Bootsfahrt in den Donau-Auen: "Nur was man kennt, kann man schützen"

Bootstour mit Pressevertretern und Mitarbeitenden des NHM an den Donauauen.
Von Benedikt Schweigl
Das Naturhistorische Museum Wien (NHM) betreibt gemeinsam mit dem Nationalparkinstitut Donau-Auen einen Standort in Petronell (Bezirk Bruck an der Leitha). Dieser war das Ziel einer Bootsfahrt mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des NHM und Medienvertretern, darunter auch der KURIER.
Nach einer kurzen Begrüßungsrunde am Seiteneingang des NHM ging es in den Morgenstunden mit dem Bus nach Petronell zur Anlegestelle in Wildungsmauer (Bezirk Bruck an der Leitha). Die Nationalpark-Ranger stehen vor Ort schon bereit, gemeinsam marschiert die Gruppe die letzten Meter bis zur Donau, dort warten bereits kompakte 10-er Schlauchboote auf uns.
Aufgeteilt in drei Gruppen, immerhin sind es mit der Fotografin und den Rangern um die 30 Personen, werden die Anwesenden werden mit schwarz-roten Schwimmwesten und bei Bedarf auch mit Feldstechern ausgestattet. Es folgt noch die provisorische kurze Einschulung in die Künste der "Paddel-Technik" und endlich kann es losgehen - auf den "Johler Arm", der als Seitenarm erst 2013 wieder an die Donau angebunden wurde.
Der Rhythmus beim Paddeln lässt wenig überraschend erstmal zu wünschen übrig, das ist aber bereits nach wenigen Momenten schon vergessen, als die erste heimische Art zu sehen ist - ein Kormoran beobachtet das Geschehen von einer Steininsel aus. Er ist aufgrund seines langen und kräftigen Halses sowie seines schwarzen Gefieders auch ohne Fernglas gut zu erkennen.
Er bleibt aber nicht die einzige Vogelart. Wenige Minuten später schwingt sich ein Kaiseradler in die Lüfte, scheinbar auf Erkundungstour, ein Jagdmanöver sei nicht zu erkennen, erklären die beiden Ranger. Erst seit 2011 brütet der Kaiseradler wieder in den Donauauen, zuvor war er durch menschlichen Einfluss wie viele andere Arten auch im 20. Jahrhundert aus dem Gebiet verschwunden. Aktuell zähle man vier Brutpaare im Nationalpark, so das Ranger-Team.

Der August ist im Nationalpark eigentlich ein ruhiger "Vogelmonat" - trotzdem gab es vom Eisvogel bis zum Kaiseradler einige Arten zu bestaunen.
Noch sind die Köpfe gen Himmel gerichtet, doch im nächsten Moment heißt es wieder paddeln - das Ziel ist ein durch eine Sediment-Insel etwas abgeschotteter Flussbereich in Ufernähe. Dort angekommen kann man das Boot erstmal treiben lassen, denn es gibt wieder einiges zu sehen. Ein holzzersetzender Schwefelporling ragt vom Stamm eines Laubbaums hervor, er ist deutlich an seinem gelblichen Farbton zu erkennen und als köstlicher Speisepilz auch ein Geheimtipp, wie die beiden Ranger versichern. Entlang vom Ufer kann man auch gut erkennen, dass der Wasserpegel in den Tagen vor der Bootstour noch eineinhalb Meter höher stand.
Invasive Arten - kein Problem?
Plötzlich macht es "plumms" - ein Biber wurde von manchen gesehen und definitiv von allen gehört - und gleich wieder verschwunden. Immer wieder sind in Ufernähe Eingänge zu den Biber-Bauten zu sehen. Europas größtes Nagetier ist als Landschaftsarchitekt sehr präsent entlang des Flusses, dabei war er noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich zur Gänze ausgerottet.
Besonders spannend und etwas ungewöhnlich, mittlerweile essen die Biber teilweise sogar die Rinde von invasiven Arten wie dem Eschenahorn. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich die Natur auch ohne menschliche Einflüsse hervorragend erholt, betont das Ranger-Team. In diesem Sinne lasse man der heimischen Flora und Fauna im Umgang mit zugewanderten Pflanzen- und Tierarten, sogenannten Neobiota, ausreichend Freiraum.
Allmählich kommt die Anlaufstelle näher, es bietet sich ein herrlichen Blick auf den Hundsheimer Berg bei Hainburg und den Hollitzer Steinbruch bei Bad Deutsch-Altenburg. Vor dem Ziel gibt es noch einen kurzen Zwischenhalt auf einer der wenigen Uferstellen in dieser Zone, die auch betreten werden dürfen. Eine kurze Verschnaufpause, die gut tut, gibt es an diesem Tag doch strahlenden Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad aufwärts - das Paddeln mit Schwimmweste tut sein Übriges.
Auf "Eier-Suche"
Vor Ort wartet ein kleines Experiment, wie Ranger Manfred Rosenberger erklärt - die Suche nach nachgebildeten Eiern des Flussregenpfeifers, einem Vogel der bereits aus größerer Entfernung aufgrund seiner leuchtend gelben Augenringe zu erkennen ist. Inmitten des kleineren Ufergesteins sind die vier "Eier" nur schwer ausfindig zu machen - aus gutem Grund, soll möglichen Fressfeinden die Jagd doch erschwert werden - aber schon bald werden sie von allen Anwesenden bestaunt.

