EGS Haringsee: Wo Wildtiere Wind unter die Flügel bekommen
Hans Frey pflegt in der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee Wildtiere gesund und gibt sie der Natur zurück.
09.06.23, 11:38
Von Paloma Pöltinger
„Es gibt kaum frei lebende Tierarten, die nicht schon hier als Patient gelandet sind“, sagt der Leiter der Eulen- und Greifvogelstation (EGS) Haringsee (Bezirk Gänserndorf) Hans Frey bei einem Rundgang durch die Pflegestation.
In den mehr als 70 Volieren haben Bartgeier, Störche, Dohlen, Tauben und mehreren Eulen-, Kauz- und Adlerarten ein (meist vorübergehendes) Zuhause.
Die Station versorgt kranke und verletzte Wildtiere mit dem Ziel, sie wieder in die Natur freizulassen. „Das Problem bei Wildtieren ist, dass sie natürlich ihre Symptome nicht zeigen. Ein Tier, das zeigt, dass es krank ist, ist in der Natur verloren“, erklärt Frey.
Ammen-Vögel als Hilfe bei der Aufzucht
Aber nicht nur Vögel, auch Sumpfschildkröten, Igel, Eichhörnchen, Feldhasen und Co. werden versorgt.
Dabei setzen Frey und sein Team auf Ammen-Vögel. So ziehen dauerinvalide Vögel als Pflege-Eltern den Nachwuchs auf. Damit wird der Kontakt zu Menschen so gering wie möglich gehalten, um die Auswilderung der Jungtiere zu erleichtern.
Die Eulen- und Greifvogelstation ist dabei die einzige Pflegestation in Österreich, die Jungvogelfindlinge auf diese Art großzieht.
Nach einer Verletzung wieder in der freien Natur
Frey arbeitete an der Veterinärmedizinischen Universität als Tiermediziner und errichtete in den 70er-Jahren auf eigene Initiative die ersten Gehege für verletzte Eulen und Greifvögel in Haringsee.
„Es wurden immer wieder Wildtiere an der Universität zur Behandlung abgegeben. Zum Beispiel ein Seeadler mit einem gebrochenen Flügel: ich konnte die Vögel dort therapieren, aber wenn ich sie wieder der Natur zurückgeben will, dann geht das eben nur über große Gehege. Dort werden sie wieder trainiert, bevor man sie freilässt“, erklärt Frey.
Bartgeier als Highlight
Die EGS beteiligt sich auch bei verschiedenen, internationalen Schutzprogrammen, die fast ausgestorbene Tierarten wieder ansiedeln wollen. Das größte dieser Art ist in Haringsee das Bartgeier-Projekt.
Vor über 100 Jahren wurde der riesige Vogel in Österreich weitgehend ausgerottet. Der Bartgeier ist ein Aasfresser und hat eine Flügelspannweite von 2,8 Metern. Sein Federkleid ist grau, weiß und orangerot. Die rote Färbung kommt vom Baden in eisenoxydhaltigen Schlamm.
„Seit 1986 werden hier laufend Tiere nachgezüchtet, die in den Alpen angesiedelt werden. Inzwischen hat sich der Bestandteil wieder gut erholt“, erklärt Frey.
Hoher Besuch in Haringsee
Weitere Schutzprogramme der EGS beschäftigen sich mit der Ansiedlung des Habicht-Kauzes im Wildnisgebiet Dürrenstein und von europäischen Sumpfschildkröten in der Schweiz.
Im Februar 1982 erhielt die EGS in Haringsee royalen Besuch. Prinz Philip, der mittlerweile verstorbene Ehemann von Queen Elizabeth II., reiste aus Großbritannien an, um sich ein Bild von den Wildvögeln in Haringsee zu machen.
Besonders angetan war er von den Bartgeiern. Prinz Philip statte der EGS ein bis zwei Jahre danach einen zweiten, inoffiziellen Besuch ab.
Problem Artensterben
Neben den hohen Kosten für die speziellen Futtermittel für die jeweilige Tierart sieht Frey im Artensterben eine große Herausforderung für sich als Tierschützer: „Leider Gottes wird das immer noch zu locker gehandhabt, wenn man überlegt, dass circa 70 Prozent der Insekten – das ist die Nahrungsgrundlage für unzählige Arten – verschwunden sind, dann zeigt das, welche Dimension dieses Artensterben hat.“
Laut Frey gehöre der Artenschwund „sehr vorrangig“ behandelt.
In der EGS bleibt viel zu tun: pro Jahr werden ungefähr 2.000 Wildtiere zum Aufpäppeln vorbeigebracht. In den Sommermonaten zur Brutzeit der meisten Vögel ist Hochsaison auf der Station.
Drei Pfleger, mehrere freiwillige Helfer und Praktikanten unterstützen Frey beim Füttern und Pflegen der Tiere. Auf dem Speiseplan stehen je nach Vogelart unter anderem Insekten, Eidechsen, Getreidekörner, Mäuse, Kaninchen und Aas.
Erste Freilassungen bleiben in Erinnerung
Auch 48 Jahre nach der Gründung der Station bereitet es Hans Frey große Freude, Wildtiere zu therapieren und in die Natur zu entlassen.
Ein Ereignis bleibt ihm besonders gut in Erinnerung: „Die Freilassungen von den ersten Bartgeiern, die im Nationalpark Hohe Tauern dann ihre Flügel ausgebreitet haben, das waren sehr eindrucksvolle Erlebnisse.“
Mehr Informationen zur Eulen- und Greifvogelstation Haringsee gibt es hier.
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