Taskforce in NÖ: "Wir suchen keine Täter, wir suchen die Wahrheit"

Josef Dötzl ist Leiter der Taskforce Sozialleistungsbetrug in Niederösterreich. "Wir suchen keine Täter, wir suchen die Wahrheit", lautet das Motto des Hollabrunners.
"Wir kriegen sie praktisch alle", sagte Innenminister Gerhard Karner, als die Bilanz des Jahres 2024 der "Taskforce Sozialleistungsbetrug" vorgestellt wurde. Einer, der sie alle - mit seinem Team - kriegt, ist Josef "Pepi" Dötzl. Der Hollabrunner ist Leiter der "Solbe NÖ", wie die Taskforce kurz genannt wird. "Unser Netz in Niederösterreich ist wirklich dicht. An uns geht nix vorbei", schmunzelt der 60-Jährige im Gespräch mit dem KURIER und verrät auch, wie das geht.
Die oberste Prämisse, nach der Dötzl sein ganzes Berufsleben als Kriminalbeamter ausrichtet, und nach der sein Team in Niederösterreich arbeitet, lautet: "Wir suchen nicht den Täter, wir suchen die Wahrheit." Und das seit 2019. So lange gibt es in Österreich in jedem Bundesland die "Solbe"-Einheiten. Dötzl, der seit 1991 beim Landeskriminalamt tätig ist, war von Anfang an dabei. Er begann als "Ein-Mann-Betrieb" und begab sich zunächst auf "Fact-Finding-Mission", wie er sagt. Es galt auszuloten, welche Formen von Sozialleistungsbetrug es überhaupt gibt und wie man sie bekämpfen kann.
Josef Dötzl entwickelt Bekämpfungsmodelle gegen Sozialleistungsbetrug
Genau das ist Dötzls absolute Leidenschaft. Er ermittelt zwar nicht mehr selbst ("Dafür is ka Zeit mehr."), aber: "Ich entwickle die Bekämpfungsmodelle. Alle Fälle haben ein Muster", ist er Kriminalbeamter durch und durch. Zu Beginn fehlte es an Wissen, denn Sozialleistungsbetrug muss man erkennen. Für den Hollabrunner war klar: "Wir brauchen ein Team, das aus allen Stellen besteht, die mit Sozialleistungen zu tun haben."
Diese sogenannten "Stakholder" holte er alle an einen Tisch. Heute arbeiten AMS, PVA, ÖGK, SVS, das Land NÖ und die AUVA mit Finanz, Finanzpolizei, Fremdenpolizei, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Zoll Hand in Hand. "Dieses Team funktioniert in Niederösterreich herausragend gut", ist der Solbe-Chef stolz.
Ein Koordinator zwischen Profis, der Kipferl bringt
Im KURIER-Gespräch verrät er sein Geheimnis: "Es braucht einen Kipferlbringer", sagt er schmunzelnd. Denn wenn es ein Problem gibt, lädt er zum runden Tisch und versorgt die Beteiligten mit Kaffee und Kipferl. Jeder Blickwinkel wird besprochen, bis es eine Lösung gibt. "Ich seh' mich als Koordinator zwischen den Profis", beschreibt Dötzl seine Rolle.
Ein Satz, der im Gespräch oft fällt: "Da hab' ich ein Konzept gemacht." Etwa für den Flughafen Wien-Schwechat. "Er ist der Vater der Flughafen-Einsätze", nickt Andreas Richter lachend, der als Landes-Koordinator für Einsätze und Ausbildung sowie für den Flughafen zuständig ist. Auch hier war Dötzl "am Feld", erhob den Ist-Zustand und was es braucht, damit hier Sozialbetrüger geschnappt werden können. "Bis heute haben wir bei jeder Kontrolle mehrere Sozialleistungsbetrüger geschnappt", schildert Dötzl.
Ermittelt wird erst bei konkretem Verdacht
Die Reisedokumente werden überprüft; wurden während des Auslandaufenthalts widerrechtlich Sozialleistungen bezogen? "Das Endergebnis ist gigantisch", weiß der Kriminalbeamte, dass sich die viele Arbeit am Ende lohnt.
