Minderjährige geschwängert: Kein Verfahren gegen Priester
Neun Monate ist es her, dass Clara D. (Name geändert, Anm.) ihre Geschichte erzählt hat. Dass sie als Minderjährige in einem „Erziehungsheim“ für Mädchen in Hollabrunn, Niederösterreich, vom Pfarrer geschwängert wurde und Zwillingsmädchen auf die Welt gebracht hat. Es sei niemals eine Liebesbeziehung gewesen, betonte Clara D. stets. Sie sei vom Pfarrer missbraucht worden. Die Babys wurden schließlich zur Adoption freigegeben. Gegen ihren Willen, sagt Clara D. Die Vorwürfe gehen in die 1990er-Jahre zurück.
Aussage gegen Aussage
Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe nahm die Staatsanwaltschaft Korneuburg die Ermittlungen auf. Ermittelt wurde wegen Vergewaltigung, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, Quälens Unmündiger und schwerer Nötigung. Jetzt wurde das Verfahren eingestellt. „Aus Beweisgründen“, wie Friedrich Köhl, Sprecher der Staatsanwaltschaft, sagt. „Es steht Aussage gegen Aussage.“ Oder wie es im offiziellen Schreiben der Staatsanwaltschaft heißt: Die Angaben von Clara D. seien teils widersprüchlich und unglaubwürdig.
Clara D. , heute 41 Jahre alt, zieht diese Entscheidung den Boden unter den Füßen weg. „Wieder wird alles unter den Teppich gekehrt“, sagt sie. „Ich habe doch nichts falsch gemacht.“ Die Plattform „Betroffener kirchlicher Gewalt“ steht hinter ihr: „Das ist leider langjährige Praxis. Erst wird alles vertuscht. Wenn das Opfer endlich den Mut aufbringt und Anzeige erstattet, wird aus Mangel an Beweisen eingestellt“, sagt Sprecher Sepp Rothwangl.
Man werde den Fall dennoch nicht ruhen lassen und will notfalls zivilrechtlich gegen den Pfarrer vorgehen.
Dass die minderjährige Clara von einem Geistlichen zwei Kinder bekam, war seit jeher auch schon der Erzdiözese bekannt. „Hätte es damals Anzeichen für einen Missbrauch gegeben, hätte es eine Anzeige gegeben“, sagte Sprecher Michael Prüller nach Bekanntwerden im vergangenen Mai. Allerdings sei die Rede von einer freiwilligen Beziehung gewesen.
Exkommunikation
Für den Geistlichen hatte der Vorfall zumindest interne Konsequenzen. Er wurde dienstfrei gestellt. „Es läuft ein kirchliches Verfahren gegen ihn, das in Rom angesiedelt ist. Die möglichen Konsequenzen reichen von einer Entlassung aus dem Priesterstand bis zu einer Exkommunikation“, sagt Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien.
Dass das strafrechtliche Verfahren eingestellt wurde, spreche aus Sicht der Diözese für den Priester. Dennoch „ist das nicht das, was man sich von einem Priester erwarten kann – dass er mit einer 16-Jährigen ein Verhältnis beginnt.“
Clara D. hat sich auch an die Klasnic-Kommission gewandt. Der Fall wurde nach einem „Clearing“ mit einem Psychotherapeuten an die Opferschutzkommission weitergeleitet. Vor wenigen Tagen wurde Clara D. allerdings darüber informiert, dass ihr Fall zurückgestellt wurde, „da die Vorfälle, bzw. Ihre Angaben Inhalt eines gerichtlichen Verfahrens sind“. Clara D. empfindet das als Bestrafung, weil sie den Fall öffentlich gemacht hat.
„Wir haben bereits 1500 Euro Soforthilfe ausgezahlt. Auch, weil der Fall so tragisch ist“, sagt Klasnic-Sprecher Herwig Hösele. Nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen werde man „sehr rasch“ handeln.
Clara D. hat viele Sorgen. Auch finanzielle. Sie bekommt Invaliditätspension, lebt mit einer Freundin und ihrem Baby in einer 30--Wohnung. „Alle wissen, dass ich in einer schlimmen finanziellen Lage bin.“ Sie will den Rechtsstreit dennoch nicht aufgeben. Wie sie ihn finanzieren soll, das weiß sie nicht. „Ich möchte diese Personen sehen – und wissen, ob sie mir in die Augen schauen, ob sie leugnen.“
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