Bieter-Duell um einstige Porzellan-Hochburg in Niederösterreich
Es war im Jahr 1997, als der einst so stolze Industriestandort Wilhelmsburg im Bezirk St. Pölten einen schweren Dämpfer erlitt. Die Schockwellen, die die Entscheidung der Manager auslösten, waren bis über die Landesgrenzen hinaus spürbar.
Vor genau 25 Jahren wurde das Aus für die Porzellanfabrik in Wilhelmsburg beschlossen. Dabei war das „Lilien-Porzellan“ der ÖSPAG (Österreichische Sanitär-Keramik und Porzellan-Industrie AG) vor allem in der Nachkriegszeit ein Verkaufsschlager, heute kann man sich die „Daisy-Kollektionen“ nur noch im Museum anschauen.
Produziert wurde auf dem Standort, der im Herzen Wilhelmsburgs liegt, aber weiter. Laufen, der Keramikhersteller für Bad und WC, beschäftigte Hunderte Mitarbeiter in der Stadtgemeinde, 60 Prozent der Produkte wurden in Österreich verkauft.
Übrig geblieben ist allerdings nur noch die Verwaltung, im Februar 2020 wurden 130 Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice angemeldet. Der spanische Rocca-Konzern hatte die Produktion ins Ausland verlegt, die Stimmung war entsprechend düster. Gewerkschafter übten heftige Kritik an der damaligen Bundesregierung, doch auch die Politik konnte das Unternehmen nicht mehr umstimmen.
Angebote
Mittlerweile ist das etwa 8,5 Hektar große Areal zu einem großen Teil verwaist. Dieser Umstand sorgt allerdings für Interesse. Wie der KURIER erfuhr, gibt es mindest zwei Interessenten, die den Laufen-Standort gerne kaufen würden.
Auf der einen Seite hat die Stadtgemeinde mit SPÖ-Bürgermeister Rudolf Ameisbichler bereits ein Kaufangebot vorgelegt, auf der anderen Seite spitzt der Immobilienentwickler Avoris auf einen Deal. Eine Entscheidung steht noch aus.
Nutzungskonzept
Ohne eine konkrete Angebotssumme nennen zu wollen, hat sich Avoris am Freitag ganz öffentlich in Stellung gebracht. Die Summe spiegle „die aktuelle Preisentwicklung im regionalen Immobilienmarkt wider“, heißt es.
Neuer Stadtteil
Dafür wurde bereits ein Entwicklungskonzept („Gemischte Nutzung“) präsentiert. Beim Laufen-Areal sieht dieses Konzept die Errichtung eines Stadtteilzentrums mit Handels-, Gastronomie-, Wohn- und Büroflächen sowie Gesundheitseinrichtungen vor.
Dem Zentrum abgewandte Bereiche sollen für Klein- und Mittelgewerbe reserviert sein Für Laufen werde außerdem ein neues Büro- und Logistikzentrum errichtet, verspricht Avoris-Geschäftsführer Dominik Peherstorfer, der mit drei Freunden die Firma gegründet hat.
Lebensqualität
„Wir haben acht Jahre lang gemeinsam das Gymnasium im Mühlviertel besucht. Wir haben in dieser Kleinstadt, die nicht einmal halb so groß wie Wilhelmsburg ist, auch den Großteil unserer Freizeit verbracht und dabei eine Lebensqualität kennen gelernt, die bis heute prägend ist“, erzählt Peherstorfer. Auch deshalb sei man in der Stadtteilentwicklung so aktiv.
Dass er bereits einen Konkurrenten um den Kauf des Areals hat, davon wusste Rudolf Ameisbichler, Bürgermeister von Wilhelmsburg, bislang noch nichts. „Wir haben erst vor Kurzem ein Angebot abgegeben, derzeit warten wir auf das Ergebnis“, berichtet der SPÖ-Politiker. Auch er will über Summen nicht sprechen, es gehe freilich um Millionen, sagt er.
Dass auf dem Areal endlich wieder etwas passiert, will auch der Bürgermeister. Wohnungen, Geschäfte, vielleicht ein Ärztezentrum – am Gemeindeamt werden schon seit längerem Pläne geschmiedet. „Wir hoffen sehr auf einen Zuschlag“, sagt Ameisbichler, der nicht verhehlt, dass er sich bei einem anderen Käufer sorgen machen würde. „Vielleicht nimmt sich dieser dann nur die Filetstücke heraus.“
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