Auf der Suche nach kultureller Identität

Josef Ertl
Die Sozialdemokraten tun sich schwer, in der Opposition erfolgreich Profil zu gewinnen. Ein Leitartikel von Josef Ertl

Sind wir inmitten der 1930er-Jahre? Sind die Freiheitlichen die neuen Nazis und August Wöginger und Sebastian Kurz Wiedergeburten von Kanzlerdiktator Engelbert Dollfuß? Manche linke Politiker behaupten das. Unklar ist, ob sie diese Gräuelpropaganda selbst für wahr halten. Geholfen hat sie ihnen bei den Wahlen jedenfalls nicht, weil die Menschen wissen, dass derartige Vergleiche völlig verfehlt sind.

Die Sozialdemokraten tun sich schwer, zu einer erfolgreichen Oppositionslinie zu finden. Ein Beleg dafür ist die Ablehnung der Novelle des Ökostromgesetzes im Bundesrat. Ob sie mit Blockaden zurück in die Erfolgsspur finden werden, ist zweifelhaft. Jedenfalls sind sie Ausdruck der Suche nach Profil.

Der amerikanische Politikwissenschafter Francis Fukuyama spricht sich in seinem neuen Buch Identität gegen ein streng ideologisches Verständnis von Multikulturalismus aus. Er sieht im Verlust von kultureller Identität den Grund für die Wahlerfolge der Rechtspopulisten. Viele fühlen sich von den Einwanderern kulturell bedroht. „Man fühlt sich im eigenen Land wie in einem Hotel. Es ist für alles gesorgt, aber man ist nicht zu Hause“, erklärt Pfarrer Phelim von der St. Mary’s Church in London die Gründe für den Brexit. Wenn die Sozialdemokraten auf diese Fragen glaubwürdige Antworten finden, werden sie wieder in die Erfolgsspur finden.

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