Zwischenstopp mit "Schnitzeljagd": Die gesuchten Vogeleier hatten etwas von einer Nadel im Heuhaufen.
Gut erholt und erheitert angesichts des Experiments macht sich die Gruppe auf dem Weg, die Bootstour nimmt die letzten Züge, vorbeian imposanten Pappeln und Weiden. Die Reise ist fast geschafft, als der Wasserturm, der einst auch als Standort für das Nationalpark Besucherzentrum infrage kam, und die Pressburgerbahn in Hainburg an der Donau (Bezirk Bruck an der Leitha), in Sicht kommen.
Weiter geht es zum Nationalpark-Standort in Petronell. Das völlig autarke Ökohaus erinnert mit einem kleinen Teich und einem Steingrill an ein Ferienhaus. Doch die Besucher sind nicht zum Vergnügen da und der Teich ist ohnehin nicht fürs Baden vorgesehen, bietet er doch verschiedenen Amphibien-Arten eines Lebensraum - ein Molch ist etwa in dem durch einen Baum verdunkelten Wasser zu erkennen.

Katrin Vohland, Generaldirektorin des NHM Wien, machte in einer Reihe von Vorträgen zu den Sammlungsbereichen und Forschungsgegenständen des NHM den Anfang.
"Emotionale Bindung zur Natur stärken"
Nach einer kurzen Mittagspause folgt der eigentliche Grund des Kommens - in einer Reihe von Vorträgen bringt das Personal der Abteilung Wissenschaftskommunikation des NHM die museumseigenen Forschungsgegenstände und Sammlungen näher. Den Anfang macht Katrin Vohland, Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des NHM Wien: "Die Umweltbildung hat an diesem Standort einen speziellen Stellenwert. Unser Ziel ist es die emotionale Bindung zur Natur zu stärken und das funktioniert am besten durch das in Kontakt treten mit der Umwelt." Es sei von essenzieller Bedeutung wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auch vermitteln zu können, um Themen wie Biodiversitätskrise und Renaturierung auch für den einzelnen greifbar zu machen.
Am Standort Petronell sind auch regelmäßig Schulklassen zu Besuch, für sie gibt es Angebote in Form von Nächtigungen und mehrtätigen Workshops inklusive Donau-Bootsfahrten - bis Ende Oktober sei man ausgebucht, von April bis Ende Juni und dann von September bis Oktober läuft die Saison für Führungen und Co. üblicherweise. Unter dem Motto "Ökologie zum Anfassen" werden die Bildungsangebote ausgeschrieben. Ziel sei es künftig aber auch andere Personengruppen wie Unternehmen, Entscheidungsträger und NGOs für Programme dieser Art zu gewinnen. In diesem Sinne wolle man das Angebot des Museums in den Donauauen weiter ausbauen und damit den Austausch über Renaturierung, Nachhaltigkeit und Ökosysteme fördern, erklärt Vohland.
2016 ins Leben gerufen
Der Standort in Petronell wurde erst 2016 Teil des 1996 errichteten Nationalparks, damals mit dabei war bereits Claudia Roson, Abteilung Wissenschaftskommunikation des NHM Wien. Sie hat Auen-Ranger bereits ausgebildet, als der Nationalpark noch eine Idee war. Es sei von immenser Wichtigkeit, die vorhandene Mensch-Natur-Schranke zur überwinden- "Nur das, was wir kennen, schützen wir auch", betont Roson. Eine reine Tourismusattraktion möchte man dabei aber keinesfalls sein: "Die Natur entspringt nicht immer unseren Wunschvorstellungen, an manchen Tagen gibt es mehr zu sehen und an anderen weniger." Wichtig sei ein respektvoller Umgang, den insbesondere an die jüngeren Besucherinnen und Besucher vermittle.
Weitere Vorträge folgen: Inez Harker-Schuch (Abteilung Wissenschaftskommunkation), Heimo Rainer (Direktor Botanische Abteilung), Paul Wolf (Vogelsammlung), Anja Palandacic (Sammlungsmanagerin Fischsammlung), Matthias Seidel (Zoologische Abteilung), Martin Schwentner (Zoologische Abteilung) und Max Pohanka (Fundraising Manager)geben interessante Informationen:
- die botanischen Sammlungen des NHM zählen mit rund 5,5 Millionen Objekten zu bedeutendsten ihrer Art weltweit.
- Große Teile des Nationalparks Donauauen waren einst als kaiserliches Hofjagdgebiet für die Allgemeinheit nicht zugänglich.
- das aktive Sammeln von Vögeln in den Donauauen durch Abschuss oder Fang kommt heute nicht mehr vor.
- aktuell gibt es sechs Brutpaare des Seeadlers im Nationalparkgebiet.
- Die Artenvielfalt in unseren Süßgewässern ist durch Verschmutzung, Verbauung und den Klimawandel bedroht.
- In Österreich leb(t)en bis zu 240 Arten der Blatthornkäferartigen Käfern, zu deren Verwandten etwa der Hirschkäfer und der Rosenkäfer zählen.
- Österreich hat mit 64 Arten eine diverse Fauna an Landasseln.