Solbe-Beamte ermitteln aber erst, wenn eine konkreter Verdacht besteht, dass ein Leistungsbezieher seinen Anspruch nur vortäuscht, um im Ausland von österreichischer Sozialleistung zu leben. Liegt dieser vor, werden im In- und Ausland umfassende Erhebungen durchgeführt, um den wahren Lebensmittelpunkt der Person zu beweisen.
- Landesverantwortlicher 1 ist Josef Dötzl. Er wird vom Landeskriminalamt NÖ gestellt. Ihren Sitz hat die Solbe NÖ in Korneuburg.
- Zudem gibt es in Niederösterreich drei Landeskoordinatoren: Kirsten Zehetgruber ist für Sonderermittlungen zuständig; Adolf Großler leitet (noch bis 1. Oktober) die Solbe-Hotline; Andreas Richter ist für Einsätze und Ausbildung zuständig.
- Spezialteamleiter: Andreas Gruber für den Flughafen Wien-Schwechat sowie Ernst Krojer und Markus Rammel für Straßenverkehr. Sie unterstützen die Arbeit der Solbe ebenso.
- In Niederösterreich gibt es 23 Bezirks-Teams. In jedem Bezirk gibt es einen Verantwortlichen und einen Teamleiter.
- Insgesamt gibt es im ganzen Land 228 Solbe-Ermittler.
- Landesverantwortlicher 2 ist Christian Dangl. Er kommt von der Abteilung Fremden- und Grenzpolizei.
- Sein Landeskoordinator, der für Fremdenrecht zuständig ist, ist Sebastian Kernstock.
- Unterstützung kommt hier von den Fremdenpolizei-Dienststellen.
Das Feld des Sozialleistungsbetrugs ist vielfältig, derzeit wird zwischen 51 Betrugsformen unterschieden. Darum ist es wichtig, dass die Solbe-Beamten gut ausgebildet sind. Es gibt eine Hotline, die Landes-Koordinator Adolf Großler betreut. Er unterstützt die Kollegen draußen, wie er sagt. "Betrug ist ein schwieriges Mysterium." Da müsse alles gut vorbereitet sein, wenn es zum Staatsanwalt geht.
Wenn ein Akt zu groß wird, dann schreitet die dritte Landes-Koordinatorin ein: Kirsten Zehetgruber ist für Sonderermittlungen zuständig. Etwa, wenn sich die Erhebungen über andere (Bundes-)Länder erstrecken.
"Bis heute haben wir bei jeder Kontrolle mehrere Sozialleistungsbetrüger geschnappt."
Leiter Taskforce Sozialleistungsbetrug
30 Millionen Euro wurden in Niederösterreich zurückgeholt
"Wir sind froh, dass wir in einem Land leben, in dem es solche Sozialleistungen gibt. Aber es gibt Spielregeln", betont Dötzl. Wer sich nicht daran hält, rückt in den Fokus der Solbe. Da wird nicht nur ermittelt, ob sich einer, der Sozialleistungen bezieht, wirklich das ganze Jahr in Österreich befindet, sondern auch, ob Firmen bei Kurzarbeit betrügen. Beim AMS gibt es etwa ein Kurzarbeitsteam. "Die haben die Übersicht und bemerken Auffälligkeiten." Diese werden feinsäuberlich dokumentiert, bevor der Akt zur Solbe geht und die Polizeiarbeit beginnt.
Einer der aufsehenerregendsten Solbe-Fälle war die Kontrolle des Amazon-Verteilzentrums in Niederösterreich. Da beteiligte sich die Solbe an einem Einsatz der Finanzpolizei im Februar 2020.
Und weil Dötzl einer ist, für den nicht nur sein persönlicher Eindruck zählt, ließ er sich auch Zahlen ausheben: "Seit es die Solbe gibt, wurden in Niederösterreich 30 Millionen Euro an Sozialleistungsbetrug zurückgeholt." Denn er will wissen, "war wir dem Staat bringen". Und er ist stolz, dass bei 73 Prozent der Solbe-Fälle Geld zurück kommt und der Staat keine weiteren widerrechtlichen Auszahlungen macht.
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