Achleitner zur Photovoltaik: „Keine Netzgebühr für Private“

Markus Achleitner ist seit sieben Jahren Wirtschaftslandesrat (ÖVP). Zuvor führte der 56-Jährige zwölf Jahre lang die oberösterreichische Thermenholding.
KURIER: Oberösterreichs Wirtschaft ist 2024 um 2,7 Prozent geschrumpft, 2023 um 1,7 Prozent. Im Bundesländervergleich liegen wir an letzter Stelle. Ist das nicht ein Desaster für ein Bundesland, das vor zehn Jahren erklärt hat, in der Championsleague mitspielen zu wollen?
Markus Achleitner: Wir messen uns nach wie vor mit den europäischen Spitzenregionen und sind in den vergangenen acht Jahren von Platz 54 auf Platz 19 nach vorne gerückt. Derzeit ist eine schwierige Phase, weil wir im dritten Jahr der Rezession sind. Das ist mit vielen geopolitischen Entwicklungen erklärbar. Wir wollen da wieder raus. Es gab in den vergangenen Jahren Fehlentwicklung, zu hohe Energiepreise und zu hohe Gehalts- und Lohnabschlüsse. Wir haben Wettbewerbsvorteile eingebüßt.
Wir setzen auf das, was Oberösterreich immer schon stark gemacht hat, auf Innovationskraft, auf Forschung und Entwicklung. Wir wollen die Künstliche Intelligenz (KI) in die Produktion bringen.
Als Industrie- und Wirtschaftsbundesland ist Oberösterreich von Rezessionen stärker betroffen, aber bei Konjunkturaufhellungen kommen wir auch deutlich besser raus.
Ist es nicht frustrierend, wenn man als Landesrat diesen Entwicklungen zusehen muss und man nicht wirklich gegensteuern kann?
Gerade solche Phasen sind dazu da, die Stärke eines Bundeslandes zu zeigen. Die Stakeholder arbeiten im Land exzellent zusammen. Jammern bringt uns nicht nach vorne. Wir haben als Land im vergangenen Jahr beschlossen, für 2025 die Konjunkturbelebung zum Thema Nummer eins zu machen und nicht die Budgetsanierung. Das Land und die Landesbeteiligungen haben heuer ein Investitionsprogramm von 1,5 Milliarden Euro aufgelegt. Wir haben das Forschungsbudget auf erstmals über 100 Millionen Euro erhöht. Wir müssen um das besser sein, was wir teurer sind.
Sie sind auch Aufsichtsratsvorsitzender der Energie AG. Wirtschaftskammerpräsidentin Doris Hummer fordert, dass der Strompreis um mindestens 25 Prozent sinken muss, Thomas Bründl, Präsident der Industriellenvereinigung, sagt, dass ihn der Strompreis zur Weißglut bringt. Der Strompreis ist nicht gesunken, sondern gestiegen.
Das stimmt nicht. Er ist insgesamt im Vorjahr bis heuer gesunken, aber immer noch zu hoch. Es ist richtig, dass die Energiepreise in Europa, ausgelöst durch den Krieg und durch das Merit-Order-System (der jeweilige Strompreis hängt vom teuersten Kraftwerk ab, das benötigt wird, um den Strombedarf für einen bestimmten Zeitpunkt zu decken, Anm. d. Red.) viel zu hoch sind. Das hat uns Wettbewerbsfähigkeit gekostet.
Bründl verlangt die Abschaffung des Merit-Order-Systems. In normalen Zeiten ist es ein gutes System, weil es eine Nivellierung nach unten ist, weil es sich nach dem günstigsten Preis richtet. Die Gefahr ist, dass es sich in Krisenzeiten umdreht, das haben wir gesehen. Die Änderung des Strommarktpreissystems kann nur auf europäischer Ebene erfolgen, ein Land allein kann das nicht.
Die Energiepreise gehören runter. Wir sind gleichzeitig in der Transformation der Energiesysteme, wir bauen die erneuerbaren Systeme und die Netze aus, was eine gegenläufige Entwicklung ist. Wir in Oberösterreich haben klare Vorschläge gemacht, indem der Staat einen Infrastrukturfonds Energie auflegen soll, bei dem sich Energieunternehmen günstig finanzieren können. Man könnte die Abschreibung der Netze auf 40 oder 50 Jahre verdoppeln, was die Netzgebühren senken würde.
Auch die Abschreibung von Neuanlagen auf 50 oder 60 Jahre würde die Kosten senken. Und wir bauen die erneuerbaren Energien aus. Die Energie AG investiert bis 2035 zwei Milliarden Euro in erneuerbare Erzeugung und weitere zwei Milliarden in die Netze.
Ihr Vorgänger Michael Strugl, der nunmehr Vorstandsvorsitzender der Verbund AG ist, meint, man sollte die Energiesteuern senken. Ein Drittel des Strompreises sind Abgaben und Steuern. Sind Sie seiner Meinung?
Es ist leicht gesagt, Steuern zu senken, wenn man nicht für das Bundesbudget verantwortlich ist.
Sie vertreten ja die Interessen der Wirtschaft und des Landes OÖ und nicht das Bundesbudget.
Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz ist gerade in Begutachtung, woran die Vorgängerministerin gescheitert ist. Ich halte nichts davon, der Energiebranche staatliche Aufgaben umzuhängen. Es ist richtig, einen Sozialtarif einzuführen. Aber dass die Energiewirtschaft diesen zahlen soll, halte ich ebenso wie Strugl für kontraproduktiv. Die Elektrizitätswirtschaft zahlt heute schon einen Energiekrisenbeitrag von 200 Millionen Euro, Geld, das für die Budgetsanierung des Bundes verwendet wird. Jede Million, die man den Energieversorgern nimmt, verlangsamt den Ausbau der erneuerbaren Energie.
Wirtschaftskammerpräsi- dentin Hummer fragt sich, wohin die Milliardengewinne der Energieunternehmen geflossen sind, die deren Notwendigkeit mit dem Ausbau der Stromnetze begründet haben.
Die Energie AG investiert allein in das Stromnetz bis 2035 zwei Milliarden Euro. Dazu braucht man Gewinne. Wir haben momentan mehr als 135 Strompreisangebote in Österreich. Der Wettbewerb funktioniert hier.
Die Bundeswettbewerbsbehörde und die E-Control sehen das anders. Sie sagen in ihrem Bericht, dass es nach 24 Jahren Liberalisierung noch immer keinen funktionierenden Wettbewerb in Österreich gibt.
Ich habe das irritiert zur Kenntnis genommen. Das ist absolut unrichtig. Es gibt mehr als 135 verschiedene Strompreisangebote. Sie sind bei der E-Control einsehbar. Diese ist aufgerufen, das bei den Menschen bekannt zu machen.
Es gab eine Überförderung bei den Photovoltaikanlagen. Oberösterreich ist bei diesen Anlagen bundesweit führend. Sie speisen, wenn die Sonne scheint, viel zu viel Strom ein. Es wird für die Einspeisung nun auch Geld verlangt. Heute sagt man, dass Photovoltaik nur dann Sinn macht, wenn man den Strom einspeichern und ihn zu Hause auch verbrauchen kann. Hat es hier nicht auch eine Überförderung durch das Land gegeben?
Die Art der Förderung, wie sie Ministerin Leonore Gewessler gemacht hat, war wirklich schlecht. Die Menschen haben bei der Energiewende mitgemacht und wie bei einem Hunderennen bis Mitternacht die Förderungen einreichen müssen.
Es ist richtig, dass sich die Menschen eine Photovoltaikanlage im Ausmaß des Verbrauchs ihres Hauses montieren. Und sie mit einem Speicher kombinieren. In der Diskussion um das Elektrizitätswirtschaftsgesetz sage ich klar, Hände weg von den privaten Haushalten.
Also keine Netzgebühr für private Haushalte?
Hier verwehren wir uns. Stattdessen eine Förderung für Speicher. Auch die Nachrüstung der bestehenden Anlage mit Speichern soll gefördert werden. Es kann nicht sein, dass die Pioniere jetzt die Dummen sind und keine Förderung für die Speicher bekommen, wie das bei der letzten Regierung der Fall war.
Bei Großanlagen bezahlt der Betrieb die Erzeugung, aber die Netzkosten wurden sozialisiert. Ich halte es für richtig, dass man sie an den Kosten beteiligt.
Was kostet Oberösterreich der 15-Prozent-Zoll, den Trump auf Produkte der EU verhängt?
Er ist natürlich schädlich für die Produktion in Europa. Zölle sind immer schlecht, sie verteuern das Leben auf beiden Seiten. Die richtige Antwort wären freier Wettbewerb und Freihandelsabkommen. Wenn aber überhaupt keine Berechenbarkeit mehr da ist, ist es notwendig, dass die Europäische Union zusammenrückt und selbstbewusst als größter Binnenmarkt der Welt auftritt. Und Gegenmaßnahmen auf den Tisch legt. Der sogenannte Deal mit den 15 Prozent auf beiden Seiten ist kein guter, aber er bringt zumindest wieder Planbarkeit.
Sie wären für ein härteres Auftreten der EU gegenüber Trump.
Absolut.
Soll Europa mit Gegenzöllen reagieren?
Das tun wir ja. Trump weckt Europa auf und lässt es zusammenrücken. Wir als Europäer brauchen ein viel stärkeres gemeinsames Auftreten, beispielsweise eine gemeinsame Wirtschafts- und Industriestrategie. Es ist unsere Entscheidung, wer bei europäischen Ausschreibungen mitbieten darf. Da kann man amerikanische Firmen zulassen, einschränken oder überhaupt verbieten. Wenn hier mit einseitigen Kosten gedroht wird, können wir in Europa eine Steuer für digitale Unternehmen überlegen.
Als die Zölle zum ersten Mal verkündet wurden, war ich als Vertreter Oberösterreichs beim Ausschuss der Regionen in Brüssel. Die Diplomatie hat uns zu Nadelstichen in der Reaktion geraten. Meine Position war, wir müssen mit derselben Trump-Diplomatie am Tisch sitzen, wie Trump das vorgibt.
Man sollte Trump mit Trump beantworten?
Ja, Trump mit Trump beantworten. Und erklären, dass das kein richtiger und nachhaltiger Weg ist.
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