Der Rosenkäfer ist aufgrund seines schillernden Panzers wohl einer der bekanntesten Vertreter der Blatthornkäferartigen Käfer.
Aktuell arbeite das NHM an einem neuen Programm, das sich gezielt an Erwachsene und Organisationen richte - von "Wald-Retreats" für Unternehmen mit Fokus auf Achtsamkeit und Resilienz bis hin zu "Leadership-Formaten", die ein naturbezogenes Verständnis von Führung bzw. unternehmerischen Tuns vermitteln, führte Fundraising Manager Max Pohanka aus.
Tiefenerosion als Problem
Am Ende der Vorträge ist klar, Austausch und Umweltbildung sind wesentliche Kerngebiete der Arbeit am Standort in Petronell. Das einst in Hainburg an der Donau geplante Kraftwerk wurde nicht umgesetzt, weil die Bevölkerung in Form von vielen Aktivistinnen und Aktivisten aufgeschrien hat und sich gegen diesen massiven Eingriff in den "natürlichen" Flussverlauf gewehrt hat. Seit Entstehung des Nationalparks 1996 wurden der Natur nach und nach wieder mehr Rückzugsmöglichkeiten gegeben - von der Renaturierung von Seitenarmen bis hin zum Entfernen der Uferverbauungen - und zahlreichen Tier- und Pflanzenarten kehrten infolgedessen zurück. Die fünf tätigen Ranger am Standort Petronell leisten dahingehend einen bedeutenden Beitrag.
Trotzdem ist der Auwald unabhängig von seinem Schutzstatus bis heute durch zunehmende Tiefenerosion und die damit verbundene Eintiefung der Donau bedroht. Als internationalster Fluss Europas, der insgesamt zehn Länder durchquert, wird der Strom von unzähligen Kraftwerken beeinflusst, die teilweise den Transport von Sedimenten und Schotter unterbrechen. Das ermöglicht der Donau, sich weiter in die Landschaft einzuschneiden - die Folge, der Strom sinkt ab, für das Ökosystem wertvolle Überflutungen werden weniger und der Au droht das Wasser auszugehen. Die Baggerschiffe, die während der Bootsfahrt auch regelmäßig zu sehen waren, relokalisieren den Schotter an manchen Stellen, um der Eintiefung entgegenzuwirken.
Deshalb steht auch fest, es kann noch mehr getan werden - Naturschutz durch Bewusstsein, indem man die Umwelt erleb- und greifbar macht, das will man in der Petroneller-Au noch vehementer vermitteln und dabei auch wesentliche Entscheidungsträger mit ins Boot holen. Naturschutz und Renaturierung sollen anders als bei der Rückfahrt zum NHM Wien nicht im Stau stehen, sondern vielmehr forciert werden.
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