Beitrag gegen den Klimawandel: Retro-Gemüse in Handarbeit

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Barbara Posch und Eva Ganzberger bieten mit ihrer Marktgärtnerei in Perchtoldsdorf frisches Bio-Gemüse „wie früher“ an.

Wolken und Regen statt strahlend blauem Himmel, 25 statt 35 Grad – nicht alle finden das aktuelle Sommerwetter furchtbar. „Ich habe noch nie so wenig gießen müssen“, sagt Barbara Posch und lacht. Wobei, leichte Kritik gibt es schon: Die Paradeiser und Melanzani könnten etwas mehr Sonne vertragen.

Auf 3.000 Quadratmetern, versteckt hinter der Montessori-Schule neben den Weingärten in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling), haben Posch und ihre Mitstreiterin Eva Ganzberger 2023 die Marktgärtnerei „Wurzel aus zwei“ eröffnet. 

Bis zu 70 Kulturen

Dort warten nun Zucchini, Paprika, Karotten, Zwiebel, Knoblauch oder Mangold auf die Ernte. Insgesamt wachsen bis zu 70 Kulturen auf den Feldern oder unter den Folientunneln. Das Besondere: Posch und Ganzberger betreiben eine regenerative Landwirtschaft

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Auch Schädlinge werden von Hand entfernt

Pestizide kommen dabei keine zum Einsatz – nicht einmal solche, die im Bio-Anbau zugelassen wäre. Die Fruchtfolge wird eingehalten, der Boden nur mit Mulch und Kompost gedüngt und auf schwere Geräte verzichtet. Geerntet wird von Hand und das Gemüse jeden Mittwoch frisch am Markt oder mittels Gemüseabo verkauft.

Das schmeckt man. „Es sagen viele, dass sie sich in ihre Kindheit zurückversetzt fühlen“, erzählt Posch, die eigentlich Ernährungswissenschaftlerin ist. Doch nach ihrer Karenz habe sie eine Veränderung gewollt – und in einer Marktgärtnerei in Absdorf angeheuert, wo sie Ganzberger traf. 

Entscheidung zur Selbstständigkeit

„Ich habe dort alles gelernt, was man in der Praxis über den Gemüseanbau in dieser Form wissen muss“, erzählt Posch. Und bald reifte bei den Frauen der Entschluss, selbst einen kleinen Betrieb zu eröffnen.

Ein Grundstück war in Perchtoldsdorf rasch gefunden, doch der Anfang war schwer. Als kleine Gärtnerei fielen die Freundinnen um sämtliche Förderungen um, bis zur Baubewilligung für eine Holzhütte für ihre Geräte sowie zum Gemüsesortieren und -waschen dauerte es zwei Jahre. 

„Im ersten Jahr haben wir unter einem Sonnenschirm gearbeitet“, erzählt Posch. Im Herbst zerfetzte dann der Wind einen Folientunnel. Zumindest Überschwemmungen sind ob der Hanglage auf den Äckern und Beeten kein Thema.

Sonnenschutz

Die Saison von Februar bis Dezember ist dicht getaktet. Das Gemüse pflegen und ernten die Frauen von Hand. Da werden in einer Woche schon mal 70 Kilo Paradeiser oder 40 Kilo Knoblauch gepflückt oder ausgegraben.

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Das Gemüse pfelgen und ernten die Frauen von Hand.

Die Hitze im Juni war für die Frauen eine Herausforderung. Nasse Haare, Hüte mit breiten Krempen, lange Kleidung und viel Sonnencreme gehören da zur Arbeitskleidung. Geerntet wurde im Morgengrauen. „Ich habe dafür einmal sogar hier geschlafen“, erzählt Ganzberger mit Blick auf den Holzunterstand.

Schädlinge sammeln die Gärtnerinnen mit der Hand ein oder saugen sie mit dem Handstaubsauger weg. Eine Heidenarbeit. „Die Reiswanzen machen uns schon zu schaffen“, sagt Ganzberger. Zum Glück hätten zumindest die Schnecken noch nicht Wind von ihrem Gemüse bekommen, meint sie lachend.

Netze und Fressfeinde

Zum Schutz ihrer Kulturen verwenden die Frauen Netze oder Fressfeinde wie Schlupfwespen. Um Nützliche anzulocken, blühen zwischen den Beeten bunte Wiesenblumen. „Was bei uns der Vorteil ist, ist die Vielfalt“, meint Posch. „Viele Betriebe haben eine Monokultur oder wenige Kulturen.“

Wenn es da einen Schädling gibt, gäbe es rasch einen Totalausfall. „Bei uns ist es natürlich blöd, wenn wir keine Fisolen mehr haben. Aber wir haben auch anderes.“ Ausfälle könnten toleriert werden.

Die Frauen sehen in ihrem Konzept die Zukunft der Landwirtschaft und einen Betrag gegen den Klimawandel: Kleine Betriebe mit saisonaler Ware, die direkt an die Kunden verkauft wird und die regionale Versorgung aufrechterhält.

Dass ihre Gemüse teurer als im Supermarkt sei – ein Kilo Zucchini kostet 7,50 Euro – liege zum einen am nachhaltigen Anbau, aber auch daran, dass es bei den großen Betrieben aufgrund von Förderungen keine Kostenwahrheit gebe. 

„Man muss auch wieder Bewusstsein schaffen, dass nicht jedes Gemüse überall wächst. Und wir müssen weg, von dem Überfluss,“ betont Posch.

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