Grubenunglück in NÖ: 29 Tote aus Profitgier und Schlamperei

30.000 Personen erwiesen den 29 getöteten Bergleuten beim Begräbnis die letzte Ehre
Am 26. Juni 1924 starben 29 Bergleute beim schlimmsten Grubenunglück der Ersten Republik. Zum 100. Jahrestag wird in Gloggnitz der Katastrophe gedacht

Mehr als 50 Kinder verloren ihre Väter, mehr als 20 Frauen ihre Ehemänner.

Enzenreith im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich war vor 100 Jahren Schauplatz des schwersten Grubenunglücks in der Geschichte der Ersten Republik. 29 Bergleute mussten am 26. Juni 1924 im Braunkohlebergwerk Hart ihr Leben lassen. Wegen eines technischen Gebrechens an der Frischluftleitung waren sie an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung erstickt.

Gedenkveranstaltung

Zum 100. Jahrestag der Tragödie wird bei einer Veranstaltung am 22. Juni in der Christkönigskirche Gloggnitz der Opfer gedacht. Der Museumsverein Enzenreith-Payerbach hat Drama und Geschichte des Unglücks umfassend aufgearbeitet. 

Grubenunglück in NÖ: 29 Tote aus Profitgier und Schlamperei

Ein Foto mit den Hinterbliebenen der 29 Toten des Bergwerkunglücks gab es im Jahr 1924 als Postkarte 

Menschliches Versagen, rücksichtsloses Vorgehen der Grubenleitung und unzureichende Sicherheitsvorkehrungen hatten damals den Tod von 29 Bergleuten besiegelt. Drei Wochen vor dem Unglück war es im Bergwerk zu einem Brand gekommen, bei dem ein Bergknappe bei lebendigem Leib verbrannte. Vermutlich aus Profitgier entschied die Werksleitung, den abgedämmten Brandherd rasch wieder zu öffnen.

„Rohrbruch übersehen“

„Nachdem der Stollen durch die Bergwerksleitung inspiziert worden war und sich nichts Verdächtiges vorfand, durften die Kumpel an die Arbeit. Unglücklicherweise hatten die Fachleute aber einen Rohrbruch in der Lüftungsleitung übersehen“, schilderte einst der mittlerweile verstorbene Obmann des Museumsvereins, Norbert Toplitsch, anlässlich der Aufarbeitung des Unglücks.

Das giftige Kohlenmonoxid sei statt in den Wetterschacht in die Stollen mit den Bergleuten gedrückt worden. Als zu Mittag die Sirene des Bergwerks „schauerlich aufheulte“, ahnten alle, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.

Grubenunglück in NÖ: 29 Tote aus Profitgier und Schlamperei

Welche Dramen sich unter Tage abgespielt hatten, zeigen die letzten Sekunden im Leben von Schussmeister Franz Spruzina. Er war zusammen mit seinen beiden Söhnen Karl und Wenzel im Bergwerk beschäftigt. 

In der Stunde der höchsten Gefahr war er noch zu ihnen geeilt, hatte sie mit seinen Händen gepackt und wollte sie in Sicherheit bringen, als er selbst das Bewusstsein verlor. 

Die Rettungsmannschaften fanden den Vater und seine beiden Söhne leblos, aber aneinandergeklammert. Weil die Helfer sie selbst im Tode nicht voneinander trennen konnten, mussten die drei Männer zusammen aus dem Stollen gebracht werden.

30.000 Menschen nahmen Abschied

Bei der Beerdigung nahmen 30.000 Menschen Abschied von den Bergleuten. Vor der alten Othmarkirche am Gloggnitzer Hauptplatz standen die Särge – sie waren mit Kreuzen, Grubenlampen und Blumengebinden geschmückt.

Grubenunglück in NÖ: 29 Tote aus Profitgier und Schlamperei

"Auch 100 Jahre später wirkt das Unglück nach", sagt Vizebürgermeister Johann Haiden (SPÖ) 

Trotz der Tragödie wurde der Braunkohleabbau in Hart bis Ende der 1940er-Jahre fortgesetzt. Mittlerweile ist der Schacht längst zugeschüttet. Die Erinnerung an das damalige Grubenunglück und an den einstigen Bergbau lebt aber im Grabdenkmal auf dem Bergfriedhof Enzenreith weiter.

Bei der Gedenkfeier in der Christkönigskirche wird es eine szenische Lesung, mehrere Ansprachen und einen rund siebenminütigen Film über die Geschehnisse geben, sagt Enzenreiths Vizebürgermeister Johann Haiden (SPÖ): „Das Grubenunglück war eines der prägenden Ereignisse in der Historie der Gemeinde.“

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