Denn es sind keine zwei Wochen vergangen, seit der 50-Jährige dem 2,7 Hektar umfassenden Areal zuletzt einen Besuch abgestattet hat, um händisch eine Pflanzen-Probe zu entnehmen. „Im Labor wird sie auf das Ernteniveau – beim Johanniskraut sind das 30 Zentimeter Blühhorizont – zurechtgeschnitten“, erklärt der Bauer.
Anschließende Analysen machen es möglich, das Reifestadium des Krautes zu bestimmen. So kann Brandstetter präzise abschätzen, wann die Ernte eingebracht werden sollte, und kann mit dem verantwortlichen Produzenten zum richtigen Zeitpunkt ausrücken.
Timing ist alles
„Bei Heilkräutern ist die Erntezeit ganz entscheidend für den Wirkstoff“, sagt Franz Tiefenbacher, Geschäftsführer der Waldland Holding GmbH. Das Unternehmen mit Sitz am Gutshof von Oberwaltenreith (Bezirk Zwettl) hat sich unter anderem auf die Aufbereitung unterschiedlicher Heilkräuter spezialisiert.
Mit normaler Landwirtschaft habe man keine Überlebenschance, so Tiefenbacher. Das Waldland-Konzept: Bäuerinnen und Bauern pflanzen auf über 8.000 Hektar unterschiedliche Sonderkulturen – darunter Mariendistel, Lavendel und Ginkgo – an. Waldland unterstützt dabei unter anderem mit spezialisierten Maschinen, kümmert sich um die Trocknung der Ernte und organisiert die Aufträge der internationalen Kundinnen sowie Kunden. „Würde jeder einzelne Landwirt das für sich machen – never ever. Das könnte ein einzelner Betrieb nicht stemmen“, sagt Tiefenbacher.
„Wir haben die Aufgabe, eine wertvolle Schnittstelle für unsere Bäurinnen und Bauern zu sein und ihre Rohstoffe weiterzuentwickeln.“ Damit das möglichst reibungslos gelingt, sind sogenannte Pflanzenbauberater, wie Philipp Brandstetter, für das Unternehmen tätig. Sie agieren als Kommunikationsstelle zwischen Waldland und den Landwirtinnen sowie Landwirten und sind vom Kauf des Pflanzguts über die Kulturpflege bis hin zur Nachbereitung in alle Arbeitsschritte eingebunden.
Vom Schwein zum Kraut
Die aufbereiteten Heilpflanzen finden sich anschließend in unterschiedlichsten pflanzlichen Arzneien. So wird etwa aus dem gesammelten Roggenblütenstaub ein schwedisches Prostata-Medikament, der Lavendel landet in amerikanischem Tee und das in der Mariendistel enthaltene Silymarin steckt schlussendlich in Leberstärkungsmitteln.
Philipp Brandstetters Johanniskraut wird dank der stimmungsaufhellenden Wirkung in spanischen und deutschen pflanzlichen Antidepressiva landen. Etwa drei Stunden hat es gedauert, die Blütenstände mittels Erntemaschine vom Stil zu trennen. „Hat alles super funktioniert, war ein super Ertrag, ein tolles Feld“, resümiert der 50-Jährige.
Traumjob - wenn auch nur nebenbei
Brandstetter arbeitet seit 30 Jahren bei Waldland, ist aber nicht nur als Pflanzenbauberater tätig. 2011 hat er die Landwirtschaft seiner Eltern übernommen, ein ehemaliger Schweinezuchtbetrieb. „Ich bin aufgewachsen damit und für mich war es immer sonnenklar, dass ich Landwirt werde“, blickt der Bauer zurück.
Die Bewirtschaftung seiner Felder macht er aber „nebenbei“, denn obwohl er heute doppelt so viele Hektar besitzt, wie seine Eltern damals, sei die Arbeit bei Waldland die bessere Einnahmequelle. „Es ist schwieriger geworden, sehr viel schwieriger“, so der Landwirt. Er wolle nicht jammern, es habe sich eben viel verändert. Es ist ja doch ein etwas größerer Schritt, vom Stall ins Kräuterfeld.
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