Bernhard Eckerstorfer: Für die Position des Wiener Erzbischofs bin ich nie gefragt worden. Kremsmünster ist meine Heimat, meine Gemeinschaft, ich bin hier eingetreten und sehr gern zurückgekommen, auch wenn die Aufgabe in Rom sehr spannend war und ich sie gern weitergemacht hätte. Wenn meine Gemeinschaft mich braucht, kann ich nicht Nein sagen. Da geht es nicht darum, ob mir etwas taugt, es geht um die Berufung. Was will Gott von mir? Gott zeigt sich auch im Willen der Mitbrüder. Das Einfachere wäre gewesen, in Rom zu bleiben, aber die wichtigen Dinge im Leben sind nicht immer die Einfachen. Ich hatte das Gefühl, es ist stimmig. Es passt.
Wo sehen Sie die Herausforderungen für das Kloster?
Jede Abtwahl ist die Chance einer Neuausrichtung. Das bedeutet für uns immer eine innere Neuausrichtung. Meine erste Aufgabe ist, für die Klostergemeinschaft da zu sein. Ich habe mit allen Mitbrüdern Gespräche geführt. Da erlebe ich den Reichtum der Gemeinschaft, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit eine große Zusammengehörigkeit pflegt. Wir würden eine Klostergemeinschaft nicht verstehen, wenn wir Gott draußenlassen. Es geht um die Gottsuche.
Wir brauchen die Menschen außerhalb des Klosters, um gute Benediktiner zu sein. Wir empfangen viel von den Menschen, die uns viel voraushaben, auch von religiöser Sehnsucht, die ich erlebe.
In den Orden spiegeln sich die unterschiedlichen Strömungen der Kirche, von den Fundamentalisten zu den Liberalen.
Wir sind in Kremsmünster nicht polarisiert. Es gibt eine große Bandbreite an Überzeugungen. Aber wir erleben uns als Mitbrüder, die an einem Strang ziehen, wenn es ums Wesentliche geht.
Die Kirche ist zunehmend unattraktiv, viele treten aus, die Orden haben Nachwuchsprobleme. Wie wollen Sie dem entgegensteuern?
Wir sollen die heutige Zeit nicht mit dem vergleichen, was in der Vergangenheit war. Es war eine ganz andere Zeit, es gibt einen tiefgreifenden Wandel. Mit dem muss man sich versöhnen. Wir sollten daraus das Beste machen. Unsere Zeit zeitigt viele Dinge, die ich nicht missen möchte. Religion ist kein Druckmittel mehr, es geht um die Überzeugung, der Mensch kann sich frei Gott zuwenden. Diese Freiheit möchte ich nicht missen. Heute muss man sich rechtfertigen, religiös zu sein. Da sind wir schon nahe an dem, was die frühen Christen erlebt haben. Der Glaube ist bewusste Wahl, ich setze da alles auf Gott. Er ist eine Wahl, die unser Leben reich macht.
Sie sind ein attraktiver Mann. Warum haben Sie sich für das Mönchsleben entschieden?
Mein Primizspruch ist, Gott, mein Gott, Dich suche ich. Ein Leben mit Gott kann glücklich machen. Das bedeutet keine Abwertung von Beziehungen, sondern die Überzeugung, dass das mein Weg zu einem tieferen Leben ist. Dietrich Bonhoeffer (deutscher lutherischer Theologe, 39-jährig am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet) hat vor seiner Hinrichtung gesagt, es gibt erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche. Seine Braut hat auf ihn gewartet. Es wären viele andere Dinge auch schön gewesen, ich habe mich dafür entschieden, das ist ein erfülltes Leben.
Seit Aschermittwoch ist Fastenzeit. Wie leben Sie die Fastenzeit?
Der vergangene Monat war anstrengend. Ich bin von Rom wieder nach Kremsmünster zurück, es waren noch Prüfungen abzunehmen. Und alles an meinen Nachfolger in Rom abzugeben.
Mit einem Wort Stress.
Ich habe auch meine Schachteln von der Übersiedelung noch nicht ausgeräumt. Ich habe mir für die Fastenzeit vorgenommen, ein bisschen runterzukommen und auf das Wesentliche zu schauen. Novalis hat gesagt, Mensch, werde wesentlich. In diesem Satz ist das Zentrale enthalten, das ist auch die Grundlage von Religion. Der große Theologe Johann Baptist Metz hat gemeint, Religion ist Unterbrechung. Die Fastenzeit ist so etwas wie Unterbrechung, Aussteigen aus dem Alltag. Der heilige Benedikt sagt, der Mönch soll immer leben wie in der Fastenzeit. Und wir sollen die früheren Nachlässigkeiten tilgen. Einen Neustart machen, Verbesserungen einleiten. Für mich heißt das, ich habe ein bisschen vergessen zu beten, weil so viel neu war. Ich bin nicht mehr wirklich ruhig geworden, ich war kaum in der Natur, ich habe kaum Bewegung gemacht, ich habe fast nur mehr funktioniert.
Sie haben zu wenig auf sich geschaut?
Genau, weil so viel zu tun war. Ich möchte in der Fastenzeit nach der Messe (6.30 Uhr) wieder lesen. Ich möchte Spaziergänge machen, es geht um die Entdeckung der Langsamkeit. Ich möchte runterkommen. Benedikt sagt weiters, in der Fastenzeit erhält jeder Mönch ein Buch, das er lesen soll.
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