Trauer bei den Musikkapellen: "Eine Legende ist nicht mehr"

Siegfried Rabl leitete über Jahrzehnte die Musikkapellen in Scheibbs und St. Gerogen/Reith
Unter den Hunderten Musikern, die sich am Wochenende in den Bezirken Scheibbs und Amstetten in ihren Probensälen trafen, um für anlaufende Konzertmusikbewertungen zu proben, gab es zwischen den Tönen nur ein Gesprächsthema: „Der Sigi ist tot“.
Die Rede ist von Siegfried Rabl, einem der Pioniere der Blasmusik im Mostviertel. Der Scheibbser Vollblutmusikant war in der Nacht auf Freitag nach schwerer Erkrankung im 75. Lebensjahr überraschend gestorben.
Über Jahrzehnte war er Doppelkapellmeister in Scheibbs und in St. Georgen am Reith im Bezirk Amstetten. Die Trauer im Musikantenvolk ist groß.

Im Musikheim St. Georgen/Reith zündete Musiker Kerzen für ihren verstorbenen Ehrenkapellmeister an
In der kleinen Ybbstalgemeinde St. Georgen werden gerade die konzertanten Blasmusikstücke „From cradle to grave“ („Von der Wiege zur Bahre“) und „Verwehte Blumen“ einstudiert. Keine Frage, dass da bei der Probe am Freitag auch so manche Träne kullerte. „Heute können wir besonders viel Herzblut geben, liegt doch ein dunkler Schatten über unserem Musikverein. Du bist und bleibst in unseren Herzen! Wir werden dich nie vergessen und deinen eingeschlagenen Weg gemeinsam und mit Stolz weitergehen!“, richteten die St. Georgner Musikkollegen und -kolleginnen ihrem Vorbild aus.
Pionier
Gerade in St. Georgen, wo Mitte der 1960er Jahre der Zerfall der Kapelle drohte, leistete der damals noch blutjunge Musiker Pionierarbeit. Als Aushilfsmusiker reiste der Scheibbser wöchentlich die weite Strecke aus Scheibbs zu den Proben an. 1969 übernahm er die Kapelle mit 15 Mitgliedern als 20-Jähriger als Kapellmeister. 12 Jungmusiker hatte er da schon in Ausbildung. Und im selben Jahr übernahm er dann auch den Dirigentenplatz in seiner Heimatkapelle Scheibbs, wo der dortige Kapellmeister überraschend gestorben war.
39 Jahre stand er dann an der Spitze des auf höchstem Niveau spielenden Scheibbser Klangkörpers, der heute von seinem Sohn Siegfried junior geleitet wird. In St. Georgen stand der charismatische Musiker, der die Klarinette sowie die Trompete und das Flügelhorn spielte, gar 50 Jahre bis 2019 an der künstlerischen Spitze.

Siegfried Rabl (r.) spielte im vergangenen Mai mit Sohn Siegfried junior in der Schlosskapelle Neubruck auf
„Eine Legende ist nicht mehr. Er fehlt natürlich sehr. 39 Jahre war er Doppelkapellmeister. Das heißt jeden Freitag und Samstag Musikprobe“, trauert der Scheibbser Obmann der Stadtkapelle, Leopold Thomasberger, um den verlorenen Musikkameraden, der noch beim Erntedankfrühschoppen im September am ersten Flügelhorn aufspielte. Geleitet wird die Kapelle seit 2009 von seinem Sohn Siegfried junior.
Weil der aus einer musikalischen Familie in Neustift bei Scheibbs stammende Rabl den Beruf des Musiklehrers ausübte, bildete er natürlich auch Tausende Musikkameraden für die eigenen und die Nachbarskapellen aus. „Besonders fehlen wird er unseren Jungen. Früher konnte er doch auch recht aufbrausend sein, doch in den vergangenen Jahren war er mit seinem Wissen und Können jederzeit um die jungen Musiker bemüht“, erzählt Thomasberger.

Im Kreise der Jungen: Sigi (M.) half jungen Musikerkollegen wo er nur konnte
Für seine Leistungen wurde der zweifache Ehrenkapellmeister in den vergangenen Jahren oftmals vor den Vorhang geholt. Der Scheibbser Kulturpreisträger erhielt höchste Auszeichnungen vom NÖ Blasmusikverband und dem Land Niederösterreich.

Siegfried Rabl wurde 2021 mit einer Goldenen Ehrenauszeichng des Landes NÖ geehrt: Mit Stadtamtsdir. Nenning (l.) und Bgm. Aigner
Der beliebte immer freundliche und kompetente Musikant mit dem weißen Vollbart wird künftig in der Schar der aufmarschierenden Trachtenmusikkapellen fehlen. Am Dienstag, 21. November, findet in Scheibbs die Beisetzung statt.
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