Bankchef Schaller: „75 Prozent der EU-Vorschriften streichen“

Heinrich Schaller ist ein erfolgreicher Bankmanager
Der scheidende RLB-Generaldirektor Heinrich Schaller radikale Schritte zur Entbürokratisierung und Mut für Radikalansätze.

Heinrich Schaller (65) ist seit 2012 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ. Mit 1. Mai übergibt er die Funktion an Reinhard Schwendtbauer (53). Die RLB hat in dieser Zeit die Bilanzsumme von 39 auf 49 Milliarden Euro gesteigert, die Kernkapitalquote hat sich von 8,8 auf 17,7 Prozent verdoppelt.

KURIER: Sie sind am Ende Ihres offiziellen Arbeitslebens. Wie geht es Ihnen damit?

Heinrich Schaller: Ganz gut. Es ist eine Veränderung. Ich möchte erst einmal ein paar Monate Ruhe haben, was ich sehr genießen werde. Was sich dann tut, wird sich zeigen. Stress habe ich keinen.

Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Sie und Ihre sechs Geschwister wurden zu Vollwaisen. Wie haben Sie diese Katastrophe erlebt?

Ich war damals 13, es war ein gewaltiger Einschnitt. Ich hatte das Glück, dass ich fünf ältere Schwestern hatte, die sich um die Jüngeren gekümmert haben.

Ihr Vater war Generaldirektor der damaligen Raiffeisen-Zentralkasse, Ihr Bruder Martin ist Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Steiermark. Ein Naheverhältnis? Ich verstehe mich mit ihm auch privat sehr gut. Und aufgrund unserer Jobs ist natürlich eine intensive Gesprächsbasis da. Das ist für beide gut, weil wir uns sehr gut austauschen konnten. Auch wenn wir da oder dort einmal unterschiedlicher Meinung waren.

Wie steht die Bank heute da?

Gut. Der Konzern steht auf wirklich starken Beinen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas gibt, was die RLB umbringen könnte. Sie hat viel Potenzial, sich weiterzuentwickeln.

Österreich ist in einer schwierigen Situation. Wir sind europaweit letzter beim Wirtschaftswachstum und gleichzeitig ist die Staatskasse leer. Was sind die Ursachen?

Das ist selbst verschuldet. Man war in den Krisenzeiten einfach zu großzügig. In der Corona-Zeit waren die Hilfen richtig. Niemand hätte etwas davon gehabt, wenn viele Firmen insolvent geworden wären und es dann kaum noch Gastronomie gegeben hätte. In der Ukraine-Krise habe ich das neuerliche Ausschütten des Füllhorns für sehr übertrieben gefunden. Das ist in Richtung Helikopter-Geld gegangen und war sicherlich falsch.

Zudem hatten wir eine sehr hohe Inflation, die Lohnabschlüsse waren da einfach zu hoch.

Hat die Regierung bei der Inflationsbekämpfung versagt?

Die Inflation hatte ihre Ursache im Ausschütten des Geldes. Ein wesentlicher Inflationstreiber war die Europäische Zentralbank (EZB). Sie hat viel zu spät reagiert. Als der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, hatten wir eine Inflation von vier Prozent. Die EZB hätte die Zinsen viel früher anheben müssen.

Warum kein Wachstum?

Wenn die EU mit ihren Regularien und ihren Aufsichtsbehörden so weitermacht, wird es kein Wachstum mehr geben, weil wir global nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Die EU sieht sich in vielen Bereichen als weltweiter Vorreiter, zum Beispiel beim Klimaschutz.

Man sieht, wohin das führt. Wir haben durch die Nachhaltigkeitsdiskussion jede Menge Bürokratie aufgehalst bekommen, ohne hier wesentliche Fortschritte gemacht zu haben. Es wäre viel vernünftiger, Ziele festzulegen und Förderungen dafür zur Verfügung zu stellen. Aber durch die Aufstellung von Regeln, ihrer Kontrolle und umfassender Berichtspflichten kommen die Firmen nicht zum Arbeiten. Das ist der falsche Weg. Die EU sagt nun, es müssen 25 Prozent der Nachhaltigkeitsvorschriften gestrichen werden. Ich bin der Meinung, dass es mindestens 75 Prozent sein müssen. Man muss den Mut für Radikalansätze haben und sagen, wir gestalten das neu.

75 Prozent?

Ja, insbesondere bei der Nachhaltigkeit, aber genauso bei den anderen Bereichen. So zum Beispiel im Berichtswesen des Finanzsektors. Die EU könnte den Banken zum Beispiel eine Kernkapitalquote von 17 Prozent vorschreiben. Und sie könnte diese kontrollieren. Aber wir sind derzeit mit Heerscharen von Mitarbeitern konfrontiert, die die komplizierten Vorschriften überprüfen.

Es liegt also an der EU?

Ja, und an den Lohnsteigerungen, bei denen sich die Unternehmen extrem schwertun, sie zu verkraften. Die Energiekosten sind explodiert. Wir waren in der Energieversorgung von Russland abhängig.

Wie kommen wir auf die Beine?

Es sollte in Kernpunkte investiert werden. Man könnte die Bauwirtschaft und den Wohnbau ankurbeln und den Unternehmen mit Exportunterstützungen helfen. Wir müssen das Pensionssystem absichern, und es muss uns bewusst sein, dass wir in einigen Jahren zu wenig Personal haben werden. Derzeit ist die Lage aufgrund der Krise besser. Aber künftig werden wir wieder händeringend nach Personal suchen. Es braucht Programme für qualifizierte Zuwanderung.

Eine gewisse Skepsis gegenüber Brüssel ist unüberhörbar.

Ja, leider. Ich bin ein glühender Europäer, aber bitte nicht so. Müssen wir wirklich alle Details der EU überlassen? Die EU soll sich auf die wesentlichen Themen konzentrieren.

Gefährdet US-Präsident Trump das Finanzsystem?

Definitiv ja. Aber nicht nur das Finanzsystem. Es geht das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft und die amerikanische Stärke verloren. Die Investoren ziehen Kapital ab und stoßen US-Staatsanleihen ab. Damit gehen die Zinsen massiv in die Höhe und der Staat, der sowieso schon so hohe Schulden hat, muss sich wesentlich teurer finanzieren als derzeit. Das kann zur Katastrophe führen. Wer kauft denn das noch? Das ist ein Spiel mit dem Feuer.

Experten prognostizieren eine Stagflation, geringes Wachstum bei gleichzeitig hoher Inflation.

Wenn er so weitermacht, ja. Das ist eine Katastrophe für die gesamte Weltwirtschaft. Sie zu bekämpfen ist extrem schwierig. Er muss damit rechnen, dass sich die anderen Länder zusammenschließen und die USA links liegen lassen. Das ist für die USA nicht ungefährlich.

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