Tödliche Schüsse in Wr. Neustadt: 44-Jähriger legt Geständnis ab

Tödliche Schüsse in Wr. Neustadt: 44-Jähriger legt Geständnis ab
Türke soll Landsmann auf Kinoparkplatz umgebracht haben. Er gibt Drogenkurierfahrt zu, bestreitet aber Mordabsicht und Vergewaltigung.

Die tödlichen Schüsse hallten am 24. September 2023 kurz nach Mitternacht über den Parkplatz des "Cine Nova"-Kinocenters in Wiener Neustadt. Aus seinem Auto feuerte der türkische Staatsbürger Hasan D. aus kurzer Distanz mehrmals auf einen 34-jährigen Landsmann, der an Ort und Stelle verstarb.

Am Dienstag begann nun der Prozess gegen den 44-Jährigen am Landesgericht Wiener Neustadt.

Drogen und Erpressung

Mord wirft ihm der Staatsanwalt vor, außerdem Drogenhandel und Vergewaltigung sowie Verstöße gegen das Waffengesetz. Denn Hasan D. soll die Pistole, mit der er die Tat beging, zuvor illegal in Wien erworben haben. Außerdem behauptet eine ehemalige Mitarbeiterin, von ihm unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht worden zu sein.

Der 44-Jährige bekannte sich teilweise schuldig, gab zu, eine Drogenkurierfahrt für eine internationale Verbrecherorganisation unternommen und die tödlichen Schüsse abgefeuert zu haben. Mord sei das jedoch keiner gewesen, sagte sein Verteidiger. Vielmehr sei Hasan D. vom Opfer zuvor massiv bedroht und erpresst worden - und auch am 24. September habe der 34-Jährige zuerst eine Waffe gezogen. 

Auch den Vorwurf der Vergewaltigung bestreitet der Angeklagte. 

Das Geschehene hätte auch aus der Feder eines Hollywoodautors stammen können, sagte der Staatsanwalt im Eröffnungsvortrag. Es habe sich aber "zu einer todernsten Realität entwickelt". Ein gemeinsam mit seinem Sohn betriebener Supermarkt "war zentrale Verdienstmöglichkeit der Familie", der Angeklagte habe aber verstanden, "dass sich mit dem Drogengeschäft wesentlich mehr und profitabler Geld verdienen lässt". 

Drohung und Vergewaltigung?

Am 8. Juni 2023 sei er erstmals von einer "Organisation" - den Kontakt soll der 34-Jährige hergestellt haben - nach Bulgarien geschickt worden, um 30 Kilogramm Heroin mit dem Auto nach Österreich zu schmuggeln. Begleitet wurde er dabei von einer Frau, die er zunächst über das Ziel der Fahrt im Unklaren gelassen habe, wie diese behauptet. Erst im Zuge der Fahrt soll ihr der Angeklagte vom Drogendeal erzählt und sie aufgefordert haben, die Rückfahrt zu übernehmen.

"Weil er das Risiko, bei einem Grenzübertritt erwischt zu werden, vermeiden wollte", sagt der Staatsanwalt. Als sich die Frau geweigert habe, sei sie vom Angeklagten mit einer Waffe bedroht worden. Im Zuge eines weiteren Treffens im Juni 2023 soll ihr der Beschuldigte dann Drogen ins Getränk gemischt und sie vergewaltigt haben. Die Frau wandte sich an die Polizei. Daraufhin sei das Handy des 44-Jährigen überwacht und ein Peilsender an seinem Wagen angebracht worden.

Angeklagter "wurde massiv unter Druck gesetzt"

Ein weiterer Drogenschmuggel im September 2023 ging dann schief - und war letztlich Auslöser für die Bluttat in Wiener Neustadt. Eigentlich sei auf dem Weg in den Urlaub mit seiner Lebensgefährtin gewesen, behauptet der 44-Jährige. Nach einem Anruf des späteren Opfers habe er dann doch von dessen Bruder in Bulgarien eine Tasche mit Suchtgift übernommen, diese aber kurz darauf wieder einem Unbekannten übergeben.

Die "Organisation" habe die Ware jedoch von ihm gefordert - oder alternativ den Wert der Drogen, rund 300.000 Euro. "Er wurde massiv unter Druck gesetzt, den Supermarkt der Familie zu überschreiben", berichtete der Staatsanwalt unter anderem von Todesdrohungen - auch gegen die Familie des Angeklagten.

Beim Treffen am 24. September in Wiener Neustadt sollte die Angelegenheit geklärt werden. Stattdessen kam es zur Eskalation. Zuerst habe der 34-Jährige seine Waffe gezogen, berichtete der Angeklagte. Er habe daraufhin aus dem geparkten Pkw auf den Boden geschossen, dann „Vollgas gegeben“ und „in panischer Angst“ zweimal abgedrückt. Nach einem Durchschuss des Herzens und der Lunge starb das Opfer an Ort und Stelle. 

Der  Schütze wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls kurz vor 7.00 Uhr in Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze festgenommen. Weil im Nachbarland ein Verfahren wegen des Mitführens der mutmaßlichen Tatwaffe anhängig war, wurde der 44-Jährige erst im Mai 2024 nach Österreich ausgeliefert. 

Beschuldigter bestritt Mord und Vergewaltigung

Sowohl der Angeklagte als auch das Opfer waren im Lebensmittelhandel tätig. Weil die Geschäfte des Supermarkts nicht mehr so gut gelaufen seien, habe er 2021 oder 2022 mit dem Konsum von Crystal Meth begonnen, erzählte der Beschuldigte. Verteidiger Rudolf Mayer zitierte zahlreiche Sprachnachrichten des späteren Opfers, die durch Auswertung des Mobiltelefons sichergestellt werden konnten. Kurz vor der Tat habe der 34-Jährige den Angeklagten wüst beschimpft und gedroht, ihn und seine Kinder zu töten. Weiters kündigte Mayer an, ein Gutachten eines Schießsachverständigen zu beantragen.

Der Bruder des Opfers, der von Rechtsanwalt Philipp Wolm vertreten wird, schloss sich mit einer Forderung nach 15.000 Euro Schmerzensgeld als Privatbeteiligter an dem Verfahren an. Der Betrag wurde von der Verteidigung anerkannt. Der zweite Verhandlungstag in dem Mordprozess ist für 11. März angesetzt.

Die geforderte Übergabe des Familienbetriebs war am 5. Februar im Zentrum eines Prozesses am Landesgericht Wiener Neustadt gestanden. Ein Komplize des Getöteten wurde wegen versuchter schwerer Nötigung nicht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft, davon sechs Monate unbedingt, verurteilt.

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