen auch qualifizierte Leute aus Österreich nach Indien, um im Unterricht zu unterstützen.
Darunter ist zum Beispiel unsere ehemalige Wiener Pflegedirektorin. Sie unterrichten österreichisches Deutsch anders als deutschsprachige Inder. Es ist mir wichtig, dass die Aus- und Ansprache der Bewerber korrekt ist. Zudem helfen sie, den Kulturschock zu mindern. Die Bewerber lernen auch die österreichische Kultur kennen und erfahren, wie die Menschen hier miteinander umgehen.
Die Behördenwege hier in Österreich waren mit neun Monaten sehr lang. 30 Pflegerinnen und Pfleger sind schon da, 20 werden noch kommen.
Wie geht es den Christen in Indien? Es gibt Berichte über Verfolgungen. Premierminister Modi betreibt eine nationalistische Politik und setzt ganz auf die Hindus. Hauptopfer seiner Politik sind die Muslime. Hat sich die Situation für die Christen verbessert?
Vor zwei Wochen hat es in Nordindien wieder einen Übergriff auf eine Kirche gegeben, Priester sind von radikalen Hindus attackiert worden. Die Situation hat sich nicht wirklich gebessert.
Die Christen werden diskriminiert?
Ja. Wir hören immer nur von den schweren Übergriffen. Aber die tagtägliche Diskriminierung ist nicht in den Medien. Sie spielt sich beispielsweise so ab, dass die Polizei bei Übergriffen erst sehr spät eintrifft, wenn schon alles vorüber ist. Sie erfüllt damit den Wunsch der Politik. Es gibt viele Schwierigkeiten. Die Propaganda der Zentralregierung ist, dass Indien ein hinduistisches Land ist, wo andere keinen Platz haben.
Anders ist die Situation in Kerala (Südindien). Hier muss man differenzieren. Da ist Verhältnis zwischen den Hindus, den Muslimen und den Christen ein harmonisches.
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